Claudia Gründer steht zwischen zwei Bäumen
Claudia Gründer ist ausgebildete Waldbademeisterin. Bildrechte: Mario Süßenguth

Achtsam Abschalten in der Natur Entspannung in der Natur: Gesundheitstrend Waldbaden

12. Januar 2024, 13:38 Uhr

In Japan gilt der Aufenthalt im Wald schon lange als Medizin für Körper und Seele. Auch bei uns hat man die therapeutische Wirkung der Bäume in den letzten Jahren entdeckt. Wir haben mit der ausgebildeten Waldbademeisterin Claudia Gründer darüber gesprochen, warum uns der Wald so gut tut und wie aus einem Spaziergang ein Waldbad wird. Und sie erklärt, wann Kursteilnahmen von den Krankenkassen bezuschusst werden.

Was versteht man eigentlich unter Waldbaden?

Claudia Gründer: Das Wort Waldbaden ist eine recht freie Übersetzung der japanischen Bezeichnung "Shinrin Yoku". Es bedeutet so viel wie "in der Waldluft bzw. Waldatmosphäre zu baden" – also kurz "Waldbaden". Die Grundlage des Waldbadens ist die Langsamkeit: Man drosselt die Geschwindigkeit und kommt ins Schlendern. Zudem werden alle unsere fünf Sinne – das Schauen, das Fühlen, das Hören, das Riechen und wenn möglich auch das Schmecken – einbezogen. Langsamkeit hat in unserer Gesellschaft nicht den besten Ruf; die Entschleunigung stellt sich am Anfang des Kurses für einige Teilnehmer und Teilnehmerinnen als Herausforderung dar. Doch das löst sich schnell auf.

Waldbaden
"Grundsätzlich kann man in allen Waldarten Waldbadezeit verbringen, und jeder Wald hat seine eigenen Vorzüge", sagt Claudia Gründer. Bildrechte: Colourbox.de

Was bewirkt ein Bad im Wald?

Claudia Gründer: Das Baden im Wald wirkt positiv auf unseren Körper, Geist und unsere Seele. Ganz allgemein gesprochen herrschen im Wald eine höhere Luftqualität und eine niedrigere Lufttemperatur. Das steigert die körperliche Leistungsfähigkeit. Die reduzierten Luftschadstoffe im Wald entlasten die Atemwege, die Lichtverhältnisse sorgen für bessere Stimmung und der Zivilisationslärm verringert sich immens. Medizinische Nachweise wurden bereits 2004-2006 in Japan in einem Forschungsprojekt des Ministeriums für Land-, Forstwirtschaft und Fischerei erbracht. Dabei zeigte sich, dass das Waldbaden positiv und stärkend auf die Psyche, das Nervensystem, das Immun- und Hormonsystem wirkt. Regelmäßiges Waldbaden reduziert zum Beispiel die Konzentration des Stresshormones Cortisol und senkt das Adrenalin und Noradrenalin im Körper. Der Blutdruck sinkt, das Herz wird durch Erhöhung des Hormones DHEA geschützt. Natürlich trifft vieles davon auch für einen Waldspaziergang zu. Mit den speziellen Übungen und der Langsamkeit beim Waldbaden werden diese positiven Wirkungen jedoch um einiges verstärkt.

Gibt es bestimmte Stoffe, die für die gesundheitsfördernde Atmosphäre zuständig sind?

Claudia Gründer: Es gibt z.B. pflanzliche Phytoncide – also bioaktive Substanzen, die von Bäumen und Pflanzen abgegeben werden und die wir über die Atemluft in uns aufnehmen. Pflanzliche Terpene haben pharmalogische Wirkungen auf unseren Körper und schützen den Körper vor freien Radikalen und Krankheitserregern.

Eiche, Birke, Kiefer: Ist es egal, zwischen welchen Bäumen ich bade?

