Illustration Patchworkfamilie
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Recht Auf was Patchworkfamilien achten sollten

08. Dezember 2022, 10:30 Uhr

Etwa jede zehnte Familie mit Kindern ist eine Patchworkfamilie. Daraus ergeben sich eine ganze Reihe rechtlicher Probleme. Sind die Stiefeltern erziehungsberechtigt? Welche Rechte haben die leiblichen Eltern, die getrennt von den Kindern leben? Bleiben sie sorgeberechtigt, auch wenn das Kind in einer neuen Familie lebt? Die Antworten weiß Rechtsexperte Gilbert Häfner.

MDR um 4 Rechtsexperte Gilbert Häfner, Experte zum Thema "Alles rechtens?".
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Hat ein Stiefvater, der über zehn Jahre mit der Mutter seines Stiefkindes zusammengelebt hat, nach der Trennung das Recht, das Kind weiterhin regelmäßig zu sehen?

Gibert Häfner: Für Patchworkfamilien gibt es kaum eigenständige gesetzliche Regelungen. Während leibliche Eltern nach der Trennung grundsätzlich ein Umgangsrecht mit ihrem Kind haben, das nur im Ausnahmefall eingeschränkt oder gar ausgeschlossen werden kann, gilt der Stiefvater als "andere Bezugsperson" im Sinne des § 1685 BGB. Solche Personen (unter den Begriff fallen z. B. auch Großeltern) haben nur dann ein Recht auf regelmäßigen Kontakt mit dem Kind, wenn dieser dem Kindeswohl dient. Ob dies der Fall ist, darüber lässt sich im Einzelfall trefflich streiten. Das Umgangsrecht von Stiefeltern ist mithin deutlich schwächer ausgestaltet als dasjenige von leiblichen Eltern.

Was passiert, wenn in einer Patchworkfamilie der leibliche Elternteil stirbt? Darf dann der Stiefelternteil die Kinder weiterbetreuen?

Dies ist nicht ohne Weiteres selbstverständlich. Im Gegenteil steht bei Tod eines Elternteils dem anderen (leiblichen) Elternteil das Sorgerecht allein zu, wenn die Eltern gemeinsam sorgeberechtigt waren. Hatte die Mutter bei ihrem Tod das alleinige Sorgerecht inne, so ist das Familiengericht gesetzlich gehalten, dem überlebenden (leiblichen) Elternteil das Sorgerecht zu übertragen, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspricht. Letzteres könnte beispielsweise der Fall sein, wenn die Kinder ihren leiblichen Vater gar nicht kennen oder zu ihm längere Zeit keinen Kontakt hatten, während sie mit dem Stiefpapa jahrelang in einer harmonischen Patchwork-Familie zusammengelebt haben und dieser faktisch eine vaterähnliche Position innehatte. Der Stiefelternteil kann dann vom Gericht als Vormund bestellt werden.

Dürfen Stiefeltern bei der Erziehung des Kindes mitentscheiden?

Haben die Eltern des Kindes das gemeinsame Sorgerecht inne, so bleibt dies grundsätzlich auch nach der Trennung bestehen. Das bedeutet, dass wesentliche, das Kind betreffende Entscheidungen wie die Wahl der Schule, der Religionszugehörigkeit oder auch schwerwiegende gesundheitliche Belange allein durch die sorgeberechtigten Eltern getroffen werden dürfen. Der Stiefelternteil hat insoweit kein Mitspracherecht. Anders liegt es für Ehegatten eines allein sorgeberechtigten Elternteils bei Entscheidungen, die Alltagsdinge betreffen. Hier hat der Stiefpapa oder die Stiefmama ein Mitentscheidungsrecht (§ 1687b BGB). Bei Gefahr im Verzug besteht sogar ein Alleinentscheidungsrecht, der sorgeberechtigte Elternteil muss in einem solchen Fall allerdings schnellstmöglich informiert werden.

Gibt es die Möglichkeit, das Stiefkind einem leiblichen Kind gleichzustellen?

Es ist grundsätzlich möglich, ein Kind zu adoptieren, wenn Adoption dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht. Voraussetzung ist allerdings, dass die Eltern des Kindes und das Kind selbst einwilligen. Ist das Kind noch nicht 14 Jahre alt, muss dessen Einwilligung durch einen gesetzlichen Vertreter erteilt werden. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang zudem, dass nach bisheriger Rechtslage ein Stiefelternteil das Kind seines Partners nur dann als gemeinschaftliches Kind annehmen konnte, wenn beide miteinander verheiratet waren. Diese Regelung, die eine Stiefkindadoption bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften praktisch ausschloss, hat das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung aus dem Jahr 2019 für verfassungswidrig erklärt (1 BvR 673/17).

Generell muss bei der Adoption von Kindern beachtet werden, dass im Falle einer späteren Trennung der Eltern die mit der Elternschaft verbundenen Pflichten weiter bestehen bleiben. Der Adoptivvater muss also bis zur wirtschaftlichen Selbstständigkeit des Kindes weiter Unterhalt zahlen, auch wenn er mit Mutter und Kind nicht mehr zusammenlebt.

