Bilanz nach 15 Jahren Jenny und die Roma-Kinder: "Es geht immer weiter"
Hauptinhalt
26. Juli 2024, 04:00 Uhr
Ein Tag im Herbst 2023 stellt das Leben von Jenny Rasche auf den Kopf: In Rumänien finden in Kinderheimen Razzien statt. Die Polizei befreit Kinder, die dort misshandelt wurden. Die Behörden wenden sich an die in Sibiu lebende Ostdeutsche: Sie soll sie aufnehmen. Eine Mammutaufgabe.
Jenny Rasche stammt aus dem Harz und lebt seit 2007 im rumänischen Sibiu. Zusammen mit der Kinderhilfe Siebenbürgen e.v., kümmert sie sich um Roma-Kinder, unterstützt die Ärmsten der Armen, sammelt Geld und Spenden und arbeitet mit schier unerschöpflicher Kraft mehr als zehn Stunden täglich. Für ihr Engagement wird sie 2021 mit dem European Woman Award ausgezeichnet.
Nach mittlerweile 15 Jahren hat sich dank Jenny der einstige Slum am Rande von Sibiu verwandelt: In festen Häusern mit Strom und Heizung wachsen junge Menschen heran, die das Heft des Handelns in die eigenen Hände nehmen, wie z.B. der 22jährige Dani.
Aus Roma-Kindern werden Erwachsene mit Zukunft
Dani wächst in Sura Mara auf. Vom Vater als Baby misshandelt, kommt er in eine Pflegefamilie. Nach vier Jahren muss er jedoch wegen Geldmangels des Jugendamtes zurück in den Slum und zu seinem gewalttätigen Vater - ein Trauma für den damals Fünfjährigen.
Jenny nimmt sich seiner an und Dani darf von morgens bis abends in der eigens für Roma-Kinder gegründeten Schule und dem angeschlossenen Hort bleiben. Jenny wird zu seiner Ersatzmutter.
Nach dem Tod der Eltern kümmert sich Dani um seine beiden Schwestern Luminiza und Adelina. Er hat ein Haus gebaut, die Schule abgeschlossen und eine feste Arbeitsstelle auf dem Bürgermeisteramt des Dorfes erhalten.
Das ist eine Sensation, denn die Angestellten der Bürgermeisterei waren es, die Roma früher am meisten diskriminiert und ausgeschlossen haben. Ein wirklich großer Schritt!
Auch Marussas Leben hat sich sehr verändert. Jenny hat sie als Baby im Slum von Sura Mare gefunden und ihr und ihrer Schwester Kassandra das Leben gerettet. Da ihre alkoholkranken Eltern sich nicht um die Mädchen kümmern, veranlasst Jenny eine Inobhutnahme der Schwestern.
Sie finden ein neues Zuhause bei einer Pflegemutter in einem kleinen Dorf. Marussa und Kassandra - inzwischen 13 und 14 Jahre alt - gehen in die sechste Klasse einer Förderschule. Marussa hofft, dass sie bald auf eine Regelschule wechseln kann.
Als Jenny die beiden in ihrem neuen Zuhause trifft, erlebt sie, dass ihrer Entscheidung damals richtig war.
Aufnahme von misshandelten Kindern aus Kinderheimen
Dank andauernder, reger Spendenbereitschaft betreut Jenny heute mit 40 Mitarbeitenden 2.500 verarmte Kinder in 30 Slums und betreibt sechs Kinderhäuser in Sibiu. Hier leben Kinder, die unwürdigen Zuständen entkommen sind, auch aus Kinderheimen, wo sie misshandelt und gequält wurden.
In diesen Heimen gibt es im Herbst 2023 landesweite Razzien. Die von der Polizei befreiten Kinder sind in einem verwahrlosten Zustand. Die Behörden bitten Jenny, elf gerettete Kinder aufzunehmen. Obwohl sie nicht weiß, wie sie das neue Mammutprojekt finanzieren kann, entscheidet sie sich dafür.
Am Schluss hat trotzdem das Pro gesiegt. Weil ich einfach überlegt habe, wir können jetzt nicht sagen, das machen wir nicht.
Eine große Familie hilft
Eine schwerwiegende Entscheidung, die auch von Jennys Familie mitgetragen werden muss. Um die Großfamilie – immerhin sechs leibliche und neun angenommene Kinder - kümmern sich vor allem ihr Mann Philipp und Kaschka, die älteste Tochter. Jenny ist nur Teilzeitmutter, dennoch glaubt sie:
Ich denke, dass Kinder am glücklichsten sind, wenn die Eltern auch glücklich sind. Und ich werde hier so angenommen, wie ich bin.
Folge sechs der Web-Serie erzählt von Höhen und Tiefen ihrer Arbeit, von Frustration und Glücksmomenten und der Erkenntnis: Es geht immer weiter.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | 01. August 2024 | 22:40 Uhr