Nach Hamas-Angriff Bundeswehr fliegt Deutsche mit zwei Militärflugzeugen aus Israel aus

15. Oktober 2023, 02:26 Uhr

Angesichts einer möglichen Bodenoffensive Israels gegen die Hamas befürchten die UN eine Katastrophe im Gazastreifen. Sie fordern, den Räumungsaufruf für eine Million Menschen zu widerrufen. Die Bundeswehr fliegt Deutsche mit zwei Militärflugzeugen aus Israel aus. Die EU-Kommission gibt eine Verdreifachung der humanitären Hilfe für den Gazastreifen auf 75 Millionen Euro bekannt.

Die Bundeswehr plant Deutsche mit zwei Militärflugzeugen in der Nacht aus Israel nach Hause zurückzuholen. Die Luftwaffe bringe mit zwei Maschinen vom Typ A400M "Material" nach Israel und nehme auf dem Rückflug ausreisewillige Staatsbürger und deren Familien mit, erklärte das Bundesverteidigungsministerium am Samstagabend. Eine Sprecherin der Luftwaffe sagte, die Flugzeuge werden bereits in der Nacht zum Sonntag wieder im Fliegerhorst im niedersächsischen Wunstorf landen. Weitere Flüge seien in Vorbereitung, hieß es weiter.

"Die Bundeswehr ist mit dem Auswärtigen Amt in enger Abstimmung und unterstützt es bei der so genannten schnellen Luft-Abholung", erklärte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD).

Auswärtiges Amt will weitere deutsche Staatsbürger aus dem Gazastreifen holen

Angesichts der zunehmend bedrohlichen Lage im Nahen Osten plant das Auswärtige Amt, weitere deutsche Staatsbürger aus dem Gazastreifen zu holen. Wie ein Sprecher des Ministeriums am Samstag in Berlin erklärte, befinde sich noch "eine niedrige dreistellige Zahl von deutschen Staatsangehörigen" in dem Palästinensergebiet. "Wir stehen mit diesen in Kontakt und schauen, wie wir sie bei Ausreiseplänen unterstützen können", fügte der Sprecher hinzu. Dazu sei man in Abstimmung mit israelischen und ägyptischen Kollegen. Genauere Angaben zu einer konkreten Vorbereitung wollte das Ministerium aus Sicherheitsgründen nicht machen.

Zu Medienberichten, dass ausländische Staatsangehörige am Samstag aus dem Gazastreifen nach Ägypten ausreisen könnten, hieß es aus dem Ministerium, die Pläne seien dem Auswärtigen Amt bekannt, es könne sie jedoch nicht bestätigen.

Die Fluggesellschaft Condor plant für Sonntag einen Sonderflug aus der der jordanischen Stadt Akaba an der Grenze zu Israel. Eine Condor-Sprecherin teilte am Samstag mit, dass "aufgrund der aktuellen Bedarfslage wird Condor morgen vorerst einen Sonderflug ab Akaba nach Frankfurt durchführen." Eigentlich hatte das Auswärtige Amt zwei Sonderflüge am Sonntag zur Evakuierung von Deutschen aus Israel geplant. Diese kamen allerdings nicht zustande.

Israels Militär greift nach Raketenbeschuss Ziele in Syrien an

Israels Armee hat nach eigenen Angaben auf Raketenbeschuss aus Syrien mit Artilleriefeuer reagiert. Ziel sei der Abschussort der Raketen gewesen, teilte das Militär mit. Nach ersten Erkenntnissen seien zwei Raketen auf Israel abgefeuert worden. Beide seien auf offener Fläche gelandet. Welche Gruppierung für den Abschuss aus Syrien verantwortlich war, war zunächst unklar. Laut syrischen Aktivisten soll eine eng mit der libanesischen Hisbollah verbundene Miliz die Raketen abgeschossen haben.

Syrischen Angaben zufolge attackierte Israels Luftwaffe auch den Flughafen von Aleppo. Dieser sei nach dem Angriff außer Betrieb. Zuvor sei bereits der Flughafen in Damaskus beschädigt worden. Auch er sei noch nicht repariert. Insidern zufolge sollen die Angriffe iranische Nachschublinien nach Syrien unterbrechen, wo zuletzt der Einfluss der Islamischen Republik zugenommen hat. Der Iran unterstützt demnach die palästinensische Terrororganisation Hamas.

Israel setzt neuen Zeitraum für die Räumung des nördlichen Gazastreifens

Das israelische Militär hatte am Samstagmorgen einen neuen Zeitraum angekündigt, indem Einwohner des nördlichen Gazastreifens ohne Angriffe in den Süden Gazas evakuieren sollten. Dieses Zeitfenster endete um 15 Uhr deutscher Zeit. Bewohner sollten von Beit Hanun auf einer eingezeichneten Fluchtroute nach Chan Junis gehen, teilte ein Sprecher der Armee auf der Plattform X (früher Twitter) mit.