Kann das Stiefkind in der Krankenversicherung des Stiefelternteils mitversichert werden?

Stiefkinder können nach § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB V beim Stiefelternteil beitragsfrei familienversichert werden, wenn dieser das Kind überwiegend unterhält. Das kann etwa der Fall sein, wenn der Stiefvater mit der nicht berufstätigen Mutter und dem Kind in einem Haushalt lebt und für den Lebensunterhalt der Familie weitgehend allein aufkommt. Sind beide berufstätig, kann die Berechnung im Einzelfall kompliziert sein, hier lohnt sich eine Nachfrage bei der jeweiligen Krankenversicherung.

Welchen Nachnamen tragen Kinder in einer Patchworkfamilie?

Wie alle Kinder bekommen auch Kinder in Patchworkfamilien ihren Nachnamen bei der Geburt, insoweit gibt es in der Regel keinen Unterschied zu der Namensvergabe in traditionellen Familien. Zu Problemen kann es kommen, wenn der Elternteil, bei dem die Kinder nach der Trennung leben (meist ist das die Mutter), neu heiratet und nun einen anderen Namen trägt als das Kind, nämlich den des neuen Ehemannes. Das Kind kann in einem solchen Fall ebenfalls den Namen der neuen Familie übertragen bekommen (so genannte Einbenennung). Dies setzt allerdings die Einwilligung sowohl des Kindes, wenn es mindestens fünf Jahre alt ist, als auch diejenige des leiblichen Vaters voraus, falls er mitsorgeberechtigt ist oder das Kind seinen Namen trägt.  Das Familiengericht kann die Einwilligung des anderen Elternteils ersetzen, wenn die Einbenennung zum Wohl des Kindes erforderlich ist. In der Praxis ist dies eine hohe Hürde; erforderlich wird die Namensänderung nur im Ausnahmefall sein.

Wie sieht es mit dem Erbrecht von Stiefkindern aus?

Stiefkinder gehören nicht zu den gesetzlichen Erben. Wer seinem Stiefkind etwas hinterlassen möchte, muss also ein Testament machen. Hier ist allerdings zu beachten, dass vom hohen Freibetrag für Kinder (derzeit 400.000 Euro) nur diejenigen Stiefkinder profitieren, deren leiblicher Elternteil mit dem verstorbenen Stiefelternteil verheiratet war. Im Falle einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gilt für die leiblichen Kinder des Lebensgefährten nur der allgemeine Erbschaftsfreibetrag von 20.000 Euro. Eine Alternative kann insoweit die Schenkung zu Lebzeiten sein. Zwar gelten hier die gleichen Freibeträge, allerdings kann man alle zehn Jahre neu vom Freibetrag Gebrauch machen.

Erben in der Patchworkfamilie:

Kinder erben nach dem Gesetz nur vom leiblichen oder Adoptivelternteil, vom Stiefelternteil dagegen nichts.

Abhilfemöglichkeiten:

  • Adoption (aber bisheriges Verwandtschaftsverhältnis erlischt!)
  • Testament/Erbvertrag erstellen (aber Erbschaftssteuer hoch)
  • Möglichkeit: Vor- und Nacherbschaft anordnen (aber Erbschaftssteuer hoch)
  • Schenkungen zu Lebzeiten

Unverheiratete Partner erben nach dem Gesetz nichts.

Abhilfemöglichkeiten:

  • Heirat
  • Testament/Erbvertrag erstellen (aber: Erbschaftssteuer hoch)
  • Schenkungen zu Lebzeiten

Freibeträge bei der Erbschaftssteuer:

Für Kinder:

  • bei Erbschaft von Elternteil: 400.000 Euro pro Kind
  • bei Erbschaft von Stiefelternteil (nur durch Testament möglich): 400.000 Euro pro Kind
  • bei Erbschaft von unverheiratetem Partner des Elternteils: 20.000 Euro

Für Partner:

  • verheiratet: 500.000 Euro
  • nicht verheiratet: 20.000 Euro

Für Schenkungen:

Dann gelten die gleichen Freibeträge (alle zehn Jahre erneut).

Was genau sind Stiefkinder? Stiefkinder in diesem Sinn sind nur solche Kinder, deren einer Elternteil mit einer dritten Person verheiratet ist, die mit dem Kind nicht verwandt ist. Zu dieser Person besteht das Stiefkindverhältnis. Der unverheiratete Partner des Elternteils ist kein Stief-Elternteil (BFH-Urteil vom 19.04.1989, II R 27 / 86, Rdnr. 12 ff.).

Weitere Informationen zum Thema Patchworkfamilie finden sich in der Broschüre "Patchworkfamilie", herausgegeben von der Verbraucherzentrale.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 08. Dezember 2022 | 17:00 Uhr

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