Dienstag, 02.07.2024: Freischwimmer
Das alte Hallenbad in meinem Geburtsort beherbergt ein Restaurant. Neulich war ich dort nach vielen Jahren zur Feier eines Geburtstages eingeladen. Ich war nicht schwimmen, nur essen. Aber schon beim Betreten des Gebäudes war es wie früher. Dieser eigentümliche Chlorgeruch, den ich nie liebte. Er erinnert mich daran, dass ich als Kind erst sehr spät schwimmen gelernt habe. Ich war ein richtig guter Turner und jede Ballsportart machte mir Freude, Bewegung überhaupt, bis heute. Aber Schwimmen war nicht mein Ding. Vielleicht entstand das Trauma im unbeheizten Freibad. Ich fror schnell, war dünn und zerbrechlich. Und der Bademeister war dick und wurde schnell ungeduldig. Irgendwann flüchtete ich vor ihm aus dem Schwimmkurs und sollte danach lange auf den Nichtschwimmerbereich festgelegt sein. Das ist nicht schön, weil man mit jedem Kindheitsjahr zum Außenseiter wird. Die anderen treffen sich und gehen ins Große oder springen vom Turm. Und ich paddelte irgendwie hilflos im Nichtschwimmerbecken herum. Sport war eigentlich mein Lieblingsfach, als aber Schulschwimmen angekündigt wurde, quälten mich Albträume. Peinlich. Wieder wäre ich am liebsten ausgerissen. Seither kann ich nachfühlen, wie das ist, wenn man eine Blockade hat; welcher Art auch immer. Wenn jemand nicht lesen oder schreiben kann; stottert oder gehindert ist aufgrund irgendeines Traumas. Es ist wie ein unüberwindlicher Berg und du bist außen vor. Manchmal möchtest du im Boden versinken.
Petrus wollte so gern glauben. Sein Meister Jesus ging über das Wasser. Er wollte es ihm gleichtun, lief ein paar Schritte, bekam Angst und versank. Jesus nahm ihn bei der Hand und richtete ihn auf. Du kannst! Vertraue, hab Glauben, es geht viel mehr als du meinst. Für mich ein wunderbares biblisches Bild dafür, dass Blockaden überwunden werden, Schwäche in Stärke verwandelt und Selbstvertrauen wachsen kann. Im Leben wie im Glauben.
Irgendwann schaffte es dann mein Bruder, meine Angst zu überwinden. Stolz wie Oskar schwamm ich eine ganze Bahn über die Tiefe. Und dann noch eine und noch eine. Den Freischwimmer habe ich bis heute nicht, schmückte mich nie mit dem Aufnäher auf der Badehose; aber im Sommer lockt mich der See, einzutauchen und mich tragen zu lassen vom kühlen Nass.
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