Analyse Elon Musk und Donald Trump fordern die demokratische Ordnung heraus – was bedeutet das für uns?
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14. Januar 2025, 12:41 Uhr
In der kommenden Woche wird Donald Trump zum zweiten Mal als Präsident der USA vereidigt. In seiner Regierung soll auch der Milliardär und Unternehmer Elon Musk eine wichtige Rolle spielen. Welche Folgen wird das haben? Eine Analyse.
- Donald Trump und Elon Musk haben weltweit Einfluss auf rechtspopulistische Strömungen.
- Der Politikwissenschaftler Johannes Thimm von der Stiftung Wissenschaft und Politik sieht eine potenzielle Gefahr in der Machtfülle des Bündnisses.
- Thimm zufolge könnte Musk auch die Stimmung in Mitteldeutschland beeinflussen.
- Der Tech-Mogul unterstützt weltweit zahlreiche rechte und autokratische Bewegungen.
- Laut Ex-Außenminister Sigmar Gabriel könnte Musk versuchen einen "CEO-Staat" aufzubauen.
Es hat noch nicht einmal begonnen, und darum ist noch nicht ausgemacht, wie es enden wird. Wie umwälzend es werden wird. Wie gefährlich. Und mit welchen Konsequenzen.
Elon Musk und Donald Trump sind zwei der meistumstrittenen Mächtigen unserer Zeit. Während der eine als Tech-Mogul und Besitzer der Plattform X (ehemals Twitter) oder von Satellitennetzwerken wie Starlink globale Kommunikationswege kontrolliert, kehrt der andere am 20. Januar als amerikanischer Präsident ins Weiße Haus zurück.
Weltweiter Einfluss auf rechtspopulistische Strömungen
Diese zwei Männer eint nicht nur die Neigung zu provokativen – in ihrem Fall meint das immer wieder auch: xenophoben und misogynen – Aussagen sowie hundert- bzw. tausendfach dokumentierten Lügen. Beide haben längst enormen und mutmaßlich wachsenden Einfluss auf rechtspopulistische Strömungen weltweit. Und: Sie sind jetzt ein Team, zumindest vorerst, sie agieren in gegenseitiger Bewunderung Seite an Seite und scheinen zu wissen, dass sie einander nutzen. Gemeinsam stellt dieses Duo eine Gefahr für die demokratische Ordnung und die Pressefreiheit dar.
Das ist keine Ahnung, keine These und sowieso keine Frage mehr, denn das haben sie längst nachgewiesen. Beide attackieren freie Medien und demokratische Normen seit Jahren, leugnen Wahlergebnisse und, in Fällen wie dem Sturm auf das Kapitol vom 6. Januar 2021, die real existierende Wirklichkeit. Warum? Weil es ihren politischen und wirtschaftlichen Interessen dient. Und weil sie demokratische Normen und integre, nach korrekter Darstellung strebende Medien von Herzen verachten.
Politikwissenschaftler: Qualität des Bündnisses ist neu
Was bedeutet all das für die kommenden vier Jahre? Für Mitteldeutschland, Deutschland, Europa? "Das Ausmaß des Einflusses einer Privatperson und die Qualität dieses Bündnisses sind neu", so sagt es Johannes Thimm, Stellvertretender Leiter der Forschungsgruppe Amerika bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) dem MDR, und "wenn es hält, ist diese reine Machtfülle bedrohlich".
Der demnächst wieder mächtigste und der heute schon reichste Mann der Welt sind ähnlich launisch und selbstbewusst – das Bündnis der "zwei Alphatiere" (Thimm) muss natürlich nicht halten. Denkbar, dass Trump ziemlich bald von all den "#PresidentMusk"-Posts in den sozialen Medien entnervt sein und Musk eifersüchtig feuern wird; denkbar auch, dass Musk die Lust verliert, wenn er erfährt, wie komplex Politik sein kann.
Musk könnte zum Fall der Brandmauer beitragen
Wenn das Bündnis aber hält, wird der eine die Wucht des anderen verstärken. Und für die politische Welt sei vor allem Musks Geld gefährlich, sagt Thimm: "Mit 400 Milliarden Dollar Vermögen kann Musk jede lokale oder regionale Wahl der USA beeinflussen. Überall dort, wo ein Wahlkampf normalerweise einige 10.000 Dollar kostet, kann er ungeliebte Leute abstrafen und Gegenkandidaten in Trumps Sinne finanzieren. Die Kombination von unbegrenztem Geld, dem Besitz strategisch wichtiger Firmen, missionarischem Eifer und der Nähe zu Trump macht Elon Musk zu einer Person sui generis", also einzigartig.
