Kongresshalle in Brüssel mit Abgeordneten
Kongresssaal in Brüssel Bildrechte: imago images/Xinhua

Kompromiss in Brüssel EU-Gipfel beschließt Corona-Hilfen und Haushalt

21. Juli 2020, 21:29 Uhr

Nach vier Tagen zäher Verhandlungen hat der EU-Gipfel sich auf einen Finanzrahmen für die nächsten Jahre und einen Corona-Hilfsfonds geeinigt. Insgesamt 1,8 Billionen Euro sollen in Krisenregionen fließen. Davon sind 390 Milliarden Euro Zuschüsse gegen die Pandemiefolgen, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Auch für die ostdeutschen Bundesländer gibt es etwas mehr Geld.

Im Kampf gegen die Corona-Wirtschaftskrise haben sich die EU-Staaten auf das größte Haushalts- und Hilfspaket ihrer Geschichte geeinigt. Der Kompromiss wurde nach mehr als viertägigen Verhandlungen am frühen Dienstagmorgen bei einem Sondergipfel in Brüssel von den 27 Mitgliedsstaaten angenommen, wie Ratschef Charles Michel auf Twitter mitteilte.

Zusammen umfasst das Paket 1,8 Billionen Euro – davon stammen 1.074 Milliarden Euro aus dem nächsten siebenjährigen EU-Haushalt. Weitere 750 Milliarden Euro kommen aus einem extra aufgelegten Konjunktur- und Investitionsprogramm gegen die Folgen der Coronapandemie.

Kompromiss: weniger Direktzahlungen, mehr Kredite

In der Nacht zum Dienstag konnten die zwei großen Streitpunkte gelöst worden: Die sogenannten sparsamen Staaten, darunter Österreich und die Niederlande, akzeptierten, dass gemeinsame Schulden aufgenommen werden und das Geld als Zuschuss an EU-Staaten geht, welches nicht zurückgezahlt werden muss. Im Gegenzug willigten Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien ein, die Summe dieser Zuschüsse aus dem Corona-Hilfsfonds von 500 auf 390 Milliarden Euro zu verringern. Dazu kommen weitere 360 Milliarden Euro als Hilfskredite.

Merkel: Guter Abschluss

"Deal" schrieb Ratspräsident Charles Michel am frühen Dienstagmorgen nach vier Tagen und Nächten harter Verhandlungen auf Twitter. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte: "Wir haben nach sehr langer Sitzung einen guten Abschluss gefunden." EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen lobte, Europa habe immer noch den Mut und die Fantasie, groß zu denken.

Wir sind uns bewusst, dass dies ein historischer Moment in Europa ist.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen

Ost-Beauftragter zufrieden mit EU-Finanzkompromiss

Der Ost-Beauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz, begrüßte den Finanzkompromiss des EU-Gipfels. Der CDU-Politiker sagte MDR AKTUELL, aus ostdeutscher Sicht sei er sehr zufrieden mit den Gipfelergebnissen. Man habe es geschafft, drohende Verluste für Übergangsgebiete wie die neuen Länder drastisch zu begrenzen. Die ostdeutschen Ansprüche blieben auf einem sehr hohen Niveau erhalten.

Auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff lobte, die ostdeutschen Interessen seien bei dem Gipfel-Kompromiss besonders berücksichtigt worden. Die neuen Länder könnten nun länger als bisher vorgesehen mit Sonderförderungen und Sonderkonditionen arbeiten.

Berichte: Sonderzahlung für Ostdeutschland

Kanzlerin Merkel und die anderen 26 Staats- und Regierungschefs hatten seit Freitagmittag in Brüssel über einen Hilfsfonds beraten, der die Folgen der Corona-Pandemie abfedern soll.

Wie die Nachrichtenagentur DPA berichtet, sieht der am Ende vereinbarte Kompromiss auch eine Sonderzahlung von 500 Millionen Euro für Ostdeutschland vor. Nach Angaben der Agentur AFP sprangen für Deutschland insgesamt 1,3 Milliarden Euro zusätzliche Gelder heraus. Dem Abschlussdokument für den nächsten Sieben-Jahres-Finanzrahmen zufolge sind zusätzlich 650 Millionen Euro für ostdeutsche Regionen geplant, um "Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen zu fördern". Weitere 650 Millionen Euro sind für die ländliche Entwicklung vorgesehen.

Kopplung an Rechtsstaatlichkeit offen

Der Streit um die Koppelung von EU-Geldern an die Einhaltung von Grundwerten wurde vertagt. Bundeskanzlerin Merkel reagierte auf die Frage ausweichend, ob künftig EU-Mittel gekürzt werden können, wenn Mitglieder gegen die Rechtsstaatlichkeit verstoßen. Merkel sagte am Dienstagmorgen: "An diesem Rechtsakt muss jetzt weitergearbeitet werden" – eventuell bei einem weiteren EU-Gipfel.

Vor allem osteuropäische Staaten wie Ungarn und Polen, gegen die Verfahren wegen Verletzung der Rechtsstaatlichkeit laufen, sperren sich gegen eine Koppelung. Ungarische Medien feierten die Einigung als Sieg für Ministerpräsident Viktor Orban.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 20. Juli 2020 | 19:00 Uhr

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