Claudia Gründer: Grundsätzlich kann man in allen Waldarten Waldbadezeit verbringen, und jeder Wald hat seine eigenen Vorzüge. Der Laubwald hat im Sommer ein herrliches kühlendes, erfrischendes Laubdach. Es wirkt auf viele Menschen beruhigend und beschützend und das satte Grün entspannt die Augen. Im Nadelwald sind die ätherischen Öle und Terpene intensiver. Da im Winter die Nadeln noch vorhanden sind, ist die Luft auch noch etwas staubärmer. Ich denke, hier findet jede(r) seinen "Lieblingswald".

Wann kann ein Waldbad helfen?

Claudia Gründer: In Japan ist die Waldmedizin schon lange Forschungsobjekt. Inzwischen gibt es weltweit Forschungen zum Thema "Gesundheit durch den Wald" und die Wirkung des Waldbadens auf den Menschen. Auch die Universität Rostock hat im Bereich Waldtherapie verbunden mit Prävention geforscht. Grundsätzlich gilt, dass Waldbaden präventiv wirkt: Es stärkt z.B. das Immunsystem und macht uns widerstandsfähig gegen Krankheitserreger. Gerade in stressigen Zeiten sorgt ein regelmäßiges Bad im Wald für Entspannung, innere Ruhe, erhöhte Konzentration und Ausgeglichenheit. Aber auch in der Nachsorge bei schweren Krankheiten wie z.B. Krebs werden durch Waldbaden die natürlichen Killerzellen angekurbelt.

Sie bieten Kurse im Waldbaden an. Kann man auch ohne Anleitung ein Waldbad nehmen?

Claudia Gründer: Jeder kann Waldbaden für sich allein oder mit Familie und Freunden durchführen. Man sollte einen Wald wählen, in dem man sich wohl fühlt, gut auskennt und in dem man entspannen kann. Es werden ca. zwei Stunden und eine Strecke von ca. 1,5 km benötigt. Das entspricht einem halben Tag Waldbaden. Mit maximal vier Stunden und einer Strecke von ca. 3,5 km hat man einen ganzen Tag Wald gebadet. Der Vorteil eines angeleiteten Kurses ist, dass man Zeit und Raum komplett unbeachtet lassen und die Verantwortung an einen geschulten Kursleiter abgegeben kann. Als Waldbademeisterin hat man eine Menge Wissen, Erfahrungen und Ideen für so ein Waldbaden, damit die Teilnehmer und Teilnehmerinnen genießen, erfahren, staunen, sich wohlfühlen können.

Lachende Frau an einem Baum
Waldbaden sorgt für Enstspannung und Ausgeglichenheit. Bildrechte: imago/Westend61

Welche Übungen kann man im Wald durchführen, um die eigene Achtsamkeit zu steigern und den Erholungseffekt zu vergrößern?

Claudia Gründer: Die einfachste Übung ist, sich einfach mal für mindestens 20 Minuten an einen Wohlfühlort im Wald zu setzen oder sogar zu legen und alles um sich herum ganz bewusst wahr zu nehmen – die Geräusche, Düfte, Farben. Der Blick in die Baumwipfel ist wunderschön. Im Sommer kann man auch einfach mal die Schuhe ausziehen und ganz langsam und achtsam über den Waldboden gehen: Wie ist der Boden unter den Füßen beschaffen, welche Temperatur, welchen Feuchtigkeitsgehalt hat er? Ansonsten tut es schon gut, einfach mal stehenzubleiben und mehrmals tief ein- und ausatmen. Füllen Sie die Lunge mit sauberer Luft und spüren Sie gleichzeitig die entstehende innere Ruhe. Danach versuchen Sie, die Düfte um sich herum ganz bewusst in sich aufzunehmen. Wichtig bei allem, was im Wald geschieht: Gehen Sie respektvoll mit der Natur um.

Zahlen die Krankenkassen Kurse für Waldbaden?

Claudia Gründer: Die Krankenkassen bezuschussen Kurse für Waldbaden, wenn der Kursleiter eine entsprechende zertifizierte Ausbildung vorweisen kann und bei der Zentralen Prüfstelle (ZPP) einen Antrag eingereicht und genehmigt bekommen hat.

MDR (cbr) | Erstmals erschienen am 28.07.2021.

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 12. Januar 2024 | 18:00 Uhr

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