Für Mitteldeutschland, so der Forscher Thimm, sei die wesentliche Frage, "wie viele neue Leute Musk für die AfD erreichen kann", und das sei heute noch nicht zuverlässig messbar. Detailkenntnis oder echtes Interesse an Deutschland zeige Musk nicht, aber natürlich könne er zu einer Veränderung von Stimmungen und damit zum Fall der Brandmauer zwischen Parteien in der Mitte der Gesellschaft und denen am rechten Rand beitragen.
Musk durchlief rasante Wandlung
Elon Musk hat in den vergangenen Jahren eine rasante Wandlung durchlaufen. Einst – und "einst" liegt nicht Jahrzehnte zurück, auch wenn es sich so anfühlen mag – wurde er gefeiert als Visionär für Elektromobilität und freie Kommunikation. Heute nutzt er seine Plattform X, um Alice Weidel und die AfD zu bejubeln und autokratische bis rechtsradikale Bewegungen in aller Welt zu unterstützen.
"Nur die AfD kann Deutschland retten"? Diese Aussage, mitten im Bundestagswahlkampf, war nur der Anfang, denn dann veröffentlichte die "Welt am Sonntag" einen Meinungsbeitrag, in dem Musk seinen Standpunkt ausführlicher darlegte. Der Beitrag wurde zum Skandal, weil er inhaltlich voller Fehler war; und weil im demokratischen Westen Mitglieder oder wichtige Strategen amtierender oder kommender Regierungen nicht in den Wahlkampf befreundeter Staaten hineinfunken.
So etwas tut man unter Verbündeten nicht, auch dies ist eine demokratische Norm. Schon gar nicht mit einer Empfehlung für eine Partei, die in Mitteldeutschland als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung" von den Landesämtern geführt wird. Alice Weidels Verniedlichung Adolf Hitlers, im Gespräch mit X-Chef Musk, blieb durch diesen unwidersprochen, was auf bizarre Weise schon wieder folgerichtig war. In Großbritannien griff Elon Musk den Premierminister Keir Starmer an. Diesem wirft er vor, als ehemaliger Staatsanwalt nicht gegen Kindesmissbrauch vorgegangen zu sein. Was Unsinn ist. Zudem fordert Musk König Charles III. auf, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen auszurufen. Was gleichfalls Unsinn ist, denn diese Befugnisse hat der König laut Verfassung nicht.
250 Millionen Dollar für Trumps Wahlkampf
Musk hat Donald Trumps Wahlkampf mit über 250 Millionen Dollar Spenden plus unbezahlbarer und für Trump doch kostenloser Propaganda auf X zum Sieg geführt. Britische Medien spekulieren nun, dass Musk die rechtspopulistische Partei Reform UK mit bis zu 100 Millionen Dollar unterstützen werde. Zu dieser neuen Welt, in der wir ab dem 20. Januar leben werden und an die wir uns gewöhnen sollten, gehört: Musk macht durch seine Tiraden auf seiner Plattform X groteske Behauptungen populär und hoffähig, die er selbst ebendort auf X entdeckt hat – weil auf X die Algorithmen rechten Hass fördern und millionenfach in die Feeds ebenjener Nutzer spielen, die solches Zeug anklicken.
Eine Analyse der "Financial Times" zeigt, wie sehr Musk durch rechtsgerichtete Accounts beeinflusst wird. Zu diesen gehören Viségrad 24, das von einem britisch-südafrikanischen Influencer betrieben wird, oder auch der malaysische Kommentator Ian Miles Cheong. Musk scheint durch die "For You"-Funktion auf X gelenkt zu werden, die Inhalte basierend auf bisherigen Interaktionen kuratiert, was laut FT zwangsläufig dazu führt, dass die Plattform ihrem Besitzer immer radikalere Meinungen serviert. Bruce Daisley, ehemaliger Twitter-Manager, bezeichnete Musk inzwischen als den ersten Tech-Konzernchef, der "durch sein eigenes Produkt radikalisiert" wird.
Ex-Außenminister sieht Gefahr für Politik und Wirtschaft
Die von Musk verbreiteten Beiträge werfen der britischen politischen Elite und Strafverfolgern vor, systematisch bei den Ermittlungen gegen Sexualstraftäter versagt zu haben – insbesondere, weil einige Täter pakistanischer Herkunft seien. Musk hat keine Belege für seine Tiraden. Weil es keine Belege gibt.
