Krieg in Nahost Israel: Hinweise auf verbleibende Geiseln im Gazastreifen
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05. Dezember 2023, 09:06 Uhr
Israel verfügt nach Militärangaben über nachrichtendienstliche Hinweise auf verbliebene Geiseln im Gazastreifen. Ein Pumpensystem könnte zur Zerstörung von Hamas-Tunneln genutzt werden. Unterdessen verschärft Isreal seine Bodenoffensive im Süden des Gazastreifens. Soldaten kesseln des israelischen Miliärs zufolge die Stadt Chun Junis ein. Das UN-Palästinenserhilfswerk sieht sich nach eigenen Angaben nicht mehr im Stande, alle Schutz suchenden Menschen zu versorgen.
- Israels Armee verfügt über ein Pumpensystem, das Hamas-Tunnel zerstören könnte
- Raketenstellungen von Milizen im Libanon von Israel attackiert
- UN: Not der Binnenflüchtlinge in Gaza übersteigt Kapazitäten
- EU-Innenminister beraten in Brüssel über Folgen des Nahost-Krieges für europäische Sicherheit
Das israelische Militär hat einem Sprecher zufolge nachrichtendienstliche Hinweise auf den Verbleib der noch im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln. Das Thema habe höchste Priorität.
Israel geht davon aus, dass insgesamt noch 137 Geiseln in dem Küstenstreifen festgehalten werden. Unter ihnen sind laut dem israelischen Verteidigungsminister Joav Galant noch 15 Frauen und zwei Kinder.
105 Geiseln kamen in der vergangenen Woche während einer Feuerpause zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas frei. Im Gegenzug entließ Israel 240 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen.
Pumpensystem wirft Fragen auf
Medienberichten zufolge hat Israel ein System aus großen Pumpen gebaut, die das ausgedehnte Tunnelnetz der islamistischen Hamas unter dem Gazastreifen mit Meerwasser fluten könnten. Das "Wall Street Journal" berichtete am Montag (Ortszeit) unter Berufung auf Beamte der US-Regierung, dass nicht bekannt sei, ob die israelische Regierung den Schritt gehen werde. Israel habe weder eine endgültige Entscheidung dazu getroffen, noch einen solchen Plan ausgeschlossen, wurden die Beamten zitiert.
Die israelischen Streitkräfte hätten Mitte November die Montage großer Meerwasserpumpen nördlich des Flüchtlingslagers Al-Shati abgeschlossen, hieß es weiter. Jede der mindestens fünf Pumpen könne Wasser aus dem Mittelmeer entnehmen und Tausende von Kubikmetern Wasser pro Stunde in die Tunnel leiten, so dass diese innerhalb weniger Wochen überflutet wären, berichtete die Zeitung.
Mit einer solchen Taktik wäre Israel demnach in der Lage, die Tunnel zu zerstören und die Terroristen aus ihrem unterirdischen Versteck zu vertreiben. Dies bedrohe allerdings die Wasserversorgung des Gazastreifens.
Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben seit Beginn des Gaza-Kriegs mehr als 800 Tunnelschächte gefunden. Rund 500 davon seien bereits zerstört worden.
Vorstoß und schwere Kämpfe in Gazas Süden
Aus dem südlichen Gazastreifen werden massive Kämpfe zwischen der israelischen Armee und der Hamas gemeldet. Der Kommandeur des Südkommandos der israelischen Streitkräfte, General Jaron Finkelman, sagte, dass israelische Streitkräfte in die schwersten Kämpfe seit Beginn ihrer Invasion im Gazastreifen verwickelt sind.
Es sei der intensivste Tag seit Beginn der Bodenoffensive. Die Truppen seien nun auch in Chan Junis, der größten Stadt im südlichen Gazastreifen im Einsatz. Das israelische Militär wirft Flugblätter über Chan Junis ab, mit denen es die Bewohner vor einem in Kürze anstehenden Angriff warnt. Sie richten sich an Bewohner von sechs östlichen und nördlichen Bezirken der Stadt richten. Die betroffenen Stadtteile machen etwa ein Viertel von Chan Junis aus.
