Der Redakteur | 23.05.2023 Welche Flaggen darf ich auf meinem Grundstück hissen?
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16. Mai 2023, 15:30 Uhr
Die Deutschen und die Flaggen. Zu Zeiten des Sommermärchens 2006 war das Verhältnis zu unserer eigenen Flagge wohl am entspanntesten. Jetzt stellt sich schon wieder die Frage: Was unterstellt man mir, wenn sie da im Wind flattert? Und was ist mit all den anderen?
Was darf ich? Diese Frage ist typisch deutsch, gerade in Zeiten, die mit einer gewissen Grundaufregung verbunden sind. Erlaubt ist, was nicht verboten ist, und verboten ist in Sachen Flaggen sehr wenig. Meist ist das Entfernen sogar teurer als das Aufhängen.
Brennende Flaggen kommen nicht gut an
Das Strafgesetzbuch beschreibt konkret, wie man sich richtig strafbar machen kann: indem man Flaggen oder Hoheitszeichen "entfernt, zerstört, beschädigt, unbrauchbar oder unkenntlich macht oder beschimpfenden Unfug daran verübt." Dabei geht es in verschiedenen Paragrafen um Flaggen aller Länder. Und von Geldstrafen bis zu Freiheitsstrafen ist da alles dabei. Dass wir auch bei fremden Symbolen mittlerweile so streng sind, hat auch etwas damit zu tun, dass wir eine Handhabe brauchen, wenn unsere Meinungsfreiheit bis aufs Äußerste strapaziert wird. Bilder von brennenden Flaggen anderer Länder kommen dort einfach nicht gut an.
Was ist bei Flaggen verboten?
Verboten sind Flaggen verfassungsfeindlicher Organisationen, also die Hakenkreuzflagge, um konkret zu werden. Dazu weitere Flaggen und Abzeichen des NS-Regimes. In den Randbereichen wird es komplex. Zum Beispiel bei der Reichskriegsflagge. Die wird gern als "Ersatzflagge" verwendet, direkt verboten ist sie aber nur in Österreich. In Deutschland kommt es auf den Kontext an. Es ist erneut das weite Feld der Meinungsfreiheit, das in Deutschland sehr weit reicht. Auch wenn das von den Teilnehmern diverser Demonstrationen regelmäßig bestritten wird. Und nicht jedem fällt der dadurch vor Ort entstehende Widerspruch auf.
Das ist auch eine Lehre aus der NS-Zeit, dass das Unterdrücken und Untersagen von Meinungen immer zu Problemen geführt hat.
Die Reichskriegsflagge ist rechtlich ein historisches Dokument und die Flagge der Marine im Kaiserreich, so Anwalt Bahr. Die ist durch die Nationalsozialisten instrumentalisiert worden und wer sie zeigt, muss sehr auf den Kontext achten.
Das Ende der Fahnenstange: Die Reichskriegsflagge
2021 haben sich die Innenmister von Bund und Ländern auf einen Mustererlass geeinigt, der das öffentliche Zeigen der Flagge als Ordnungswidrigkeit einstuft. Und zwar dann, wenn die Flagge an einem Datum mit besonderer Symbolkraft gezeigt wird oder an einem solchen Ort. Auch in Verbindung mit einem "bedrohlichen Auftreten" und ausländerfeindlichen Parolen oder wenn gar Ähnlichkeiten mit Aufzügen aus der NS-Zeit entstehen, ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Das pure hissen im eigenen Garten alleine ist nicht per se verboten.
Die Flaggen und Symbole der DDR
Wer sich wohl fühlt mit der DDR-Flagge, kann diese gern in den Wind stellen und darunter auch noch einen kleinen morgendlichen Fahnenappell abhalten. Mutiger wäre es allerdings gewesen, das Ganze mit der Flagge der Bundesrepublik zu DDR-Zeiten zu zelebrieren. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die DDR-Flagge in den 1960er-Jahren in der Bundesrepublik tatsächlich verboten war, weil sie als "Spalterflagge" galt.
Vorangegangen waren nach dem Krieg bereits die Verbote der KPD und der FDJ in der Bundesrepublik, die etwas zu deutlich den revolutionären Umsturz in ihren Statuten hatten, der laut Marx und Engels auch nur mit Gewalt funktionieren würde. Auch die offen nationalsozialistische SRP war zuvor schon verboten worden. Beide Denkweisen waren mit der neu entstandenen freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht vereinbar. Nachfolgeorganisationen an den politischen Rändern hatten in der Folge aber durch die Verbote die Leitplanken gezeigt bekommen, die bis heute wirken.
Mit dem Verbot einer verfassungsfeindlichen Organisation ist auch immer das Verbot ihrer Symbole verbunden.
Das spätere Verbot der DDR-Flagge und DDR-Symbole wie Hammer und Zirkel im Ährenkranz, erwies sich in der Praxis als heikel. Denn wenn zum Beispiel bei Sportveranstaltungen wie der Vierschanzentournee DDR-Sportler teilnahmen, rückte die Polizei an, um die verbotenen Symbole einzusammeln. Die Entspannungspolitik führte dann zu einer Lockerung: Im Februar 1970 beschloss die Innenministerkonferenz, das Verbot der DDR-Flagge aufzuheben. Somit gingen dann 1972 auch die DDR-Sportler straffrei aus, die mit der Flagge im Olympiastadion einliefen.
Die Sonderstellung des FDJ-Symbols
Im Gegensatz zur FDJ in der Bundesrepublik wurde die FDJ der DDR nicht verboten. Demzufolge ist auch das Zeigen der Symbole weiterhin erlaubt. Und zwar streng genommen das der DDR. Nur gibt es aber praktisch keinen erkennbaren Unterschied zwischen beiden FDJ-Symbolen und das führt zu einem fast unlösbaren juristischen Problem.
Wenn jemand sagt: Ich wollte das Ostsymbol tragen, kann man das nicht widerlegen.
Das bedeutet: Wer sich plötzlich im FDJ-Hemd wohlfühlt, vielleicht auch noch in dem muffeligen Dederon-Teil, möge dann halt so herumlaufen.
Die Flaggen anderer Länder
Wir haben auch hier die freie Auswahl. Selbst die Flaggen von Diktaturen oder Ländern, die gerade in anderen Ländern ganze Landstriche verwüsten, dürfen in deutschen Vorgärten gehisst werden. Damit zeigt man dann, was man denkt, und dass man "mutig" dem Mainstream widersteht, wobei das Hissen der russischen Flagge so mutig ist wie das Überschreiten der Straße bei Grün.
Das erlaubte Zeigen auch strittiger Symbole sind die Begleiterscheinungen einer freiheitlichen Gesellschaft. Die Verbotshürden sind hoch und werden in der Regel nur dann aufgestellt, wenn zum Beispiel die Gefahr besteht, dass Demonstrationen eskalieren könnten. Doch ob das am Ende auch vor Gericht standhält, das ist zweifelhaft.
Die russische Fahne wird deshalb in der Regel genauso ertragen werden müssen, wie die Angewohnheit, sich irgendwo festzukleben. Das Versammlungsrecht genießt ohnehin besonderen verfassungsrechtlichen Schutz.
Pauschal zu sagen, es dürfen bei einer Veranstaltung keine russischen Flaggen mitgeführt werden, (…) das wird sich verfassungsrechtlich nicht begründen lassen.
MDR (ifl)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 23. Mai 2023 | 16:40 Uhr