Krieg im Nahen Osten Größte Klinik im Gazastreifen nicht mehr in Betrieb

11. November 2023, 22:28 Uhr

Das größte Krankenhaus im Gazastreifen hat palästinensischen Angaben zufolge den Betrieb eingestellt. Ein Sprecher des israelischen Militärs bestätigte, die Al-Schifa-Klinik müsse evakuiert werden. Insgesamt sind im Gazastreifen rund 150.000 Menschen auf der Flucht.

Das größte Krankenhaus im Gazastreifen hat palästinensischen Angaben zufolge den Betrieb eingestellt. Die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde erklärte, in der Al-Schifa-Klinik gebe es keinen Strom mehr. Der Direktor sprach zudem von israelischen Angriffen. In den Innenhof seien Granaten eingeschlagen. Israel geht davon aus, dass sich das Hamas-Hauptquartier im Keller des Krankenhauses befindet.

Israel will bei Evakuierung helfen

Ein Sprecher des israelischen Militärs teilte mit, auf dem Gelände des Al-Schifa-Krankenhauses in Gaza-Stadt, das evakuiert werden müsse, seien noch immer mehrere Tausend Palästinenser. Man habe auch Menschen gesehen, die das Krankenhaus verlassen hätten. Wie viele es genau seien, könne er nicht sagen.

Gleichzeitig betonte Israel, die israelischen Truppen feuerten nicht auf das Krankenhaus. Allerdings gebe es Gefechte mit Hamas-Kämpfern in dessen Umgebung. Die Menschen könnten die Klinik noch immer sicher verlassen. Die Ostseite des Geländes stehe für jeden offen, der sich in Sicherheit bringen wolle.

Am Abend kündigte die israelische Armee an, bei der Evakuierung von Säuglingen aus dem Al-Shifa-Krankenhaus helfen zu wollen. Ein Sprecher sagte, die Babys sollten am Sonntag in ein sicheres Krankenhaus gebracht werden. Zuvor hatte die israelische Ärzteorganisation Physicians for Human Rights Israel berichtet, wegen Stromausfällen seien zwei Frühchen im Al-Schifa-Krankenhaus gestorben, 37 weitere Frühchen seien in Lebensgefahr. Auch ein erwachsener Patient sei durch den Ausfall seines Beatmungsgeräts ums Leben gekommen.

Netanjahu: Hamas hat Kontrolle verloren

Die islamistische Palästinenserorganisation Hamas hat nach israelischer Darstellung die Kontrolle über den nördlichen Teil des Gazastreifens verloren. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte am Abend, Hamas-Kämpfer hätten "keinen sicheren Ort mehr, um sich zu verstecken". Von Hamas-Chef Jihia al-Sinwar bis zum letzten Terroristen seien alle todgeweiht. Die Armee habe bereits Tausende Terroristen getötet, darunter auch "Kommandeure, die das schreckliche Massaker am 7. Oktober angeführt haben".

UN-Resolution zu Stopp von Gaza-Angriffen gefordert

Vertreter arabischer und muslimischer Länder haben eine "bindende" UN-Resolution zu einem Stopp der israelischen Angriffe auf Ziele im Gazastreifen gefordert. In einer bei einem Gipfeltreffen in Riad verabschiedeten gemeinsamen Erklärung der Arabischem Liga und der Organisation für Islamische Zusammenarbeit hieß es, sollte keine derartige UN-Resolution verabschiedet werden, wäre dies eine "Komplizenschaft". Das israelische Vorgehen im Gazastreifen könne nicht als Selbstverteidigung bezeichnet werden.

150.000 Menschen auf der Flucht

In den vergangenen drei Tagen haben nach Angaben des israelischen Militärs mindestens 150.000 Menschen den Norden des Gazastreifens verlassen.

Das israelische Militär hat den Gazastreifen faktisch geteilt. Die Zivilbevölkerung wurde mehrfach von Israel aufgefordert, den Norden Richtung Süden zu verlassen. Im Norden sind Bodentruppen einmarschiert und liefern sich vor allem in Gaza-Stadt heftige Gefechte mit der Hamas.

Hinweis der Redaktion Die Berichterstattung aus dem Gazastreifen ist schwierig, da wegen der Kämpfe nur wenige Journalistinnen und Journalisten vor Ort sind. Informationen zu den Kampfhandlungen kommen vor allem von der israelischen Regierung und von der im Gazastreifen herrschenden Terrororganisation Hamas, die nur schwer überprüft werden können.

Die Lage der Zivilbevölkerung wird im gesamten Gazastreifen immer schwieriger. Es fehlt an Lebensmitteln, Medikamenten und Treibstoff, um unter anderem Stromgeneratoren zu betreiben. Die Weltgesundheitsorganisation hatte zuvor die humanitäre Lage im Gazastreifen als desaströs beschrieben. Mehr als die Hälfte der 36 Krankenhäuser sei nicht mehr in Betrieb, die anderen seien überlastet.

Kanzler Scholz fordert Feuerpausen

Bundeskanzler Olaf Scholz dringt auf Feuerpausen, damit Verletzte, Staatsangehörige anderer Länder und eventuell auch Geiseln der radikal-islamischen Hamas den Gazastreifen verlassen können und humanitäre Hilfe die Menschen im Gazastreifen erreichen kann. Zugleich betonte er, dass Israel das Recht habe, gegen die radikal-islamische Hamas vorzugehen.

Baerbock mit Skepsis bei Forderungen nach Waffenstillstand

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sieht Forderungen nach einem sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen kritisch. Bei ihrem Besuch in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad sagte die Grünen-Politikerin, sie verstehe zwar den Impuls einen allgemeinen Waffenstillstand zu fordern. Wer diesen fordere, müsse sich aber auch darüber im Klaren sein, was das für die Stärke der Hamas und für die Sicherheit Israels bedeute, das täglich von Raketen bedroht werde.

Zudem gehe es auch um das Schicksal der mehr als 200 Geiseln, die sich noch in der Gewalt der Hamas befinden.

Hilfe für Palästinenser wird aufgestockt

Deutschland stockt seine humanitäre Hilfe für Palästinenser um weitere 38 Millionen Euro auf. Das kündigte Außenministerin Baerbock in Ramallah im Westjordanland an. Dort hatte sie sich mit dem palästinensischen Ministerpräsidenten Mohammed Schtajeh getroffen. Laut Baerbock wird Deutschland im laufenden Jahr insgesamt über 160 Millionen Euro zur Verfügung stellen.

dpa/AFP(isc)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Nachrichten | 11. November 2023 | 16:00 Uhr

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