Nahost-Konflikt Gericht urteilt gegen Kernelement israelischer Justizreform

01. Januar 2024, 23:01 Uhr

Mitten im Gaza-Krieg fällen Israels höchste Richter ein Urteil von großer Tragweite. Für den ohnehin angeschlagenen Regierungschef Netanjahu ist es ein weiterer Rückschlag. Eine Staatskrise droht. Unterdessen meldet das israelische Militär den Tod eines Hamas-Kommandanten.

Israels Oberstes Gericht hat ein Kernelement der umstrittenen Justizreform gekippt. Eine hauchdünne Mehrheit von acht der 15 Richter war dafür, eine im Juli verabschiedete Gesetzesänderung für nichtig zu erklären, wie das Gericht am Montag mitteilte. Die Grundgesetzänderung hatte dem Gericht die Möglichkeit genommen, gegen "unangemessene" Entscheidungen der Regierung, des Ministerpräsidenten oder einzelner Minister vorzugehen. Kritiker hatten gewarnt, dass dies Korruption und die willkürliche Besetzung wichtiger Posten fördern könnte.

Als Begründung hieß es in dem Urteil, die Gesetzesänderung hätte "den Kerneigenschaften des Staates Israel als demokratischem Staat schweren und beispiellosen Schaden zugefügt".

In Israels Geschichte wurde bisher noch nie ein vergleichbares Gesetz vom Obersten Gericht einkassiert. Sollte die rechtsreligiöse Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Entscheidung nicht akzeptieren, droht dem Land eine Staatskrise.

Kritik von Justizminister Jariv Levin

Israels Justizminister Jariv Levin reagierte mit Vorwürfen und unterstellte dem Gericht nach der Urteilsverkündung, "die ganze Macht für sich in Anspruch zu nehmen". Mit ihrer Entscheidung nähmen "die Richter die ganze Macht in ihre Hände, die in einem demokratischen System auf ausgewogene Weise aufgeteilt ist zwischen den drei Gewalten" Exekutive, Legislative und Judikative, erklärte der Minister im Onlinedienst Telegram. 

Levin, der Architekt der Justizreform, erklärte, das Urteil "beraubt Millionen Bürger ihrer Stimme". Er kritisierte zudem die Veröffentlichung des Urteils "mitten im Krieg". Dies schade der "notwendigen Geschlossenheit in diesen Tagen für den Erfolg unserer Kämpfer an der Front".

Enttäuscht zeigte sich auch die rechtskonservative Likud-Partei des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Es sei "bedauerlich", dass das Gericht beschlossen habe, sein Urteil zu veröffentlichen, während "rechts- und linksgerichtete Soldaten" gemeinsam kämpften und ihr Leben riskierten.

Justizumbau hat das Land gespalten

Das Parlament hatte das Gesetz zur Einschränkung der Justizbefugnisse im Juli trotz anhaltender Proteste mit knapper Mehrheit verabschiedet. Netanjahus Regierung, eine Koalition aus seiner Likud-Partei und rechtsextremen und ultraorthodoxen Parteien, erachtet die Gesetzesänderungen für notwendig, um die Machtverhältnisse bei der Gewaltenteilung neu zu regeln. 

Die Pläne der rechtsreligiösen Regierung zum Umbau der Justiz haben das Land tief gespalten. Seit der Vorlage der Justizreform vor einem Jahr hatten Woche für Woche zehntausende Menschen dagegen demonstriert. Die Massenproteste endeten erst mit dem beispiellosen Überfall der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober.

Israel vermeldet Tod von Hamas-Kommandant

Mit Blick auf das Kriegsgeschehen im Gazastreifen berichtete die israelische Armee von der Tötung eines Kommandeurs der islamistischen Terror-Organisation Hamas. Er soll demnach führend an dem Terrorangriff auf Israels Grenzorte am 7. Oktober beteiligt gewesen sein. Der Kommandeur der Hamas-Einheit "Nuchba" (Deutsch: Elite) in Dair al-Balah im zentralen Abschnitt des Küstenstreifens sei bei einem Luftangriff getötet worden, wie das israelische Militär mitteilte. Von der Hamas gab es dazu zunächst keine Reaktion.

In der Stellungnahme der Armee hieß es, der Kommandeur habe am 7. Oktober "Hamas-Terroristen befehligt, die den brutalen Angriff auf den Kibbuz Kissufim verübten". Er habe die Angreifer auch zu anderen Grenzorten wie Beeri und Nirim geführt. Auch nach dem Massaker am 7. Oktober sei er an Kämpfen gegen israelische Soldaten im Gazastreifen beteiligt gewesen.

dpa,afp (lik)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 01. Januar 2024 | 18:00 Uhr

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