Behandlung für einen Mann in einem Physiotherapie-Studio
Bei bestimmten Schulterproblemen können Physiotherapeuten ab November selbst über die Behandlung entscheiden. Bildrechte: IMAGO/CHROMORANGE

Individuellere Therapie Physiotherapie bei Schulterschmerzen: Rezept wird vereinfacht

11. Oktober 2024, 05:00 Uhr

Ab November gibt es die sogenannte Blankoverordnung für Physiotherapie. Damit soll die Behandlung individueller angepasst werden können, denn der Therapeut entscheidet dann über das konkrete Heilmittel. Allerdings ist das erstmal nur für bestimmte Schulterprobleme möglich. Zudem ist mit höheren Kosten zu rechnen.

Erstmal nur bei Schulterproblemen anwendbar

Ab 1. November kann bei bestimmten Schulterproblemen eine sogenannte Blankoverordnung für Physiotherapie ausgestellt werden. Bei dieser stellt ein Arzt oder eine Ärztin die Diagnose, entscheidet aber nicht mehr über ein spezifisches Heilmittel. Diese Aufgabe sowie die Entscheidung über Anzahl und Häufigkeit der Therapie übernimmt dann der Physiotherapeut, informiert der GKV-Spitzenverband. Dadurch sei es möglich, die Therapie flexibler aufzubauen. Bereits seit April sind Blankoverordnungen für Ergotherapie möglich.

Bei welchen Schulterproblemen eine Blankoverordnung möglich ist, erklärt die Kassenärztliche Bundesvereinigung auf ihrer Webseite: "Dazu zählen zum Beispiel Luxationen des Schultergelenkes, Läsionen der Rotatorenmanschette, Frakturen der gelenkbildenden Knochen oder starke Verbrennungen in der Schulterregion."

Höhere Kosten für Krankenkassen möglich

Die Blankoverordnung kann bei den Krankenkassen für höhere Ausgaben sorgen. "Allein für die drei neuen Leistungen (physiotherapeutische Diagnostik, Bedarfsdiagnostik und die versorgungsbezogene Pauschale) können sich Mehrausgaben von rund 75 Millionen Euro ergeben", erklärt Jens Ofiera, stellvertretender Pressesprecher des GKV-Spitzenverbands. Wie hoch die Mehrausgaben insgesamt ausfallen werden, ließe sich noch nicht abschließend sagen. Dies komme auch auf die erweiterte Versorgungsverantwortung der Therapierenden an. "Dabei spielen Fragen eine Rolle wie: Welche Heilmittel werden in welchem Umfang durchgeführt? Wann wird das Therapieziel durchschnittlich erreicht – nach 3 oder nach 15 Wochen? Aber auch das Verordnungsverhalten der Ärztinnen und Ärzte hat direkte Auswirkungen", sagt er.

Was steckt hinter den drei neuen Leistungen? – Für Antworten der GKV bitte ausklappen

Auf seiner Fachseite für Heilmittel erklärt der GKV-Spitzenverband die drei neuen Leistungen:

"1) physiotherapeutische Diagnostik zur umfassenden Befragung und Untersuchung der Versicherten, zur Festlegung der Therapieziele und der Therapieplanung. Diese Leistung kann je Blankoverordnung einmal und muss vor Therapiebeginn beziehungsweise Behandlungseinheit durchgeführt werden.

2) Bedarfsdiagnostik zur Untersuchung und Befragung der Versicherten im Therapieverlauf, zur Überprüfung der bisher erreichten Therapieziele und gegebenenfalls zur Anpassung des Therapieplanes oder zum Ende der Therapie. Je Blankoverordnung ist die Leistung einmal durchführ- und abrechenbar. Zwischen physiotherapeutischer Diagnostik und der Bedarfsdiagnostik müssen mindestens 28 Tage liegen.

3) versorgungsbezogene Pauschale: für den besonderen Aufwand der Leistungserbringenden im Zusammenhang mit der Blankoverordnung (zum Beispiel Steuerung des Versorgungsablaufs, Sicherung der Versorgungsqualität), die einmalig je Blankoverordnung abgerechnet werden kann." Quelle: GKV Heilmittel

Eine Sprecherin des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) weist zudem darauf hin, dass die Blankoverordnung ausgewertet werden muss. "Dabei sollen insbesondere die mit ihr verbundenen Auswirkungen auf die Mengenentwicklung, auf die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sowie auf die Behandlungsqualität im Vordergrund stehen", erklärt sie auf MDR-Anfrage.

Zuzahlung für Versicherte steigt wahrscheinlich

Patienten müssen mit veränderten Kosten für ihre Behandlung rechnen. "Es ist davon auszugehen, dass aufgrund der bedarfsgerechten und individuellen Therapiegestaltung, der Auswahl der konkreten Heilmittel und der Behandlungsfrequenz sich auch die Höhe der Zuzahlungen verändern wird", erläutert Jens Ofiera vom GKV-Spitzenverband. Dabei könne die Zuzahlung im Einzelfall auch mal niedriger ausfallen, zum Beispiel wenn das Therapieziel früher erreicht werden könne. Im Regelfall werde die Zuzahlung aber insgesamt höher ausfallen.

Hinweis: Laut dem stellvertretenden Pressesprecher des GKV-Spitenverbands Jens Ofiera besteht für einkommensschwache Versicherte auch hier die Möglichkeit der Zuzahlungsbefreiung.

Dabei gibt es nach einer Sprecherin des BMG unter anderem Festlegungen darüber, wie viele Behandlungseinheiten je Heilmittel üblich sind, um eine unverhältnismäßige Mengenausweitung je Versicherten zu vermeiden. Diese seien in einem Vertrag zwischen dem GKV-Spitzenverband und maßgeblichen Spitzenorganisationen der Heilmittelerbringer festgelegt worden.

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MDR (jvo)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Aktuell | 01. November 2024 | 17:45 Uhr

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