Nahost-Krieg Israelische Truppen dringen in Gaza-Stadt ein
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08. November 2023, 22:00 Uhr
Israelische Soldaten sind offenbar ins Zentrum von Gaza-Stadt eingerückt. Eine Waffenruhe schloss Israel weiter aus. Voraussetzung sei die Freilassung der verschleppten Hamas-Geiseln. Nach israelischen Angaben befinden sich derzeit mehr als 240 Entführte im Gazastreifen. Israel will das Gebiet auch nach Kriegsende weiter militärisch kontrollieren. Eine Feuerpause lehnt Israel weiter ab. Mehrere Länder sprechen sich beim G7-Gipfel gegen eine erneute Besetzung Gazas durch Israel aus.
- Israelische Soldaten rücken in Gaza-Stadt ein
- Israels Regierung zu Feuerpause bereit, sollte die Hamas Geiseln freilassen
- Israel will Gazastreifen "auf unbestimmte Zeit" militärisch kontrollieren
Israelische Soldaten sind offenbar ins Zentrum von Gaza-Stadt eingerückt. Sie gilt als Hochburg der islamistischen Terrororganisation Hamas. Verteidigungsminister Yoav Gallant erklärte, die Truppen seien "im Herzen der Stadt". Der Chef der Hamas im Gazastreifen, Jahja Sinwar, sei in einem Bunker isoliert. Die Stadt im Norden des Gazastreifens war nach Angaben des israelischen Militärs zuvor umstellt und der Gazastreifen in eine nördliche und eine südliche Hälfte geteilt worden.
Tausende palästinensische Zivilisten sind deshalb am Mittwoch aus dem heftig umkämpften Norden des Gazastreifens in Richtung Süden geflohen. Palästinensische Augenzeugen bestätigten die offiziellen Mitteilungen Israels. Israels Armee hatte den Zivilisten im nördlichen Gazastreifen zuvor ein neues Zeitfenster für die Flucht in den Süden des Küstengebiets genannt. Die israelische Cogat-Behörde, teilte mit, allein am Mittwoch hätten schätzungsweise 50.000 Menschen den Evakuierungskorridor genutzt.
Israels Regierung knüpft Feuerpause an Bedingungen
Die G7-Staaten haben sich im Gaza-Krieg für humanitäre Feuerpausen und die Einrichtung von Korridoren ausgesprochen, um Hilfslieferungen sowie die Freilassung von Geiseln zu erleichtern. "Alle Parteien müssen ungehindert humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung, einschließlich Nahrungsmittel, Wasser, medizinische Versorgung, Treibstoff und Unterkünfte sowie Zugang für humanitäre Helfer gewähren", heißt es in der Erklärung zum Abschluss des Treffens der Außenministerinnen und Außenminister der G7-Runde wirtschaftsstarker Demokratien in Tokio vom Mittwoch.
Gallant betonte, Gaza sei der größte je errichtete Terroristen-Stützpunkt der Welt. Es werde keine humanitäre Waffenruhe geben, ohne die Rückkehr der Hamas-Geiseln. Auch Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte eine allgemeine Feuerpause abgelehnt. Dem US-Fernsehsender ABC News sagte er, der Krieg werde so lange fortgesetzt, bis Israel die Kontrolle über den Gazastreifen wiederhergestellt habe und die "allgemeine Sicherheit" gewährleistet sei. Für von den USA geforderte "kleine Pausen" für Hilfslieferungen an die Zivilbevölkerung zeigte er sich jedoch offen.
Mehrere Länder gegen Wiederbesetzung Gazas
Israel richtet sich offenbar darauf ein, den Gazastreifen auch nach dem Krieg weiter militärisch zu kontrollieren. Regierungschef Netanjahu sagte, Israel werde für unbestimmte Zeit die Verantwortung für die Sicherheit im Gazastreifen übernehmen. Wer die politische Kontrolle in dem Gebiet zukünftig ausüben soll, bleibt weiterhin unklar. Verteidigungsminister Gallant erklärte, sobald der Krieg beendet sei, werde weder Israel noch die Hamas die palästinensische Enklave regieren.
