Ein Mann trägt eine getrocknete Eiche.
Getrocknete junge Eichen oder Äste davon heißen "Badnjak" und sind unverzichtbarer Bestandteil des serbisch-orthodoxen Weihnachtsfestes. Bildrechte: IMAGO / Xinhua

Serbien am 7. Januar Orthodoxe Weihnachten: Heiligabend wird in die Luft geschossen

06. Januar 2021, 10:45 Uhr

Der orthodoxe Glaube kennt weder Weihnachtsmann noch Weihnachtsbaum oder Weihnachtsgeschenke, doch die Serben verzichten darauf nicht – das alles gibt es zu Silvester. Traditionelle Weihnachten folgen dann am 7. Januar.

Fotomontage Mann vor Fahne
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Weihnachtsmann, Weihnachtslieder, Geschenke unter dem Weihnachtsbaum - das kannten wir alles im sozialistischen Jugoslawien. Und wie alle Kinder freuten wir uns auf die festliche Stimmung. Was wir - oder was ich zumindest damals nicht wusste - ist, dass das alles irgendetwas mit Jesus zu tun hatte. Denn die schönen weihnachtlichen Bräuche des Westens wurden einfach auf Silvester verlegt. Man feierte im Sozialismus nicht die Geburt Christi, sondern das neue Jahr. So wie in Russland nach der Oktoberrevolution.

Geschenke unter der Neujahrstanne und vom rot-weißen Weihnachtsmann

Weihnachtsbeleuchtung in Belgrad, Serbien.
Coca-Cola - in der Kindheit unseres Ostbloggers Andrej schon ein Begriff und heute Teil der Weihnachtsbeleuchtung in Belgrad Bildrechte: MDR/Andrej Ivanji

Die Geschenke wurden am 31. Dezember unter den geschmückten Weihnachtsbaum, der "Neujahrstanne" hieß, gelegt und ich wartete fieberhaft darauf, sie am Morgen des 1. Januar auszupacken. Im Theater, wo meine Eltern arbeiteten, verteilte der Weihnachtsmann mit dem rot-weißen Gewand, dem weißen Rauschebart und den grauen Haaren persönlich Geschenke an Kinder – nur hieß er eben "Deda Mraz", im russischen "Дед Мороз", auf Deutsch "Väterchen Frost". Ich erinnere mich auch, dass dieser rot-weiße Weihnachtsmann nach dem Vorbild von Santa Claus aus der Coca-Cola-Werbung mit Geschenken in meinen Kindergarten in Belgrad kam. Auch wenn ich nichts über Weihnachtsbräuche wusste, Coca-Cola kannte ich schon.

Zwischen Ost und West

Weihnachtsbeleuchtung in Belgrad, Serbien.
Die Serben lassen sich festliche Weihnachtsbeleuchtung wie hier im Zentrum von Belgrad nicht entgehen. Bildrechte: MDR/Andrej Ivanji

Das sozialistische Jugoslawien, Titos Jugoslawien, schwebte als blockfreies Land bis zu seinem Zerfall 1991 zwischen Ost und West. Man genoss eine soziale Sicherheit wie im Osten und hatte Bewegungsfreiheit wie im Westen. So hielt man es auch mit westlichen Weihnachtssymbolen. Die demokratischen Freiheiten im Land ließen zu wünschen übrig, aber über die offenen Grenzen schlich sich die "westliche Dekadenz" unter die Weihnachtsbäume, mochten sie auch "Neujahrstanne" heißen.

Der Weihnachtsmann verteilt Geschenke am Silvestertag, daran hat sich bis heute in Serbien nichts geändert. Auch wenn es jetzt Religionsunterricht in den Schulen gibt, die serbische orthodoxe Kirche seit dem Sturz des Kommunismus gewaltig an Einfluss gewonnen hat, die Kinder wissen, was es mit Jesus Christus auf sich hat und Heiligabend und Weihnachten zelebriert werden – allerdings am 6. und 7. Januar, nach dem julianischen Kalender. Man wird doch nicht auf Weihnachtsmann und Weihnachtsgeschenke verzichten, nur weil der serbisch-orthodoxe Glaube diese Bräuche nicht kennt!

Orthodoxe Weihnachten am 7. Januar

Nachdem man sich zu Silvester samt Weihnachtsbäumen und Geschenken ausgetobt hat, folgen ruhige Weihnachtstage in serbisch-orthodoxer Tradition. Die Weihnachtsbräuche sind unter den Serben nicht überall identisch, ähneln sich jedoch im Großen und Ganzen.

Am frühen Morgen vor Heiligabend wird aus Gewehren in die Luft geschossen. Der Familienvater geht mit seinen Söhnen in den Wald und schlägt eine junge Eiche, möglichst eine Zerreiche, sie darf nicht schwerer und länger sein, als dass er sie schultern und nach Hause tragen kann. Es ist auch möglich, einen längeren Ast abzubrechen. Genannt wird dieser Baum oder Ast "Badnjak". Er wird dann mit Wein bespritzt, mit Honig bestrichen, angesprochen, als sei er eine Persönlichkeit, und zu Hause vor die Tür gestellt. Da die Schießerei gesetzlich verboten ist, verzichtet man natürlich (meistens) darauf.

