Der Fall Nawalny Russisches Geld trotz Sanktionen in Europa
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03. März 2021, 16:14 Uhr
Mit neuen Sanktionen will Brüssel den Kreml im Fall Nawalny weiter unter Druck setzen. Doch für die Moskauer Elite waren schon die bisherigen Sanktionen kein all zu großes Hindernis, ihr Geld in Europa anzulegen. Gerade Deutschland macht es ihnen besonders leicht.
Noch sind die Sanktionen der EU in der Causa Nawalny nicht offiziell beschlossen. Doch in der russischen Opposition, insbesondere im Lager des inhaftierten Oppositionspolitikers Alexej Nawalny dürfte sich bereits erste Enttäuschung breit machen. Bislang stehen nach übereinstimmenden Agenturberichten wohl vier Namen auf der EU-Liste, die bald mit Kontosperren und Einreiseverboten rechnen können. Dazu zählen aller Voraussicht nach der Generalstaatsanwalt Igor Krasnow, der Chef der Strafvollzugsbehörde Alexander Kalaschnikow, der Leiter des Ermittlungskomitees Alexander Bastrykin und Befehlshaber der Nationalgarde Wiktor Zolotov.
Schon früher gab es Sanktionen
Sollte es dabei bleiben, erinnern die neuen Strafmaßnahmen an frühere Sanktionsrunden Europas im vergangenen Jahr. Erst im Herbst hatte Brüssel nach Nawalnys Vergiftung Sanktionen unter anderem gegen den Leiter des Inlandsgeheimdienstes FSB und den einflussreichen Vize-Chef von Putins Präsidialverwaltung beschlossen.
Doch auch wenn die Sanktionen durchaus wichtige Personen in Putins Machtzirkel treffen, besonders schmerzhaft dürften die Strafen nicht ausfallen. Dass die genannten Personen tatsächlich in direktem Besitz von Konten, Immobilien oder Unternehmensbeteiligungen in der EU sind, gilt auch unter Experten in Russland als unwahrscheinlich. Bereits 2013 hatte Wladimir Putin ein Gesetz verabschiedet, dass es hohen Staatsdienern und Chefs von staatlichen Konzernen verbietet, über ausländische Konten, Wertpapiere oder Immobilien zu verfügen.
Nawalnys Anhänger fordern Sanktionen gegen Oligarchen
Nicht zuletzt deswegen hatten Nawalnys Anhänger noch im Januar eine Liste mit insgesamt 35 Namen veröffentlicht und nach Washington und Brüssel geschickt. Während die EU nun vor allem Staatsdiener ins Visier nimmt, waren auf der Liste auch Namen von einflussreichen Oligarchen wie Roman Abramowitsch und Alischer Usmanow zu finden, ebenso wie TV-Moderator und prominenter Propagandist Wladimir Solowjow oder Denis Bortnikow, Sohn des FSB-Chefs, dem die Oppositionellen vorwerfen, eine Art Strohmann für illegale Besitztümer im Ausland zu sein.
"Wir versuchen klarzumachen, dass die EU sich selber angreifbar und verwundbar gemacht hat, weil Europa nicht genug gegen korrupte Geldströme und Geldwäsche aus Russland unternommen hat", sagt etwa Wladimir Aschurkow. Der 49-Jährige lebt seit Jahren im Londoner Exil und arbeitet als Geschäftsführer der Nawalny FBK-Stiftung. Dies wiederum habe den Kreml zu einer immer aggressiveren Politik zu Hause und international ermutigt. "Hätte Deutschland früher eine prinzipiellere Haltung eingenommen, hätte es womöglich die Krim-Annexion oder den Abschuss der MH-17 Boeing in der Ostukraine nie gegeben", kritisiert der FBK-Geschäftsführer. Sanktionen dürfen, so der Russe, nicht nur auf Staatsdiener zielen, sondern auch auf den Teil der wirtschaftlichen Elite, der über umfangreichen privaten Besitz im Westen verfügt und gleichzeitig das Regime zu Hause unterstützt.
Gelder aus nebulösen Quellen
Dass die russische Elite nach wie vor ihr Eigentum gerne in Europa parkt, zeigte etwa vor kurzem die Recherche eines internationalen Teams von Investigativ-Journalisten in luxemburgischen Unternehmensregistern. Die französische Zeitung Le Monde bekam Zugang zu Millionen Einträgen des Registers. Journalisten des russischen Portals "Waschnye Istorii" haben in dem Register vielfache Belege für Geldströme aus Russland gefunden. Eines der deutlichsten Beispiele ist der 33-jährige Sergej Toni, dessen Vater als Vizechef zum Top-Management der staatlichen Eisenbahngesellschaft RZD gehört. Insgesamt steuert Toni Junior über Firmen in Luxemburg ein Immobilienimperium im Wert von etwa 50 Millionen Euro. Woher die Mittel für diese Art von Luxus stammen, bleibt unklar.
Problemfall Deutschland
Für Experten in Russland sind solche Skandale nicht all zu verwunderlich. Die bisherigen EU-Sanktionen hätten den betroffenen Vertretern von Putins Elite kaum weh getan, meint etwa Ilja Schumanow, Direktor der NGO Transparency International in Russland. "Oligarchen wie Arkadi Rotenberg nutzen ein Gestrüpp aus Unternehmen, dessen einziger Sinn es ist, den eigentlichen Eigentümer zu verschleiern", sagt Schumanow. Direktoren oder nominelle Eigner dieser Firmen könnten etwa private Vertraute sein, die auf dem Papier keine Verbindung zum eigentlichen Investor aufweisen. Ob dieser dabei auf der Sanktionsliste steht, spielt keine Rolle.
Aus Schumanows Sicht ist Deutschland ein Problemfall. Das Immobilienregister sei intransparent, zudem seien Investitionen nach Deutschland aus Steueroasen weiterhin möglich. "Deutschland befindet sich zudem in so etwas wie einer Blase aus kleineren Staaten, die es mit dem Kampf gegen Geldwäsche nicht so genau nehmen", kritisiert der Experte. Zwergstaaten wie Luxemburg, Lichtenstein und Monaco seien gute Orte, um einen formalen Eigentümer von Besitz in anderen Staaten zu registrieren und juristische Strukturen aufzubauen, die die wahren Hintermänner verschleiern.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 22. Februar 2021 | 12:00 Uhr