Der Redakteur | 14.10.2024 Ist ein Amtsblatt Werbung?
Hauptinhalt
14. Oktober 2024, 19:30 Uhr
Es ist ein bundesweites Phänomen: Der Aufkleber "Keine Werbung" wirkt nicht so, wie gedacht. Die Ursachen sind vielschichtig und die Begründung der Post ist ebenso skurril wie richtig. Es gibt bei der Tarifwahl durch den Absender einen Unterschied, ob man das Amtsblatt "nur" an alle Briefkästen ausliefern möchte oder "sogar" an sämtliche.
In Rothenstein bei Kahla war Dorfputz. Einige Rothensteiner verpassten den Termin, weil sie kein Amtsblatt erhalten hatten, die eigene Recherche ergab: Es waren die, die den Aufkleber "Keine Werbung" auf dem Briefkasten haben. Die folgende Debatte drehte sich also um die Frage, ob das Amtsblatt "nur" ein Werbeblatt ist oder etwas Besseres.
Ralf Reichertz, Jurist bei der Verbraucherzentrale Thüringen, hat sich extra noch einmal mit seinen Kollegen im Bundesverband kurzgeschlossen. Das Ergebnis: Gibt es einen redaktionellen Teil, sei es bei einer kostenlosen Zeitung oder bei einem Amtsblatt, dann ist das keine Werbung im Sinne des "Keine Werbung"-Aufklebers.
Wenn ausschließlich steht "Keine Werbung" ist nur reine Werbung von betroffen und keine kostenlosen Zeitungen, die auch noch einen redaktionellen Anteil haben.
Das bedeutet: Der eingelegte dicke Packen Werbeblätter in der kostenlosen Wochenzeitung darf zusammen mit der Zeitung eingeworfen werden, es sei denn, der Zettel am Briefkasten verbietet auch diese kostenlosen Zeitungen. Doch warum fehlt das Amtsblatt trotzdem?
Warum verweisen Kommunen auf die Bundesnetzagentur als Schuldigen?
Jetzt beginnt die Geschichte skurril zu werden. Es gibt tatsächlich Kommunen in Brandenburg und Sachsen darunter auch Pausa im sächsischen Vogtland, die eine Anweisung der Bundesnetzagentur umsetzen lassen, die diese nie erteilt haben will. Es geht genau um diesen Fall, dass nämlich der Aufkleber "Keine Werbung" auch das Amtsblatt umfassen würde: "Die Bundesnetzagentur hat die Deutsche Post aufgefordert, grundsätzlich einen Sperrvermerk zu beachten", ist dort zu lesen.
Dem widerspricht die Bundesnetzagentur deutlich. Eine Sprecherin teilte MDR THÜRINGEN auf Anfrage schriftlich mit, die Beachtung von Hinweisen wie "Keine Werbung" richte sich nicht nach postrechtlichen Vorschriften, sondern folgt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung aus einem zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch. Eine diesbezügliche "Anweisung" der Bundesnetzagentur gäbe es nicht.
Soweit Amtsblätter zudem als unadressierte Sendungen verschickt werden, handelt es sich nicht um Postdienstleistungen im Sinne des Postgesetzes. Eine Zuständigkeit der Bundesnetzagentur ist damit von vornherein nicht gegeben.
Der Schwarze Peter wandert also weiter. Wir fragen bei der gelben Post nach, die mit ihrem Service POSTAKTUELL die Amtsblätter ausliefert. Und zwar gemäß Vertrag mit dem Verlag und so viele, wie dieser zum Verteilen zur Verfügung stellt.
Stört sich die Post an dem Aufkleber "Keine Werbung"?
Wenn es um das Amtsblatt geht, ist Postsprecher Thomas Kutsch ganz bei der juristischen Einordnung der Verbraucherzentrale: Amtsblätter und kostenlose Zeitungen sind keine reine Werbung, wer nur die Werbung verbietet mit dem kleinen Aufkleber, müsste sowohl die Zeitungen als auch das Amtsblatt bekommen.
Wer es ganz genau festlegen will, kann es dem Postboten auch explizit aufschreiben: "Keine Werbung, aber kostenlose Zeitungen und das Amtsblatt bitte auch." Damit können Zusteller umgehen, erklärt Thomas Kutsch.
Schön, aber trotzdem fehlen immer noch die Amtsblätter in vielen Briefkästen. Hier kommt der Vertrag ins Spiel, den die Amtsblatt-Verlage logischerweise mit der Post abschließen müssen, damit die dann in die Spur geht. Da gibt es zwei Tarife, ein Tarif beinhaltet die Auslieferung an "alle" und einer an "sämtliche".
Das ist skurril Stufe zwei und bedeutet: Hat der Verlag den Tarif "alle" gewählt, bekommen alle das Amtsblatt, außer diejenigen, die keine Werbung wollen. Beim Tarif "sämtliche" kommt das Amtsblatt wirklich ausnahmslos in jeden Briefkasten.
Das mag sich jetzt für Außenstehende kurios anhören, dahinter verbirgt sich aber tatsächlich eine Auflagenhöhe.
Anderer Tarif – Problem gelöst?
Nicht ganz. Denn der Tarif "sämtliche Haushalte" hat einen Haken, erklärt Mirko Reise, Leiter Medienhaus beim Linus Wittich Verlag Langewiesen. Von dort kommt das Amtsblatt für Rothenstein. Der Haken ist die letzte Seite, die in diesem "Sämtliche"-Tarif keinen Werbeaufdruck enthalten darf.
Deshalb war das ein für uns umsatzschädlicher und nicht akzeptabler Tarif.
Denn man muss wissen, die letzte Seite ist quasi die Seite, die die meisten Umsätze bringt. Darauf zu verzichten, um wirklich "sämtliche" Haushalte zu erreichen, würde bedeuten: Weniger Einnahmen, aber höhere Kosten durch mehr gedruckte Exemplare und höhere Verteilkosten. Wir reden hier von rund 15 Prozent.
Zwar würden die Verwaltungen, die das Amtsblatt herausgeben, einen Anteil am Gesamtpreis zahlen, aber es ist eben nur ein Anteil, der Rest muss durch Werbung erwirtschaftet werden. Sollte eine Kommune oder eine Verwaltungsgemeinschaft wirklich "sämtliche" Haushalte erreichen wollen mit dem Amtsblatt, müsste man noch einmal in Vertragsverhandlungen gehen und die Verluste irgendwie ausgleichen.
Was kann ich nun selbst tun um das Amtsblatt doch zu bekommen?
Es gibt mehrere Tipps, die jeder gern ausprobieren kann:
- Das "Keine Werbung"-Schild entfernen
- Das "Keine Werbung"-Schild ergänzen: Aber bitte das Amtsblatt XY.
- Beim Verlag oder der Gemeinde anfragen, ob das Amtsblatt nicht per Post zugeschickt werden kann.
- Mit der Gemeinde ins Gespräch kommen, doch bitte mit dem Verlag über einen Wechsel in den teureren Tarif zu verhandeln.
- Auch wenn das nicht alle können oder wollen: Online gehen. Viele Amtsblätter gibt es auch im Internet.
MDR (nir)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 14. Oktober 2024 | 16:40 Uhr