Kroatien Kroatien: Sorge vor der Euro-Einführung

15. Mai 2023, 11:51 Uhr

Kroatien-Touristen werden sich einerseits freuen: Lästiges hin- und herrechnen fällt ab dem 1. Januar weg. Andererseits müssen Urlauber mit steigenden Preisen rechnen. Schuld daran hat jedoch nicht die neue Währung.

Petra Kliba
Petra Kliba ist leidenschaftliche Seglerin - und Europäerin. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Petra Kliba ist die in ihrer Heimat Kroatien so etwas wie eine Legende: Sie ist die jüngste Kroatin, die bei einer Regatta die Welt umsegelte. Das war 1996, heute bringt die 46-Jährige vor allem Touristen das Segeln bei. Und Gesprächsthema auf ihrem Boot ist immer wieder auch die Euroeinführung, die am 1. Januar 2023 kommt. Auf der einen Seite lebt das Land von Touristen aus dem EU-Ausland, die mit Euro zahlen. Auf der anderen Seite jedoch fürchtet Kliba, dass durch die Umstellung auf die europäische Gemeinschaftswährung die Lebenshaltungskosten stark steigen könnten. "Wahrscheinlich wird auch wieder alles nochmal teurer, nach dem ersten Januar. Das ist leider so." Sie selber gehe wie viele ihrer Freunde schon gar nicht mehr in Restaurants, die Preise in den Touristenhotspots seien für die Kroaten schlicht zu hoch.

Klibas persönliche Befürchtungen spiegeln sich auch in offiziellen Umfragen wie der der Agentur für Marktforschung "Improve" wider: Mitte des Jahres 2022 unterstützen nur 42 Prozent der Kroaten die Euroeinführung. 41 Prozent sind gar gegen die neue Währung. 17 Prozent unentschieden. Das größte Risiko mit dem 75 Prozent der Bürger rechnen, ist das Aufrunden der Preise und zusätzliche Preiserhöhung. Viele Menschen machen sich Sorgen, ob sich ihr Lebensstandard verschlechtert.

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Doppelte Preisangabe

Inwieweit Dienstleister, Hoteliers und Gastronomen die Währungsreform nutzen, um ihre Preise noch weiter nach oben anzupassen, bleibt abzuwarten. Urlauber sollten sich jedoch auf steigende Preise einstellen. Daran Schuld sei jedoch in erster Linie nicht die Euro-Einführung, sondern vor allem die hohe Inflation, heißt es unter anderem von Vertretern der kroatischen Zentralbank. Die Inflationsrate sei wie in den anderen EU-Ländern hauptsächlich auf steigende Kraftstoff- und Lebensmittelpreise zurückzuführen.

Im gesamten Jahr 2023 müssen alle Preise sowohl in der alten Währung in Kuna und als auch der neuen in Euro angegeben werden. Verbraucherschützer erhoffen sich so, dass Wucher verhindert wird. Wer die Euro-Einführung zu unberechtigten Preiserhöhungen nutzt, kommt auf eine sogenannte "Schwarze Liste", die öffentlich zugänglich sein wird.

Offizieller Kurs: Ein Euro wird für 7,5345 Kuna getauscht. Ab dem 1. Januar 2023 sind für zwei Wochen sowohl Kuna als auch Euro als Zahlungsmittel zugelassen. Danach wird lediglich noch der Euro als Zahlungsmittel anerkannt sein. Kuna-Banknoten werden durch die kroatische Nationalbank auf unbestimmte Zeit in Euro umgetauscht, Münzen können bis zu drei Jahren nach Euro-Einführung umgetauscht werden.

Offene Grenzen: Kroatien wird Schengenmitglied

Bislang stehen Touristen auf dem Weg nach Kroatien oft stundenlang im Stau. Auch das wird sich ab dem 1. Januar zumindest auf dem See- und Landweg ändern: Ab Neujahr tritt das Adria-Land dem Schengenraum ohne Grenzkontrollen bei. An den Flughäfen soll es am 26. März 2023 so weit sein. Für Touristen dürfte die Reise in das Adria-Land damit deutlich einfacher werden.

Ministerpräsident Andrej Plenkovic befand, vom Wegfall der Grenzkontrollen würden sowohl die Bürger als auch die Wirtschaft Kroatiens profitieren. Ihm zufolge kommen 80 Prozent der Waren und 75 Prozent der ausländischen Besucher aus Schengen-Ländern nach Kroatien.

Kritik von Menschenrechtlern

Mehrere Menschenrechtsorganisationen sehen die Entscheidung wiederum kritisch: Amnesty International, Human Rights Watch und sechs weitere Organisationen verwiesen in einer gemeinsamen Mitteilung darauf, dass Kroatien regelmäßig vorgeworfen werde, Flüchtlinge an seinen Außengrenzen gewalttätig zurückzuweisen.

Was ist der Schengenraum? Dem visumsfreien Schengen-Raum gehören ab Januar 27 europäische Länder an. Darunter sind 23 EU-Länder und vier Partnerstaaten: die Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein. An den Binnengrenzen zwischen diesen Staaten gibt es in der Regel keine stationären Grenzkontrollen. Es ist damit der weltweit größte Raum der Reisefreiheit. Neue Mitglieder können nur einstimmig aufgenommen werden. Rumänien und Bulgarien warten seit 2011 auf den Beschluss.

EU-Begeisterung hält sich in Grenzen

2023 blicken die Kroaten auf zehn Jahre EU-Mitgliedschaft zurück. Innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten ist das Land nicht unumstritten. Mehrfach wurden bereits geringe Reformfortschritte angemahnt. Außerdem überschreitet das Land seit Jahren das von der EU vorgegebene Ziel eines Haushaltsdefizits von maximal drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Zudem würde zu wenig getan, um die Staatsfinanzen zu sanieren, das Rechtssystem zu verbessern und eine wirksame Haushaltskontrolle einzuführen.

Die Seglerin Petra Kliba beschreibt sich selber als proeuropäisch und ist der Meinung, dass die Mitgliedschaft Kroatiens in der EU das Beste ist, was Kroatien passieren konnte. Doch nicht alle Kroaten sind so pro-europäisch eingestellt: Die Zustimmung für die EU in dem Land selbst bewegt sich laut Eurobarometer eher auf niedrigem Niveau: 70 Prozent der 2022 befragten Kroaten fühlen sich als Bürger der EU. Das Land liegt damit im hinteren Drittel. Zum Vergleich: Der EU-Durchschnitt liegt bei 74 Prozent, in Deutschland geben 84 Prozent an, sich als EU-Bürger zu fühlen.

(dpa,afp,adg)

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 08. Dezember 2022 | 10:00 Uhr

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