Auch die USA sprachen sich gegen eine erneute langfristige Besetzung Gazas durch Israel aus. Nach Ansicht des US-Außenministeriums sollten die Palästinenser bei diesen Entscheidungen an vorderster Stelle stehen. Der Gazastreifen sei und bleibe palästinensisches Land, so ein Sprecher.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat sich ebenfalls gegen die erneute Besetzung des Palästinensergebietes ausgesprochen. Trotz des anhaltenden Krieges zwischen Israel und der dort herrschenden islamistischen Hamas müsse schon jetzt über die Zukunft des Küstengebiets nachgedacht werden, sagte die Grünen-Politikerin am Mittwoch nach einem Treffen der G7-Außenminister in Tokio.
Die Außenminister der G7-Staaten fordern außerdem mehr humanitäre Hilfe für die Menschen im Gazastreifen. Bei den Beratungen habe Einigkeit geherrscht, "dass angesichts der humanitären Notlage in Gaza die humanitäre Versorgung der palästinensischen Zivilbevölkerung dringend ausgebaut werden muss", hieß es aus Delegationskreisen. Zudem sei eine enge Koordinierung der Bemühungen um die Freilassung der von der Hamas verschleppten Geiseln vereinbart worden.
Weitere Raketenangriffe aus Gaza auf Israel
Die Terrororganisation Hamas feuerte am Dienstagabend erneut Raketen auf das Zentrum Israels ab. Auch im Großraum Tel Aviv heulten mehrfach die Warnsirenen. Verletzt wurde Sanitätern zufolge nach ersten Erkenntnissen niemand.
Rotes Kreuz meldet Schüsse auf Hilfskonvoi
Ein Konvoi des Roten Kreuzes mit medizinischen Hilfsgütern geriet nach Angaben der Organisation in Gaza-Stadt unter Beschuss. Wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) mitteilte, wurden zwei der fünf Lastwagen beschädigt und ein Fahrer leicht verletzt. Der Transport sei unter anderem zum Al-Quds-Krankenhaus des Palästinensischen Roten Halbmondes unterwegs gewesen.
Baerbock: Mehr als 200 Deutsche und Angehörige aus Gaza ausgereist
Baerbock bestätigte am Rande des Treffens die Ausreise von mehr als 200 Deutschen und deren Familienangehörigen aus dem Gazastreifen. Das gebe Hoffnung inmitten der furchtbaren Lage in Gaza, schrieb die Grünen-Politikerin auf der Plattform X, ehemals Twitter. Die Bundesregierung arbeite daran, weiteren Deutschen die Ausreise zu ermöglichen.
Seit dem Beginn des Hamas-Überfalls auf Israel am 7. Oktober, bei dem Kämpfer der Terror-Organisation etwa 1.400 Menschen getötet haben sollen und mehr als 200 als Geiseln verschleppten, wurden nach israelischen Angaben bislang auch mehr als 8.100 Raketen auf Israel abgefeuert, wobei die meisten von israelischen Abwehrsystemen abgefangen worden seien.
Armeesprecher: Mehr als 14.000 Ziele in Gaza angegriffen
Israelischen Streitkräfte griffen nach eigenen Angaben im gleichen Zeitraum rund 14.000 Ziele im Gazastreifen an. Dabei seien unter anderem mehr als 100 Zugänge zu Tunneln zerstört und zahlreiche Hamas-Kommandeure getötet worden, sagte Militärsprecher Daniel Hagari am Dienstag. Zudem hätten israelische Einheiten über 4.000 Waffen zerstört, viele seien in Moscheen, Kindergärten und Wohngebieten versteckt gewesen.
Hinweis der Redaktion Die Berichterstattung aus dem Gazastreifen ist schwierig, da wegen der Kämpfe nur wenige Journalistinnen und Journalisten vor Ort sind. Informationen zu den Kampfhandlungen kommen vor allem von der israelischen Regierung und von der im Gazastreifen herrschenden Terrororganisation Hamas, die nur schwer überprüft werden können.
Durch den israelischen Militäreinsatz sollen im Gazastreifen schon mehr als 9.000 Menschen umgekommen sein. Auch diese Zahl beruht auf Angaben von Stellen, die von der Hamas kontrolliert werden und die sich kaum überprüfen lassen.
dpa, AFP, Reuters (dkn, jst)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 08. November 2023 | 06:00 Uhr