Gewaltaufrufe der Hamas Jüdische Gemeinden in Sachsen nach Angriff auf Israel verunsichert
Hauptinhalt
13. Oktober 2023, 15:54 Uhr
Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel hat sich auch das jüdische Leben in Sachsen verändert. Trotz erhöhter Polizeipräsenz sind viele Juden verunsichert. Ein Gewaltaufruf der Hamas für Freitag verstärkt die Sorge. Die Polizei in Sachsen sieht dabei keinen direkten Bezug zu Sachsen. Sie verstärkt aber am Wochenende die Kräfte.
- Die Jüdischen Gemeinden in Sachsen stehen derzeit in engem Kontakt mit der Polizei, sind aber in Sorge wegen neuer Gewaltaufrufe der Hamas.
- Das Innenministerium verstärkt die Polizeikräfte zum Wochenende und will israel-feindliche Versammlungen verbieten.
- Die Beratungsstelle bei antisemitischer Gewalt und Diskriminierung bekommt seit Beginn des Angriffs auf Israel so viele Anrufe wie noch nie.
"Wir haben uns in Dresden nie unsicher gefühlt, was auch der Unterstützung durch viele Dresdnerinnen und Dresdner, die Polizei und auch unsere direkten Nachbarn geschuldet ist," schreibt die Jüdische Kultusgemeinde Dresden in einer aktuellen Information des "Jewsletters" aus Anlass des Krieges in Israel. Trotzdem stehe die Gemeinde derzeit in engem Kontakt mit der Polizei, die jetzt ihre Sicherheitsmaßnahmen erhöht habe.
Gebete zu Schabbat würden auf Gemeindemitglieder, andere Jüdinnen und Juden sowie Israelis in Dresden beschränkt, heißt es in dem Brief weiter. "Wir brauchen diesen intimen Raum, um einen sicheren Ort zu schaffen", hieß es.
Jüdische Gemeinde in Chemnitz in Sorge wegen Gewalt-Aufrufen
Auch die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Chemnitz, Ruth Röcher, ist in Sorge um Israel und um ihre Gemeinde, vor allem nach den Aufrufen der Hamas, am heutigen Freitag jüdische Einrichtungen anzugreifen. "Ich muss sehen, wie wir hier in Sicherheit leben können," sagte Röcher MDR SACHSEN. Die Synagoge habe sie heute aber nicht geschlossen. Sie steht in engem Kontakt mit der Polizei in Chemnitz. "Schon seit Beginn des Krieges ist die Polizei stärker präsent."
Ich muss sehen, wie wir hier in Sicherheit leben können.
Die Jüdische Gemeinde Chemnitz hat für kommenden Dienstag (17.10.) zu einer weiteren Solidaritätskundgebung für Israel aufgerufen. Auch hier sei die Polizei eingebunden, so Röcher.
Schon am Mittwoch hatte es in Chemnitz eine pro-israelische Kundgebung gegeben, die aber von Gegendemonstranten mit palästinesischen Fahnen gestört wurde. Innenminister Armin Schuster kündigte danach ein hartes Durchgreifen an: "Wir dulden keinen Hamas-Jubel auf unseren Straßen und werden uns dem konsequent entgegenstellen", erklärte der CDU-Politiker. Im Einzelfall könnten Versammlungen auch vorab verboten werden.
Wir dulden keinen Hamas-Jubel auf unseren Straßen und werden uns dem konsequent entgegenstellen.
Innenminister: Zusätzliche Kräfte für kommendes Wochenende
Der Innenminister spricht aktuell von einer hohen abstrakten Gefährdung relevanter Personen und Objekte der jüdischen Gemeinden. "Es liegen Hinweise zu allgemeinen Gewaltaufrufen über soziale Medien vor, die aktuell allerdings keinen konkreten Bezug zu Sachsen aufweisen," erklärte Schuster am Donnerstag. Die Polizei sei aber mit den jüdischen Gemeinden im Gespräch. "Es werden insbesondere für das kommende Wochenende zusätzliche Kräfte vorgehalten, um bestmöglich auf Gefährdungslagen vorbereitet zu sein." Die Polizei in Sachsen hatte bereits nach dem Terrorangriff auf Israel die Schutzmaßnahmen für jüdische Einrichtungen im Freistaat erhöht.
Beratungsstelle: Sicherheitsgefühl von Juden erschüttert
Dass das Sicherheitsgefühl von Juden in Deutschland nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel erschüttert ist, hat die Beratungsstelle bei antisemitischer Gewalt und Diskriminierung (Ofek) festgestellt. Sie berät auch in Sachsen die jüdische Community. "Im Moment leben die Menschen unter akuter Belastung", sagte die Leiterin Marina Chernivsky. Viele Jüdinnen und Juden seien angesichts der schrecklichen Nachrichten aus Israel, angesichts des terroristischen Angriffs der Hamas geschockt, verstört, unsicher. Die Ereignisse riefen auch Traumatisierungen hervor in Verbindung mit der Vergangenheit: "Die Erfahrungen der Verfolgung und anderer Kriege vermengen sich mit diesem Angriff."
Im Moment leben die Menschen unter akuter Belastung.
Verstärkt werde diese Belastung durch antisemitische Vorfälle. Chernivsky sprach von psychischer und verbaler Gewalt oder Hetze im Netz. Auch Fälle körperlicher Gewalt im Rahmen von Demonstrationen seien der Beratungsstelle gemeldet worden. "Hinzu kommt eine antisemitische Grundstimmung auch in der Breite der Gesellschaft."
Die Zahl der Anrufe bei der Hotline der Beratungsstelle hätten sich nach dem Terrorangriff vervielfacht, sagte Ofek-Sprecher Alexander Rasumny MDR SACHSEN. Seien es im gesamten Vorjahr noch 369 gewesen, hätten jetzt innerhalb einer Woche etwa 60 Ratsuchende angerufen. Es seien Menschen, die im Zuge der jüngsten Eskalation antisemitische Vorfälle erlebt hätten, oder Israelis, die in Deutschland leben würden und direkten Bezug zu den Ereignissen in Israel hätten.
Drei jüdische Gemeinden in Sachsen mit 2.300 Mitgliedern
In Sachsen sind im Landesverband die Jüdischen Gemeinden Chemnitz, Dresden und Leipzig organisiert. In Dresden wurde vor wenigen Wochen zudem eine zweite Synagoge eröffnet, sie gehört zur 2021 gegründeten Jüdischen Kultusgemeinde. Die im Juli 2021 nach langer Sanierung wiedereröffnete Synagoge in Görlitz wird als Kulturzentrum genutzt. In der Stadt gibt es bislang keine jüdische Gemeinde, eine neue ist allerdings im Aufbau. Die jüdischen Gemeinden in Sachsen haben nach Angaben des Landesverbandes derzeit rund 2.300 Mitglieder.
MDR (kbe,Studio Chemnitz)/dpa
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten asu der Region Chemnitz | 13. Oktober 2023 | 15:30 Uhr