Eisenbahn Tschechien: Mit der Bahn in einer Stunde von Dresden nach Prag
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17. Dezember 2019, 17:26 Uhr
Ein 26 Kilometer langer Tunnel unter dem Erzgebirge soll die Fahrzeit zwischen Dresden und Prag künftig auf eine Stunde verkürzen. Derzeit braucht man dafür mehr als doppelt so lang. Die Neubaustrecke wird Teil eines gesamttschechischen Hochgeschwindigkeitsnetzes, das ab 2025 entstehen soll. Am Montag unterzeichneten Vertreter Tschechiens und Deutschlands in Dresden eine Erklärung. Für Deutschland etwas bitter – die Tschechen wollen das französische TGV-System, nicht das deutsche ICE-System.
Für die schnelle Überquerung des Erzgebirges ist der Tunnel unumgänglich. Er soll 26 Kilometer lang sein und wäre damit der längste Zugtunnel in Deutschland. Personenzüge sollen darin mit 200 kmh verkehren. Die Fahrzeit zwischen Dresden und Prag soll künftig dann nur noch eine Stunde betragen. Dazwischen sollen auch Güterzüge den Tunnel befahren, mit maximal 120 kmh. Dadurch erhofft man sich, einen Teil des Lkw-Verkehrs auf die Schiene verlegen zu können. Bislang scheiterte es daran, dass die derzeitige Hauptstrecke Dresden-Prag entlang der Elbe überlastet ist. Spediteure weichen daher oft auf Lkw aus, die die Waren schneller und zuverlässiger ans Ziel bringen.
Am 2. März 2020 unterzeichneten nun Vertreter Tschechiens und Deutschlands dazu in Dresden eine gemeinsame Erklärung. Derzeit werden verschiedene Streckenführungen für das Projekt begutachtet. Experten gehen davon aus, dass die Strecke frühestens Ende der 2030er-Jahre fertiggestellt werden könnte. "Europa wächst zusammen", betonte der für Infrastruktur zuständige Deutsche-Bahn-Vorstand Ronald Pofalla in seinem Statement. Mit dem Projekt werde ein weiteres Zeichen für die Stärkung der Schiene gesetzt. "Die Bahnen beider Länder und der Freistaat Sachsen haben ein ambitioniertes Projekt auf den Weg gebracht."
Mit 300 kmh nach Prag
Kurz vor Ústí nad Labem, wo ein neuer Hauptbahnhof entstehen wird, sollen die Hochgeschwindigkeitszüge den Tunnel wieder verlassen und die Strecke bis Litoměříce mit 250 kmh befahren. Auf dem anschließenden Abschnitt Litoměříce - Prag sollen sogar 300 kmh möglich sein, da das Gelände dort flacher ist und die Güterzüge ab Litoměříce auf andere Strecken umgeleitet werden.
Der Neubauabschnitt Dresden-Prag wird Teil eines gesamttschechischen Hochgeschwindigkeitsnetzes. Es wird die drei größten Städte des Landes Prag, Brünn und Ostrava verbinden. Über Dresden, München und Wien bekommt es außerdem Anschluss an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz. Nach der Fertigstellung wird die schnellste Bahnverbindung von Berlin nach Wien nicht mehr über München, sondern über Prag führen.
Milliardenschweres Bauvorhaben
Bis Ende des Jahres sollen die Machbarkeitsstudien für alle Abschnitte fertig sein. Allein für die Bahnstrecke von Prag bis zur deutschen Grenze (im Tunnel) rechnet die Tschechische Eisenbahnverkehrswegeverwaltung mit Baukosten von umgerechnet 5,4 Milliarden Euro. In diesem Betrag ist aber ein Hochgeschwindigkeitsabzweig zur nordböhmischen Stadt Most enthalten.
Hochgeschwindigkeitsnetz nach französischem Vorbild
Für Deutschland hält das Projekt freilich einen Wehrmutstropfen bereit: die Tschechen wollen das französische TGV-System übernehmen, nicht das deutsche ICE-System. Dazu wurde bereits im April 2019 ein Vertrag mit den französischen Bahnen SNCF abgeschlossen. Die Experten aus Frankreich sollen zunächst bei der Planung des Netzes und der einzelnen Strecken helfen. Fremdes Knowhow zu übernehmen sei einfach billiger und schneller, als ein einen eigenen Standard von der Pieke auf zu entwickeln, teilte die tschechische Verwaltung der Eisenbahn-Verkehrswege mit. Ihr Chef, Jiří Svoboda, verwies auf die langen Erfahrungen der Franzosen, die bereits seit 1981 Hochgeschwindigkeitszüge betreiben. Niemand sei da so weit wie Frankreich, sagte Svoboda der Tageszeitung "Lidové noviny". Ähnlich wie in Frankreich wolle man zudem beim Bau der Hochgeschwindigkeitsstrecken mit möglichst wenig Brücken und Tunneln auskommen.
Momentan nur Pendolino- und Railjet-Züge
Momentan gibt es in Tschechien nur eine Art "ICE light" – zwischen Prag und Brünn verkehren sieben Triebwagengarnituren der italienischen Marke Pendolino. Mit Neigetechnik ausgestattet, können sie theoretisch eine Höchstgeschwindigkeit von 230 kmh erreichen. Da sie aber auf "normalen" Gleisen fahren, ist die Geschwindigkeit in der Praxis auf 160 kmh begrenzt. Außerdem verkehren zwischen Prag und Wien lokbespannte Railjet-Züge mit ähnlichen Parametern.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL Radio | 02. März 2020 | 13:30 Uhr