Präsidentenwahl Erdogan gewinnt Stichwahl um Präsidentenamt in der Türkei

29. Mai 2023, 21:09 Uhr

Aus der Stichwahl um das Präsidentenamt in der Türkei ist Amtsinhaber Erdogan als Sieger hervorgegangen. Dem vorläufigem Ergebnis zufolge erzielte er 52,14 Prozent. Von den Deutsch-Türken erhielt er sogar 67 Prozent. Erdogan steht damit vor einer weiteren fünfjährigen Amtszeit. Sein Herausforderer Kilicdaroglu räumte seine Wahlniederlage bereits ein.

Bei der Stichwahl zum Präsidentenamt in der Türkei hat Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan gewonnnen. Wahlkommissionschef Ahmet Yene erklärte den 69-Jährigen am Sonntagabend zum 13. Präsidenten der Türkei. Demnach erhielt Erdogan nach vorläufigem Ergebnis 52,14 Prozent der Stimmen, sein Herausforderer Kemal Kilicdaroglu 47,86 Prozent. Damit steht er vor einer weiteren fünfjährigen Amtszeit.

Aufruf zu "Einheit und Solidarität"

Nach seinem Sieg rief Erdogan das Land zur Einheit auf. Es sei an der Zeit, die Streitigkeiten des Wahlkampfs zu überwinden und sich "in Einheit und Solidarität um die Träume unserer Nation" zu vereinen, sagte er in einer Ansprache vor dem Präsidentenpalast in Ankara. Noch vor der Auszählung aller Stimmen hatte sich Erdogan zum Sieger erklärt und allen gedankt, die es ihm ermöglicht hätten, die nächsten fünf Jahre zu regieren.

Sein unterlegener Herausforderer Kemal Kilicdaroglu zeigte sich "traurig" über die Folgen von Erdogans Sieg für die Zukunft der Türkei. Er hatte seine Wahlniederlage bereits vor der offiziellen Verkündung indirekt eingeräumt und erklärt, er bedauere "die weit größeren Probleme", die das Land nun erwarteten.

Staats- und Regierungschefs gratulieren Erdogan

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gratulierte Erdogan zur Wiederwahl. "Für die neue Amtsperiode wünsche ich Ihrem Land Frieden, Freiheit und Wohlstand und Ihnen bei Ihrer Amtsführung eine glückliche Hand", schrieb er in einer Mitteilung. Angesichts der besonders engen menschlichen, wirtschaftlichen und politischen Beziehungen komme dem deutsch-türkischen Verhältnis ganz besondere Bedeutung zu. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz gratulierte und betonte, dass man nun die gemeinsamen Themen mit frischem Elan vorantreiben wolle. Deutschland und die Türkei seien enge Partner und Alliierte. Wie am Montag bekannt wurde, hat Scholz Erdogan nach Deutschland eingeladen. Bundesagrarminister Cem Özdemir forderte unterdessen eine Zeitenwende in der deutschen Türkei-Politik. Man habe im Umgang mit Russlands Präsidenten Putin gesehen, wozu es führe, sich eine Situation schönzureden. Es brauche eine ähnliche Veränderung im Umgang mit dem türkischen Ultranationalismus.

Auch andere Staats- und Regierungschefs haben Erdogan gratuliert, unter ihnen US-Präsident Joe Biden, Frankreichs Präsident Emanuel Macron, Russlands Präsident Wladimir Putin und Ungarns Ministerpräsident Victor Orban. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärte, er freue sich auf die weitere Zusammenarbeit. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel betonten, es sei von strategischer Bedeutung, die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei weiter voranzutreiben. Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, plädierte dagegen in den Funke-Medien dafür, den EU-Beitrittsprozess mit der Türkei zu beenden. Eine enge Partnerschaft sei wichtig, eine Vollmitgliedschaft wollten inzwischen aber weder die Türkei noch die EU.

67 Prozent der Stimmen in Deutschland für Erdogan

Insgesamt waren mehr als 64 Millionen Türken aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Die Wahlbeteiligung lag der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge bei rund 85 Prozent und damit etwas niedriger als bei der ersten Runde mit 87 Prozent.

Bei den in Deutschland lebenden 1,5 Millionen wahlberechtigten Türken fiel die Zustimmung für Erdogan deutlich aus. Wie die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, haben 732.000 Wahlberechtigte ihre Stimme abgegeben. Davon hätten mehr als 67 Prozent für den Amtsinhaber gestimmt. Offizielle Zahlen der Wahlbehörde zum Ergebnis der Stichwahl in Deutschland lagen zunächst aber noch nicht vor. In zahlreichen deutschen Städten gingen Anhänger Erdogans am Sonntagabend auf die Straße und feierten den Wahlsieg, darunter in Duisburg, Berlin und Hamburg.

Opposition beklagt Zwischenfälle

Nach Angaben der oppositionellen CHP soll es am Wahltag mehrere Unregelmäßigkeiten und Übergriffe auf Wahlhelfer und -beobachter gegeben haben. Der Chef der türkischen Wahlbehörde sprach hingegen nach der Schließung der Wahllokale von keinen "negativen Entwicklungen" und einer problemlosen Abstimmung.

Internationale Wahlbeobachter attestierten der Wahlbehörde Instransparenz. Den Beobachtermissionen der OSZE und des Europarats zufolge ist die Präsidentschaftswahl zudem mit ungerechtfertigten Vorteilen für den Amtsinhaber Erdogan verlaufen. Die Beobachter teilten mit, die Voreingenommenheit der Medien und Einschränkungen der Meinungsfreiheit hätten zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen geführt. Der Präsident habe von diesen Vorteilen profitiert.

Erdogan seit 2003 an der Spitze der Türkei

Erdogan galt nach letzten Umfragen vor der Stichwahl als Favorit gegen den sozialdemokratischen Oppositionsführer Kilicdaroglu. In der ersten Runde der türkischen Präsidentenwahl vor zwei Wochen hatte er 4,6 Prozentpunkte vor seinem Rivalen gelegen und die absolute Mehrheit mit 49,5 Prozent nur knapp verpasst.

Erdogan lenkt die Geschicke der Türkei bereits seit 20 Jahren, zunächst als Ministerpräsident, später trat er als Präsident für eine Allianz aus Konservativen, Nationalisten und Islamisten an. Kritiker befürchten, dass er mit dem Wahlsieg seinen autoritären Kurs weiter verschärft.

AFP, dpa, Reuters, MDR (ksc/dni)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 28. Mai 2023 | 19:00 Uhr

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