Umweltschutz Alternativer Nobelpreis für Russlands Umweltschutz-Pionier Sliwjak

01. Dezember 2021, 15:43 Uhr

Der Gründer von Russlands ältester Umweltschutzorganisation "Ecodefense" wird mit dem Alternativen Nobelpreis geehrt. Der Kreml betrachtet Wladimir Sliwjaks Organisation als Feind. Dabei kritisiert sie auch ausländische Staatsmächte, die Bundesregierung wegen ihres Umgangs mit Atommüll etwa.

Fotomontage Mann vor Fahne
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Umweltschutz hochpolitisch

Umweltschutz ist in Russland ein hochpolitisches Thema. Nicht weil man damit etwa im Wahlkampf Erfolge feiern oder die Aufmerksamkeit der Presse auf sich ziehen könnte, sondern weil Umweltschutzaktivisten von der Staatsmacht schnell zu Staatsfeinden oder Extremisten erklärt werden. Da reicht es beispielsweise, sich für nachhaltige Entwicklung und gegen staatlich unterstütze fossile Energieprojekte einzusetzen. Wladimir Sliwjak ist ein solcher Umweltaktivst.

Heute nimmt Sliwjak den Alternativen Nobelpreis der schwedischen Right Livelihood Stiftung in Empfang. Damit tritt Sliwjak auch in die Fußstapfen von Greta Thunberg, einem Weltstar der Umweltbewegung. Thunberg hatte die Auszeichnung 2019 erhalten. Sliwjak kann nicht auf eine Gratulation aus dem Kreml, Jubel in der russischen Presse oder auf breite Zustimmung in der Bevölkerung hoffen.

Aktivist seit der Perestroika

Der 48-jährige Russe ist Mitgründer der wohl ältesten russischen Umweltbewegung Ecodefense. Sein Name ist allerdings vor allem in Aktivisten-Kreisen und unter politisch interessierten Russen ein Begriff. Sliwjaks Engagement begann 1989 noch während Gorbatschows Perestroika. Damals setzten sich seine Mitstreiter und er gegen die Abholzung von Wäldern in Kaliningrad und für den Erhalt der Dünen an der Kurischen Nehrung ein. Das Netzwerk der Aktivisten wuchs beständig und eröffnete Büros in Moskau und anderen russischen Städten, machte sich erfolgreich stark für die Schließung eines Atomkraftwerks in Lettland, das baugleich mit dem Reaktor von Tschernobyl gewesen ist. Später kam Kritik an der Ausweitung der Kohleförderung in Russland hinzu.

Luftaufnahme der bewaldeten Küste der Ostsee
Endlose Sandstrände, dichte Wälder. So schön kann Russland sein, hier im Gebiet Kaliningrad an der Ostsee. Bildrechte: imago images/Westend61

Stigmatisierung als "Ausländischer Agent"

Vor allem in den vergangenen Jahren wurde Ecodenfense zusehends von der Staatsmacht bedrängt. Nachdem sich die Aktivisten gegen ein neues Atomkraftwerk im Gebiet Kaliningrad an der Ostsee eingesetzt hatten, wurde der Verein vom Justizministerium offiziell als "ausländischer Agent" registriert. Aus Sicht russischer Behörden reicht für diesen Status bereits eine Überweisung oder einer Spende aus dem Ausland aus, egal wie hoch sie ist. Weil sich die Organisation weigerte, eigene Publikationen mit dem nun pflichtmäßigen Zusatz "ausländischer Agent" zu markieren, verhängte die Staatsanwaltschaft mehrere Geldstrafen und drohte der Mitbegründerin und Co-Vorsitzenden von Ecodefense, Alexandra Koroljowa, mit strafrechtlicher Verfolgung. Koroljowa floh nach Deutschland und bekam 2019 Asyl.

Gleichwohl hat dieser Druck nicht dazu geführt, dass Ecodefence um Sliwjak seine Tätigkeit eingestellt hat. Unter Umweltaktivisten gilt der Kaliningrader als kompromisslos und beharrlich. "Wladimir ist bereit, sich Themen anzunehmen, die nicht per se im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Wenn er glaubt, dass etwas wichtig ist, dann hält ihn nichts auf", sagt etwa Wladimir Tschurpow von Greenpeace Russland.