Bodenoffensive Israels erwartet

Das israelische Militär warf Hamas-Terroristen vor, zu versuchen, die Bevölkerung daran zu hindern, sich in Sicherheit zu bringen und sie als "menschliches Schutzschild" zu missbrauchen. Angesichts einer möglichen Bodenoffensive Israels gegen die Hamas befürchten die UN eine Katastrophe im Gazastreifen. Sie fordern, den Räumungsaufruf für eine Million Menschen zu widerrufen

Nach dem Evakuierungsaufruf der israelischen Armee haben sich deren Angaben zufolge Hunderttausende im Gazastreifen auf den Weg Richtung Süden gemacht. "Wir sind uns im Klaren, dass dies Zeit brauchen wird", sagte Militärsprecher Richard Hecht am Samstag. Die Hamas versuche auch, die Zivilisten aufzuhalten, sagt Hecht. Augenzeugen berichteten von Panik unter der Bevölkerung.

Das israelische Militär teilte mit, dass sich seine Truppen für die nächste Einsatzphase in Stellung brächten: "Sie sind überall rund um den Gazastreifen, im Süden, im Zentrum und im Norden." Bisher sind nach Angaben des Gesundheitsministeriums in der von der islamistischen Hamas kontrollierten Küstenenklave bei israelischen Angriffen im Gazastreifen 2.215 Palästinenser getötet worden. Zudem seien 8.714 Menschen verletzt worden. Unter den Toten seien 724 Kinder und Jugendliche sowie 458 Frauen. Seit Beginn des Krieges kamen 1.300 Israelis ums Leben, mindestens 3.300 wurden verletzt, etwa 150 wurden mutmaßlich entführt.

Baerbock: Acht Fälle von deutschen Staatsangehörigen unter den Verschleppten

Unter den verschleppten Geiseln sollen sich auch deutsche Staatsangehörige befinden. Wie Außenministerin Annalena Baerbock am Samstag sagte, seien der Bundesregierung acht "Fälle" von deutschen Staatsangehörigen unter den Verschleppten bekannt, darunter die meisten Doppelstaatler. Eine genaue Anzahl an Personen ist bisher nicht bekannt.

Die deutsche Botschaft stehe im ständigem Kontakt zu den Angehörigen, erklärte Baerbock. Beim Krisengespräch mit ihrem ägyptischen Kollegen Samih Schukri in der Hauptstadt Kairo appellierte sie eindringlich an die islamistische Hamas, alle aus Israel verschleppten Geiseln freizulassen.

Zugleich fordere sie schnellstmöglich humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen. Hilfsgüter könnten demnach über den Grenzübergang Rafah im Süden des Gazastreifens zu Ägypten geliefert werden.

EU verstärkt humanitäre Hilfe für den Gazastreifen in Millionenhöhe

Die EU-Kommission gab bekannt, dass sie die humanitäre Hilfe für den Gazastreifen auf 75 Millionen Euro verdreifacht. "Die Kommission unterstützt das Recht Israels, sich gegen die Hamas-Terroristen zu verteidigen" unter Einhaltung des Völkerrechts, heißt es in einer Erklärung. "Wir arbeiten in diesem Kontext hart daran, sicherzustellen, dass unschuldige Zivilisten im Gazastreifen Hilfe erhalten."

Außerdem planen die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union sich zu einem Sondergipfel zu treffen, um über die Lage in Israel und im Gazastreifen zu beraten. Der Gipfel soll am Dienstag per Videokonferenz stattfinden, teilte EU-Ratschef Charles Michel am Samstagabend mit. Man stehe in voller Solidarität zum israelischen Volk und den Opfern der jüngsten Terroranschläge.

Zwei Anführer des Hamas-Angriffs auf Israel getötet

Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben einen Anführer des Großangriffs der Hamas auf Israel getötet. Ali Kadi habe als Kommandeur einer Eliteeinheit den Überfall bewaffneter Terroristen auf Ortschaften im Süden Israels vor einer Woche angeführt, teilte die Armee am Samstag mit. Er sei bei einem Luftangriff getötet worden.

Wenige Stunden zuvor hatte Israel die Tötung eines weiteren hochrangigen Hamas-Kommandeurs bekannt gegeben. Der Chef der "Luftaktivitäten" der Hamas, Murad Abu Murad, wurde demnach ebenfalls bei einem israelischen Luftangriff getötet. Die israelische Armee bezeichnete Murad als einen der Hauptverantwortlichen für die "tödliche Offensive" der Hamas gegen Israel. Die Palästinenserorganisation bestätigte den Tod des Kommandeurs zunächst nicht.

AFP, dpa, Reuters (jst,lmb)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 14. Oktober 2023 | 10:12 Uhr

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