Geheime Geschäfte enthüllt Tschechien: Stolpert Regierungschef Babiš über die Pandora-Papers?
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04. Oktober 2021, 20:06 Uhr
Tschechiens Ministerpräsident Andrej Babiš soll anonym - über ein Firmengeflecht - ein Schloss in Frankreich gekauft haben. Im Raum stehen Vorwürfe von Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Kurz vor der Wahl kommen ihm die Enthüllungen in den so genannten Pandora-Papers von rund 600 Journalisten aus der ganzen Welt ungelegen. Doch ob sie Babiš aus dem Sattel heben wird, ist fraglich - denn Tschechiens "Landesvater" hat äußerst treue Anhänger, die seine Skandale einfach ignorieren. Allerdings könnte diese neueste Affäre der Opposition helfen, Unentschlossene und Nicht-Wähler zu gewinnen. MDR-Ostbloggerin Helena Truchlá beantwortet fünf Fragen zur neuesten Causa Babiš.
Wie reagiert Tschechien auf die Vorwürfe gegen Andrej Babiš?
Helena Truchla: Das Thema beherrschte am Sonntagabend die meisten tschechischen Medien - öffentlich-rechtliche und private, auch auf Websites von Zeitungen, die zu Babiš' Treuhandfonds gehören.
Die Nachricht wurde kurz vor Beginn einer großen Fernsehdebatte mit den derzeitigen Spitzenkandidaten der sieben wichtigsten Parteien im Fernsehsender Prima CNN bekannt. Dort wurde das Thema aber nur kurz behandelt.
In den sozialen Medien wird es dagegen breit diskutiert - dabei wird noch einmal deutlich, dass die tschechische Gesellschaft gespalten ist: in Babiš' Anhänger und Befürworter der Opposition.
Welche Babiš-Geschäfte wurden von "Pandora Papers" enthüllt? Der tschechische Ministerpräsident Andrej Babiš (ANO-Partei) hat über seine Offshore-Firmen heimlich Luxusimmobilien an der französischen Riviera gekauft, darunter das luxuriöse Chateau Bigaud. Über Mittelsmänner in Panama tätigte er versteckte Finanztransaktionen in Höhe von 15 Millionen Euro. Dies geht aus den "Pandora Papers" hervor, die am Sonntagabend veröffentlicht wurden. Einige Experten sind der Meinung, dass es sich bei den Geschäften um Geldwäsche handelt. Darüber hinaus hat Babiš in keiner der Vermögenserklärungen, die er nach seinem Eintritt in die Politik jährlich ausfüllen musste, seine Beteiligungen an den Unternehmen angegeben.
Nach Ansicht von Oppositionspolitikern sollte der Ministerpräsident nachweisen, dass er das Geld, das er 2009 für den Kauf einer Immobilie an der Côte d'Azur ausgegeben hat, ordnungsgemäß versteuert hat. Einige von ihnen twitterten heute und verwiesen auf Babiš' Parlamentsrede im Mai 2015, in der der Ministerpräsident sagte, dass er keine Unternehmen im Offshore-Bereich habe.
Justizministerin Marie Benešová (für ANO) erklärte heute dagegen, dass der Fall der Pandora-Papiere ein Versuch sei, die Wahlchancen der ANO-Bewegung zu senken. Das Nationale Zentrum zur Bekämpfung Organisierter Kriminalität gab mittlerweile bekannt, dass es die Informationen prüfen werde.
Hat sich Babiš inzwischen zu den Vorwürfen geäußert?
Ja. "In diesem Fall ist klar, dass ich nichts Illegales oder Falsches getan habe, aber das hindert sie nicht daran, mich erneut zu verleumden und so die tschechischen Parlamentswahlen zu beeinflussen", sagte Babiš, ohne klar zu machen, wen er mit "sie" meint.
"Ich habe keine Geschäfte, ich habe keine Immobilien und das Geld wurde zurückgegeben", fügte Babiš am Montag hinzu. Das Geld, das er vor zwölf Jahren für die Immobilie ausgegeben hat, wurde nach seinen Worten versteuert. Die Art und Weise, wie er vor zwölf Jahren Immobilien in Frankreich kaufte, sei für einen Politiker nicht geeignet, räumte Babiš gegenüber dem gegenüber dem tschechischen Fernsehen ČT ein - damals sei er aber noch nicht in der Politik gewesen, betonte er. "Lasst die Polizei das untersuchen”, sagt Babiš und demonstriert damit die Überzeugung, nichts Illegales getan zu haben.
Babiš war ja bereits wegen der sogenannten Storchennestaffäre unter Druck. Er soll EU-Gelder in Millionenhöhe veruntreut haben. Seiner Beliebtheit hat das keinen Abbruch getan. Bringen ihn die aktuellen Vorwürfe nun in Schwierigkeiten?
Kommentatoren und Politikexperten bezweifeln das. Babiš' Anhänger könnten sich entscheiden, der Geschichte keinen Glauben zu schenken oder die Bedeutung der Informationen zu ignorieren - genauso wie bei allen bisherigen Fällen.
Warum ist Babiš trotz all seiner Affären bei vielen Menschen so beliebt? Haben sich die Tschechen an die Skandale gewöhnt?
Das könnte ein Grund sein. Es ist schwierig, den Überblick über die Skandale zu behalten. Und keine der Anschuldigungen hat dazu geführt, dass ihm eine Gefängnisstrafe oder wenigstens Unannehmlichkeiten unmittelbar drohten - die Fälle sind äußerst komplex und die Ermittlungen schwierig.
Außerdem ist Babiš der Agenda-Setter in der tschechischen Politik. Er bestimmt die "wichtigen" Themen, wie zum Beispiel die Migration. Er punktet auch durch seine Sozialmaßnahmen: Er erhöhte die Renten, führte eine 75-prozentige Ermäßigung auf Fahrkarten für öffentliche Verkehrsmittel ein und senkte einige Steuern. Auch wenn er das Land dafür in einem noch nie dagewesenen Ausmaß verschuldete, kommt das bei seiner Wählerschaft, z.B. älteren Menschen, gut an.
Ist zu erwarten, dass die Enthüllungen so kurz vor der Parlamentswahl Einfluss auf das Wahlergebnis haben werden?
Das ist schwer zu beurteilen, aber keineswegs sicher - aus den bereits genannten Gründen. Es könnte allerdings den Oppositionsparteien helfen, unentschlossene Wähler zu mobilisieren oder diejenigen, die gar nicht wählen gehen wollten. Außerdem könnte es Babiš nun schwer fallen, die Medien kurz vor dem Wahltag mit seinem selbst gewählten Thema zu dominieren, was er sonst erfolgreich tut.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Aktuell | 04. Oktober 2021 | 19:30 Uhr