Donnerstag, 04.07.2024: Statement einer Kleinstadt

Das Hochhaus in der niedersächsischen Kleinstadt wirkte schon immer wie ein Statement. Mit seinen zehn Stockwerken überragt es alle anderen Gebäude des Ortskerns um ein Vielfaches. Die nahliegende katholische Kirche machte sich mit ihrer Turmhaube noch nie groß. Meine Taufkirche in der Altstadt war mit der prägnanten Turmspitze über Jahrhunderte Blickfang, wenn man vom umliegenden Mittelgebirge auf den Stadtkern schaut. In den 70er-Jahren verschob dann das Hochhaus die Symmetrie dieses Anblicks exzentrisch. Ein Geldinstitut konnte es sich leisten, darin zu residieren, wirkte als Investor für die Stadt und schuf Raum für Büros und Arztpraxen.

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Es spricht Pfarrer Holger Treutmann aus Dresden.

MDR SACHSEN - Das Sachsenradio Do 04.07.2024 05:45Uhr 02:43 min

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Die Kirchen haben an Dominanz verloren. Auch wenn sie noch immer einer der größten Arbeitgeber sind, mit ihren diakonischen und caritativen Werken wesentlich soziale Netzwerke für die Gesellschaft zur Verfügung stellen und kulturelles Leben wie kaum eine andere Institution prägen. Die Bedeutsamkeit des Glaubens aber ist deutlich geschwunden.

Das Hochhaus in der Kleinstadt ist für mich ein Symbol dafür, dass andere Werte als religiöse höhere Beachtung erfahren. Das begann in den 70-er Jahren und hat auch zu einer Befreiung von Bevormundung durch die Kirchen geführt. Das ist gut so. Bemerkenswert ist, dass das Hochhaus in der Kleinstadt in den letzten Jahren leer stand. Ein Abriss drohte. Jetzt wurde es renoviert, aber es scheint nicht einfach zu sein, es mit neuem Leben zu füllen. Welches gesellschaftliche Statement möchte die Kleinstadt mit diesem Gebäude für unsere Zeit abgeben? Die Banken sind kleinlaut geworden. Ein Familienzentrum soll entstehen. Büroräume, falls die Mieten nicht zu hoch ausfallen. Arztpraxen, falls es genug Mediziner gibt, die sich in eher ländlicher Umgebung niederlassen wollen. Das Hochhaus fragt: Was braucht ihr? Wofür seid ihr bereit, euch zu engagieren? Was wollt ihr hochhalten?

Auch wenn den Kirchen kaum noch zugetraut wird, diese gesellschaftlichen Fragen zu moderieren, bin ich froh das der spitze Turm meiner Taufkirche zur Einkehr einlädt. Ihre Türen waren offen, als ich neulich wieder da war. Zeit zur Besinnung für mich allein an meinem Taufstein und für alle, die in der Stadt unterwegs sind.

Das Wort zum Tag spricht in dieser Woche:

Kurzbiografie Holger Treutmann

Holger Treutmann

1963 in Springe bei Hannover geboren | verheiratet | 2 Kinder | Studium in Bethel, Göttingen, Berlin | 1989 1. Theologisches Examen in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannover | 1989-1993 Pharmareferent bei Astra-Chemicals Wedel/Hamburg | 1993-1995 Vikariat in Bröckel bei Celle | 1995 2. Theologisches Examen in der Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannover | 1995 Wechsel in die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsen | 1995-1999 Pfarrer in Eibenberg-Kemtau und Chemnitz-Reichenhain | 1999-2005 Pfarrer in St.-Pauli-Kreuz-Gemeinde Chemnitz | 2006 - Januar 2016 Pfarrer der Frauenkirche in Dresden | Ehrenamtlicher Mitarbeiter der Notfallseelsorge Dresden | seit Februar 2016 Senderbeauftragter der Ev. Kirchen beim MDR und Rundfunkbeauftragter der Ev.-Lutherischen Landeskirche Sachsens

Verantwortlich für Verkündigungssendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie das Wort zum Tag...

... sind die Senderbeauftragten der evangelischen Landeskirchen, der evangelischen Freikirchen bzw. der römisch-katholischen Kirche.