Flugblätter des israelischen Militärs, die vor dem Angriff auf Chan Junis verbreitet werden "In den kommenden Stunden werden die israelischen Verteidigungskräfte mit einem intensiven Angriff auf ihr Wohngebiet beginnen, um die Terrororganisation Hamas zu zerstören. Zu Ihrer Sicherheit bleiben Sie in den Notunterkünften und Krankenhäusern, in denen Sie sich befinden. Gehen Sie nicht raus. Rauszugehen ist gefährlich. Sie wurden gewarnt."
Zuvor seien Dutzende israelischer Panzer in den Süden des Gazastreifens vorgestoßen. In der Region drängen sich Hunderttausende Palästinenser, die aus dem Norden des Gebiets dorthin geflohen waren.
UN: Not der Binnenflüchtlinge in Gaza übersteigt Kapazitäten
Das UN-Palästinenserhilfswerk (UNRWA)sieht sich nach eigenen Angaben nicht mehr im Stande, alle Schutz suchenden Menschen zu versorgen.
Israel fordere die Menschen in Chan Junis, der größten Stadt im Süden, auf, "nach Rafah zu ziehen, um Hilfe zu erhalten - aber wir sind nicht in der Lage, Hunderttausende Binnenflüchtlinge zu versorgen", schrieb der UNRWA-Direktor für Gaza, Thomas White, am Dienstag auf der Plattform X, vormals Twitter.
Seit Wochen waren Hunderttausende aus dem umkämpften Norden in den Südteil des Gazastreifens geflohen. White schrieb, seine Organisation werde am Dienstag ihre letzten 300 Zelte verteilen. "Tausende leben ohne Obdach im Freien." Es werde noch mehr Tote geben, warnte er. Die Lage der Zivilbevölkerung im Gazastreifen ist vielerorts desolat. Menschen kampieren in provisorischen Zeltlagern oder im Freien.
Beschuß von Milizenstellungen im Libanon
Als Reaktion auf Beschuss aus dem Libanon bestätigte Israels Armee zudem Angriffe mit Kampfflugzeugen auf Stellungen der dortigen Hisbollah-Miliz. Es seien Raketenstellungen der vom Iran unterstützten Schiiten-Miliz getroffen worden.
Seit Beginn des Gaza-Krieges kommt es immer wieder zu Konfrontationen zwischen Israels Armee und militanten Gruppierungen wie der Hisbollah in der Grenzregion zum Libanon. Auf beiden Seiten gab es schon Tote.
Hinweis zur Berichterstattung
Die Berichterstattung aus dem Gazastreifen ist schwierig, da wegen der Kämpfe nur wenige Journalistinnen und Journalisten vor Ort sind. Informationen zu den Kampfhandlungen kommen vor allem von der israelischen Regierung und von der im Gazastreifen herrschenden Terrororganisation Hamas, die nur schwer überprüft werden können.
EU-Innenminister beraten in Brüssel
Über die Folgen des Nahost-Kriegs für die europäische Sicherheit beraten am Dienstag in Brüssel ferner die EU-Innenminister. Sowohl der deutsche Verfassungsschutz als auch Innenministerin Nancy Faeser (SPD) warnen vor Anschlägen.
Auch EU-Innenkommissarin Johansson zeigte sich angesichts der Polarisierung durch den Nahost-Konflikt besorgt. Sie kündigte 30 Millionen Euro zusätzlich für den Schutz besonders gefährdeter Orte wie etwa Gotteshäuser an.
Erst am Wochenende hatte ein polizeibekannter Islamist in Paris einen deutsch-philippinischen Touristen erstochen. Der Attentäter begründete dies in einem Video unter anderem mit der Gewalt gegen Palästinenser.
dpa, afp, MDR (lik)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 05. Dezember 2023 | 07:30 Uhr