In den Städten kauft man den "Badnjak" auf dem Bauernmarkt. Das ist dann ein Gebinde trockener Eichenäste mit welkem Laub.

Ein Raum in der Wohnung wird mit Stroh bedeckt, darunter werden Süßigkeiten und Nüsse versteckt.

Am Abend wird der "Badnjak" in die Wohnung gebracht und ins Feuer gelegt. Da die meisten Menschen in Städten keinen Kamin haben, kann man vorsichtig auch einige Blätter anzünden. Der Hausherr gackert über dem Stroh. Jeder Anwesende bricht eine Walnuss auf. Wenn sie gesund ist, wird er ein gutes Jahr haben. Ist die Nuss innen verfault, droht ein schlechtes Jahr. Kerzen und die Ampel vor der Ikone – dem Bildnis des Schutzheiligen der Familie – werden entzündet, Gebete werden gesprochen. So sollte es sein, in der Praxis geht es meist lockerer zu.

Danach folgt das Abendmahl - noch wird gefastet, also zum Beispiel Bohnen und Fisch.

Feuer, Brot und ein ritueller Gast

Menschen bei einer traditionellen Weihnachtszeremonie in Serbien
Menschen stehen um ein Feuer aus "Badnjak". Bildrechte: imago images / Xinhua

Sitte ist auch, einen Badnjak in den Kirchhof zu bringen, wo am Abend ein Feuer entfacht wird, und ihn ins Feuer zu legen. Priester beten dabei, halten auch eine kleine Predigt. Am ersten Weihnachtstag geht die Familie am Morgen zum Gottesdienst.

Ein besonderes Brot wird zu Weihnachten gebacken, man nennt es Česnica (Tschesnitza). In ihm wird ein Goldstück, heutzutage eine Münze, eingebacken, auf der geschmückten Oberfläche wird ein Zweiglein des "Badnjak" gesteckt.

Nachdem man vom Gottesdienst nach Hause zurückgekehrt ist, erscheint der rituelle Gast, genannt Položajnik (Poloschajnik). Es ist ein Familienfreund, streng genommen sollte es ein unverheirateter Mann oder Knabe sein. Er hat nicht gefrühstückt und grüßt unterwegs niemanden. Nachdem er eingetreten ist, schenkt er der Hausfrau ein Stück Kuchen, dem Hausherrn eine Flasche Wein, tritt an die Feuerstelle, rüttelt den "Badnjak" und beschenkt ihn mit Geld, indem er es zum Beispiel auf den Sims der Feuerstelle ablegt. Auch diese alte Sitte wird meistens übersprungen.

Zum Festmahl wird die Česnica möglichst von allen Anwesenden an den Rändern gefasst und gedreht, sodann in so viele Stücke gebrochen, wie Anwesende da sind. Im eigenen Zuhause sind das nur die engere Familie und der Položajnik. Mancherorts wird das Brechen des Weihnachtsbrotes aber auch öffentlich zelebriert. Wer das Stück mit der Münze bekommen hat, wird nicht nur das ganze Jahr über glücklich sein, sondern auch Geld haben. Kinder haben riesigen Spaß dabei.

Da das Weihnachtsmittagsmahl nach den langen, strengen Fastentagen erfolgt, wird es feierlich und reichlich begangen. Auf dem festlich gedeckten Tisch liegen Weizenkörner und Walnüsse, üblich ist ein Braten als Hauptgericht, meist Schweinebraten oder Spanferkel. Es ist grundsätzlich ein Familienfest, außer dem Položajnik werden keine Fremden eingeladen.

So wie bei allen Christen ist Weihnachten unter Serben ein ruhiges Familienfest. Da jedoch Tradition und Sitten während und nach der kommunistischen Zeit durcheinandergeraten sind, sieht man am 6. Januar gegen Mitternacht so manches Feuerwerk, hört Knallkörper wie zu Silvester. Auch aus Pistolen wird in die Luft geballert. Immer weniger, aber immerhin.

Eigentlich feiern die orthodoxen Christen das Weihnachtsfest auch am 25. Dezember. Sie befolgen bei der Berechnung der Feiertage jedoch den julianischen Kalender, der 13 Tage vom heute gebräuchlichen gregorianischen Kalender abweicht. Deswegen fällt der Feiertag im gregorianischen Kalender auf den 7. Januar.

(zuerst veröffentlicht am 20.12.2017)

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Di 13.12.2016 16:21Uhr 01:21 min

https://www.mdr.de/heute-im-osten/video-68708.html

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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Aktuell | 07. Januar 2017 | 19:30 Uhr

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