Verkündigungssendung Das Wort zum Tag bei MDR SACHSEN | 20.-26.03.2023
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Täglich hören Sie das Wort zum Tag. Montags bis freitags gegen 5:45 Uhr und 8:50 Uhr, am Sonnabend gegen 8:50 Uhr, sonntags 7:45 Uhr. Das Wort zum Tag spricht in dieser Woche Pastor Stephan Ringeis, am Sonntag Pater Bernhard Venzke.
Sonntag, 26.03.2023:
Sonnabend, 25.03.2023 Geduldsfaden
Da reißt einem ja der Geduldsfaden. Vielleicht benutzt jemand noch diese Redewendung, wenn etwas sehr lange dauert. Verstärkt wird das Gefühl der Ungeduld, wenn ich es selbst eilig habe. Dann sind ganz normale Wartezeiten an einer Supermarktkasse oder an der roten Ampel kaum auszuhalten, obwohl eigentlich alles so schnell oder so langsam wie immer geht. Wenn er dann wirklich reißt, der Geduldsfaden, bedauert man das danach in der Regel. Der Geduldsfaden stammt übrigens aus der Textilherstellung.
Es geht um den Faden, der reißen kann, wenn er von der Spule zur Verarbeitung abgewickelt wird. Leicht kann er dabei durch zu viel Druck oder Tempo überstrapaziert werden, dann reißt er. Der Faden aber kann nicht schneller abgewickelt werden als er abgewickelt werden kann. Das finde ich interessant. Geduld wird hier nicht über andere definiert, die vielleicht aus meiner Sicht zu langsam sind, sondern ich bin – wenn man so will – das Problem. Ich will etwas schneller als es geht.
Übrigens, schon Johann Wolfgang von Goethe nutze die Redewendung und auch die Gebrüder Grimm kennen in ihrem Wörterbuch den "Geduldsfaden". Also eine alte Sache. Genutzt hat's wenig, zu viele Menschen sind ziemlich ungeduldig. Ich darf das sagen, denn ich gehöre nicht selten dazu. Gut, dass ich gelernt habe, mich dann zu bremsen. Aber manchmal... In den biblischen Sprüchen findet sich dazu folgender Spruch: "Ein Geduldiger ist besser als ein Starker und wer sich selbst beherrscht, besser als einer, der Städte einnimmt." (Sprüche 16,32). Hier wird der Geduldige gepriesen. Der Geduld ist immer der Verzug zu geben statt den Starken zu mimen, auf den Tisch zu hauen oder laut zu werden, ganz zu schweigen davon, per Krieg gleich mal eine Stadt einzunehmen. Wenn der Geduldsfaden reißt und ich die Beherrschung verliere, geht nichts schneller, sondern geht leicht etwas kaputt. Es sind die Beziehungen, die beschädigt werden. Deshalb ist Selbstbeherrschung klug, auch wenn´s mal etwas länger dauert.
Freitag, 24.03.2023: Streiten
"Ihr sollt euch nicht streiten!" - diese Ermahnung meiner Mutter habe ich ganz lebendig im Ohr. Sie war zu hören, wenn ich wieder einmal mit einem meiner Brüder aneinander geraten bin, und ihr es zu laut, oder "zu bunt" wurde, wie sie gern sagte. Kinder streiten miteinander. Das gehört zur Entwicklung. Und Streiten will gelernt sein. Dabei ist dieses "zu bunt" sogar der Grund für die Auseinandersetzungen.
Menschen sind unterschiedlich, in ihrem Wesen, ihren Sichtweisen und auch Überzeugungen. Wenn sie aneinander geraten, dann knallt es nicht selten. Aus diesem Grund ist "Streit" negativ besetzt. Deshalb wird er gemieden und ist verdächtig. Wenn die Regierungskoalition streitet, dann ist das allgemein kein gutes Zeichen, egal welche Parteien daran beteiligt sind. Dabei halte ich es für gut, wenn Verantwortliche über die richtigen Lösungen streiten. Denn so einfach ist das Leben leider nicht, dass es nur einen Weg gibt. Wenn dann nicht um gute Lösungen gerungen wird, wäre das unverantwortlich.
Aber warum ist "Streit" dann so negativ besetzt? Das liegt vermutlich daran, weil das Streiten oft nicht gelingt. Menschen diskutieren nicht nur über eine Sache, sondern greifen sich gegenseitig an. Statt Sachargumente auszutauschen, heißt es dann: "Du bist beschränkt." "Du tickst ja wohl nicht ganz richtig" und "Du bist verantwortungslos", "Du hast keine Ahnung." Sätze, die unter die Gürtellinie gehen, möchte ich hier nicht zitieren. Statt gemeinsam eine Lösung zu suchen, diffamieren sich Menschen gegenseitig. Und wenn dann Worte nicht mehr reichen, fliegen Gegenstände oder sprechen schlimmstenfalls die Waffen.
Als gläubiger Mensch habe ich gelernt, dass Gott mich als Mensch annimmt. Dass er nicht selten mit mir streitet und ganz andere Vorstellungen vom Leben hat, stellt das nicht in Frage. Das lässt mich zuhören, bei ihm und meinen Mitmenschen. Zugegeben, das gelingt nicht immer. Streiten will nicht nur gelernt sein, ich muss es immer wieder üben.