Stopp von Atomtransporten aus Deutschland

Ein Beispiel ist etwa Sliwjaks Engagement gegen den Transport von angereichertem Uran aus Deutschland nach Russland. Während in Russland nur einige Dutzend Menschen dagegen demonstrierten, erwirkte der Druck der Aktivisten, dass der deutsche Konzern Urenco seine Lieferungen zumindest gestoppt hat. Jüngst bestätigte die Bundespolizei, dass es sich bei den Transporten um Atommüll gehandelt habe und nicht um nukleare Wertstoffe, wie von Urenco behauptet. "Wir wurden anscheinend jahrelang belogen – von Urenco und von der Bundesregierung. Doch nun bestätigt sich, was wir seit 2006 immer wieder gesagt haben: Das deutsche Uran aus Gronau ist Atommüll und wird nur nach Russland gebracht, um die teure Atommüll-Entsorgung in Deutschland zu vermeiden", kritisierte Sliwjak.

Atomanlage im russischen Majak
Kernbrennstoff wird in der russischen Atomaufbereitungsanlage "Mayak" in Spezialcontainer verladen. 1957 ereignete sich hier im Ural ein schwerer Unfall, der weite Landstriche bis heute radioaktiv verunreinigte. Bildrechte: imago/ITAR-TASS

Kampf gegen die Kohle

In seiner Heimat ist Sliwjak vor allem im Kampf gegen den Kohleabbau aktiv. Dabei geht es den Aktivisten nicht nur um die Schäden an der Umwelt. In einem Bericht dokumentierte Ecodefense im vergangenen Jahr erstmals, wie sehr sich die Kohleförderung auf die Gesundheit der Menschen in Russlands wichtigster Kohleregion Kuzbass auswirkt. Dort sterben laut russischem Statistikamt fast doppelt so viele Menschen an Lungenkrankheiten wie im Landesdurchschnitt. Mehrfach hatten lokale Polizeibehörden Proteste und von Ecodefense organisierte Presse-Reisen aufgelöst und Aktivisten, darunter auch Slijwak selbst, festgenommen.

Erst vor wenigen Tagen sind bei einer Explosion in einer Kohlengrube im Kuzbass mehr als 50 Bergmänner gestorben, weil die Betreiber des Bergwerks wichtige Sicherheitsvorkehrungen ignoriert hatten. Weil die Region einer der wichtigen Kohlelieferanten auch für Deutschland ist, hatte Ecodenefense mehrfach die Bundesregierung aufgefordert, den Kohleimport aus Russland zu stoppen.

Porträts der Unfallopfer vom 25. November im Eingangsbüro des Kohlebergwerks Listwjaschnaja in Leninsk-Kusnezki.
Gedenken an die Kumpel, die beim Grubenunglück im Kuzbass Ende November starben. Bildrechte: imago images/ITAR-TASS

Umweltschutz als Menschrecht

"Wir verstehen uns bei Ecodefense nicht nur als Umweltschützer, sondern als Menschenrechtsorganisation und setzen uns für die Rechte der Russen ein", sagte Sliwjak in einem Interview Anfang September zum russischsprachigen Portal Sever Realii. Die russische Staatsmacht betrachte die Zivilgesellschaft jedoch als ihren Feind und sei auf ihre Vernichtung aus, so Sliwjak.

Der politische Druck dürfte neben dem Umweltaspekt auch eine Rolle bei Sliwjaks Nominierung für den alternativen Nobelpreis gespielt haben. Sliwjaks Erfolge hätten bewiesen, heißt es auf der Webseite der Right Livelihood Stiftung, dass "selbst im autoritären Russland zivilgesellschaftliche Initiativen staatlich unterstützen Projekten etwas entgegensetzen können".


Quelle: MDR, Osteuroparedaktion

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Dieses Thema im Programm: MDR Aktuell Fernsehen | 30. Juli 2021 | 17:45 Uhr

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