Ein sogenannter Panzerblitzer in der Innenstadt von Jena in einer 20 km/h Zone.
Blitzeranhänger sind mit Nummernschildern ausgestattet und stehen im für sie aufgestellten Halteverbot. Ein Paradoxon? Bildrechte: imago images/Christoph Worsch

Der Redakteur | 16.11.2023 Darf ein Blitzer im Halteverbot stehen?

16. November 2023, 17:23 Uhr

Die Panzerblitzer haben Konjunktur. Aber sie haben auch ein Nummernschild und stehen oft in einem eigens für sie aufgestellten Halteverbot. Müsste das Ordnungsamt da nicht ein Knöllchen dranstecken?

Die Vorstellung entbehrt nicht einer gewissen Komik. Das Ordnungsamt richtet ein Halteverbot ein, stellt seinen Panzerblitzer dorthin und kassiert dann bei sich selbst ab. Das passiert natürlich nicht. Und es nimmt sich hier auch niemand irgendwas heraus. Wie so vieles in Deutschland ist auch das geregelt. Und zwar in der STVO, Paragraf 35, unter der Überschrift "Sonderrechte".

Die Polizei hat zur Erfüllung ihrer hoheitlichen Aufgaben Sonderrechte. Die kann sie auch abtreten an die Gemeinden.

Alexander Schnaars, Jurist beim ADAC

In diesem Fall übernehmen dann die Gemeinden die hoheitliche Aufgabe Verkehrsüberwachung, mit der das Sonderrecht verbunden ist, den Blitzer ins Halteverbot zu stellen. Damit ist leider auch die Idee vom Tisch, das Foto könnte ungültig sein wegen des Halteverbots. Die Grenze des Erlaubten ist erreicht, wenn der Blitzer zur Gefahr wird.

Ihn auf den Gehweg zu stellen und die Fußgänger so auf die Fahrbahn zu zwingen, das ist nicht abgedeckt, so Alexander Schnaars. Und - das war eine nachgereichte Hörerfrage - ob bei dem Blitzer auch die Kennzeichen abgenommen werden dürfen. Ja, das ist möglich, so Alexander Schnaars. Allerdings: Wenn die Messanlage als Anhänger im Straßenverkehr unterwegs ist, benötigt sie ein Kennzeichen und entsprechende Beleuchtung.

Abgestellt und umgestellt auf "Blitzerbetrieb" kann es von den jeweiligen Sonderrechten abhängig sein, ob am Anhänger Kennzeichen und Beleuchtung drangelassen werden oder die Messanlage ohne diese aufgestellt wird. Natürlich darf von der Anlage keine Gefahr ausgehen, Stichwort nächtliche Kenntlichkeit durch Beleuchtung beziehungsweise Reflektoren.

Wer hat eigentlich alles "Sonderrechte"?

Es sind mehr Fahrzeuge als man denkt. Verschiedene Messfahrzeuge der Bundesnetzagentur zum Beispiel, wenn sie im Einsatz sind. Auch die Fahrzeuge der Straßenreinigung und Müllabfuhr dürfen mehr als andere Fahrzeuge. Kehrmaschinen dürfen (wenn die Gesamtmasse maximal 2,8 Tonnen beträgt) zum Beispiel auf Gehwegen fahren, Müllautos zur Leerung der Tonnen unter anderem auch das Halteverbot missachten.

Mehrere Verkehrsschilder für absolutes Haltverbot
Um volle Abfalltonnen zu leeren, dürfen Müllautos auch das Halteverbot missachten. Bildrechte: picture alliance/dpa | Jens Kalaene

Spannend wird es bei den Postautos. Hier steht in Paragraf 35 (7a) der Straßenverkehrsordnung, dass diese Fußgängerzonen befahren und auch "kurzfristig" in der zweiten Reihe parken dürfen. Wer etwas genauer hinschaut, entdeckt da aber eine Besonderheit! Dort findet sich nämlich das Wort "Leerung".

… soweit dies mangels geeigneter anderweitiger Parkmöglichkeiten in diesem Bereich zum Zwecke der Leerung von Briefkästen erforderlich ist.

§35 (7a) StVO

Streng genommen ist also das alltägliche Kurzzeitparken in zweiter Reihe zur Auslieferung gar nicht gestattet. Und es kommt noch schlimmer: Das Leeren ist auch nur den "Universaldienstleistern" beziehungsweise ihren Subunternehmen erlaubt, so steht's ebenso im Paragrafen 35 (7a). Das heißt, die zweite Reihe ist für DPD, Hermes, TNT, GLS & Co. absolut tabu. Sie genießen gar keine Sonderrechte.

Gerecht ist das nicht, auch wenn das Leeren eines Briefkastens ja eigentlich nur die Deutsche Post betreibt. Das Bundeswirtschaftsministerium prüft mindestens seit 2019 eine Novelle des Postgesetzes, die auch diesen Punkt beinhalten könnte.  

Im Straßenverkehrsrecht überprüfen wir insbesondere mit Blick auf das Ziel, einen chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerb auf den Postmärkten zu fördern.

Eckpunktepapier Bundeswirtschaftsministerium Novelle des Postgesetzes 2019

Chancengleich bedeutet mindestens: Alle dürften leeren. Funktionsfähig bedeutet vielleicht: Auch das Ausliefern müsste raus aus dem Graubereich. Darauf drängt auch UPS und hat in einer Stellungnahme zu dieser Novelle eine sehr interessante Interpretation der aktuellen Sonderregelungen parat. Es geht da genau um diesen Punkt, nämlich das Befahren von Fußgängerzonen und das Halten im Halteverbot.

In der Praxis wird der Hinweis auf §35 (7a) StVO auch bei der Paketauslieferung genutzt, Fahrzeuge mit entsprechenden, auf das vermeintliche Sonderrecht.

Stellungnahme UPS zur Postnovelle

Ist das nun eine Selbstanzeige? Wir wissen es nicht, wir wissen nur: Drin steht es jedenfalls (noch) nicht im Gesetz. Und eines ist auch klar, wenn es denn kommen sollte: Ein Pilotprojekt oder eine Testphase braucht man ganz sicher nicht.  

MDR (thk)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 16. November 2023 | 16:40 Uhr

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