Sigmar Gabriel, der ehemalige Außenminister und heutige Vorsitzende der in Amerika-Dingen stets kundigen Atlantik-Brücke, sagt dem MDR: "Zu viel Macht in den Händen weniger oder einzelner ist nicht nur in der Politik gefährlich, sondern auch in Wirtschaft. Besonders gefährlich wird es, wenn die Konzernlenker meinen, auch das Handwerk der ach so dummen Politik besser zu verstehen und mit Managementmethoden den Staat zu ‚reformieren‘. Sie vereinen dann wirtschaftliche Macht mit politischer." Und da es sich bei den großen Tech-Konzernführern nicht um Altruisten handele, sorgten sie bei all ihren Reformvorschlägen für den Vorteil ihres Unternehmens.
Trump als "nützlicher Iditot"?
Der Zeitpunkt, Anfang 2025, ist heikel und vermutlich kein Zufall. Weichen werden gestellt, in den USA geht es um Künstliche Intelligenz und deren Regulierung. Musk und seinen Vertrauten könne es eben gerade jetzt gelingen, so Sigmar Gabriel, "ihren politischen Einfluss deutlich auszubauen". Donald Trump ist der "nützliche Idiot", den Musk und Investoren vom konservativ-rechten Rand, wie Peter Thiel "und ihre seltsame Gruppe" rund um den künftigen Vizepräsidenten JD Vance bräuchten, sagt Gabriel, "um die demokratischen Institutionen der USA zu schleifen".
Der USA-Beobachter Sigmar Gabriel entwickelt aus seinen Analysen ein Szenario: "Gelingt ihnen dies, wollen sie ihren CEO-Staat aufbauen, der die Herrschaft des Volks durch eine Art Macht der ‚Edlen‘ ersetzt – zu denen natürlich sie gehören. Sehr wenig zentrale Regierung oder nur die eines kontrollierbaren Präsidenten und so viel Big Business wie möglich."
Trump attackiert Pressefreiheit
Donald Trump allerdings hat längst gelernt, die Mechanismen der Medienwelt zu seinem Vorteil zu nutzen. Er versteht, wie Konflikte und Empörung in den sozialen Medien Aufmerksamkeit generieren, und er hat sich diese Dynamik zunutze gemacht, um seine politische Marke groß und immer größer zu machen. Trumps Plan, den er zusammen mit konservativen Denkfabriken wie der Heritage Foundation vorantreibt, sieht heftige Einschränkungen der Pressefreiheit vor. So fordert das Projekt 2025 jener Heritage Foundation, den Zugang der Presse zum Weißen Haus zu regulieren und die staatliche Finanzierung unabhängiger Medien wie NPR und PBS zu streichen.
Besonders alarmierend: Trump möchte die Entscheidung "New York Times gegen Sullivan" aus dem Jahr 1964 durch den konservativ dominierten Supreme Court kippen lassen. Dieses Urteil schützt Journalisten bislang vor Verleumdungsklagen durch Amtsträger. Und er will die "Federal Communications Commission", die in den USA Sendelizenzen vergibt, unter seine Kontrolle bringen.
Angriffe auf Presse nicht neu
Trumps Angriffe auf jene Presse, die er "Fake News" nennt, sind nicht neu. Medienanwälte warnen aber, dass er in seiner zweiten Amtszeit gezielt Vorladungen, Klagen und Gerichtsbeschlüsse einsetzen werde, um Journalisten unter Druck zu setzen und an vertrauliches Material zu gelangen. Der sogenannte Press Act, ein Gesetz, das Informanten und Journalisten vor Übergriffen schützt, ist Trump zutiefst zuwider. Es verschiebt sich etwas in Amerika. Etwas Großes.
Elon Musk war der Erste aus dem Silicon Valley, der sich Donald Trump unterwarf. Mark Zuckerberg, oberster Boss von Meta, der Mutterfirma von Facebook, folgt und schafft den unabhängigen Faktencheck ab. Jeff Bezos von Amazon, Eigentümer der "Washington Post", verhinderte eine Wahlempfehlung für Kamala Harris. Tim Cook von Apple spendete eine Million Dollar für Trumps Amtseinführung. Die anderen spendeten natürlich auch. "Sie alle", sagt Johannes Thimm, "küssen den Ring."
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 13. Januar 2025 | 06:00 Uhr