25 Jahre Auflösung der Tschechslowakei: Wie sich die Brüdervölker heute sehen
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08. Januar 2018, 14:11 Uhr
Am 1. Januar 1993 löste sich die Tschechoslowakei offiziell auf. Doch bis heute sind sich die einstigen Brudervölker immer noch sehr nahe, hat unsere Ostbloggerin in Prag beobachtet.
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Am 17. Juli 2017 wurde in der Slowakei wieder gefeiert. Die slowakischen Stadt Partizánske lud zum Stadtfest samt Blaskapelle und großem Feuer ein. Das sogenannte "Bergfeuer der Souveränität" ist eine Tradition, die in Partizánske und anderen Städten an den Jahrestag der slowakischen Souveränitätserklärung von 1992 erinnert. Auch damals wurde mit vielen Bergfeuern gefeiert. Das größte brannte in der angeblichen geografischen Mitte Europas - im Dorf Kremnické Bane.
Zur Geschichte
Der 17. Juli 1992 ist ein Gedenktag im slowakischen Kalender, weil er für die weitere Entwicklung des Staates prägend war. Nach der Abstimmung des slowakischen Parlaments über die Souveränitätserklärung war nämlich klar, dass die Tschechoslowakei keine Zukunft mehr hat. Kurz danach trat der damalige tschechoslowakische Präsident Vaclav Havel zurück. "Ich kann nicht die Verantwortung für eine Entwicklung tragen, auf die ich keinen Einfluss mehr habe", sagte er damals.
Als Nationalfeiertag gilt jedoch der 1. September, an dem die slowakische Verfassung im Parlament verabschiedet wurde. In den darauffolgenden Monaten verhandelten dann die Regierungschefs beider Staaten, Vaclav Klaus für Tschechien und Vladimir Mečiar für die Slowakei, die Trennung der beiden Staaten. Seit dem 1. Januar 1993 existieren zwei unabhängige Staaten, die Tschechische Republik und die Slowakische Republik.
Beste Beziehungen bis heute
Heute haben beide Staaten eine enge Beziehung. Wenn in Tschechien nach Wahlen eine neue Regierung ernannt ist, reist der Premierminister prinzipiell zu seinem ersten Staatsbesuch in die Slowakei. Auch die ersten "außenpolitischen Schritte" des slowakischen Regierungschefs führen immer zuerst nach Prag. Das gleiche gilt auch für Präsidenten der beiden Länder.
Ähnliche Sprache
Für mich persönlich ist die Slowakei kein Ausland. Ich fühle mich in der Slowakei wie zu Hause. Ich verstehe jeden slowakischen Witz, kann selbstverständlich die slowakische Zeitungen lesen. Mit den Leuten unterhalte ich mich auf Tschechisch, was die Slowaken ohne Probleme verstehen, so ähnlich sind unsere Sprachen. Trotzdem versuchen die Slowaken, die in Tschechien arbeiten, auch Tschechisch zu sprechen.
So moderiert zum Beispiel der slowakische Moderator Maroš Kramár im tschechischen Fernsehen auf Tschechisch. Hingegen reden tschechische Moderatoren, die einen Job in der Slowakei übernehmen, ausschließlich Tschechisch. Das kann daran liegen, dass in der Slowakei auch die heutige junge Generation Tschechisch versteht, während sich tschechische Jugendliche bei manchen Wörtern erkundigen müssen, was deren Bedeutung ist.
Tschechisch-slowakischer Alltag
Oft gibt es witzige Kleinigkeiten, die uns unterscheiden. Eine tschechische Bloggerin, die mit einem Slowaken liiert ist, beschreibt ihre Beziehung humorvoll als große Herausforderung. So bedeutet "Pivnice" auf Tschechisch Kneipe, auf Slowakisch aber Keller. Wenn ihr Freund also zu ihr sagt "wir gehen in die Pivnice", hat sie schon mal angefangen sich zu schminken - in der Hoffnung, dass sie jetzt in eine Kneipe gehen. Dabei wollte er nur mal kurz in den Keller.
Die Slowaken gelten heute nicht mehr als ärmere Geschwister der Tschechen, die Löhne in der Slowakei steigen. Der Durchschnittslohn im ersten Quartall 2017 betrug in der Slowakei 900 Euro, in Tschechien 1.040 Euro. Der Unterschied ist nicht so groß, dass es für Slowaken lohnend erscheint, in Tschechien zu arbeiten. Da aber die Arbeitslosenquote in der Slowakei bei 8,7 Prozent liegt und in Tschechien nur bei 3,5 Prozent - und damit am niedrigsten in der Europäischen Union - ergibt es für viele Slowaken Sinn, einen Job in Tschechien zu suchen.
Karriere in Tschechien
Man könnte ironisch sagen, dass Tschechien für viele Slowaken das Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist. Aus der Slowakei stammt zum Beispiel die Bürgermeisterin von Prag, Adriana Krnáčová, die erst seit 2014 die tschechische Staatsangehörigkeit besitzt. Auch der nächste tschechische Regierungschef wird höchstwahrscheinlich ein gebürtiger Slowake sein, der Multimillionär Andrej Babiš. Daher stellt sich die Frage: Hat sich die Tschechoslowakei wirklich aufgelöst?
Über dieses Thema berichtete MDR AKTUELL auch im Fernsehen: MDR | 23.06.2017 | 17:45 Uhr