Marode Brücken in Prag: Das nächste Kapitel
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29. Mai 2018, 11:09 Uhr
Die Diskussion um die Zukunft maroder Brücken in Prag geht in die nächste Runde. Nun soll die auch vielen Touristen bekannte Prager Eisenbahnbrücke weg. Das sagt die Verwaltung der Eisenbahn-Verkehrswege, die sich auf Ergebnisse einer neuen Studie beruft. Danach lohnt sich die Sanierung der Stahlkonstruktion nicht. Schade, meint unsere Ostbloggerin Helena Šulcová. Denn die Brücke ist ein Kulturdenkmal und hat für Prag eine wichtige Bedeutung.
Die Prager Eisenbahnbrücke ist eine wichtige Verkehrsverbindung. Über sie fahren beispielsweise die Züge nach Karlstein, einem beliebten Touristenort, nach Pilsen und Marienbad. Bis vor kurzem bot die Brücke auch Fußgängern einen schönen Blick auf die Prager Burg und Hochburg (Vyšehrad). Auch Fashion-Fotografen oder Insta-Girls haben die Brücke gerne benutzt, um in der einzigartigen Stahlkonstruktion die neuen Outfits zu fotografieren. Damit ist nun Schluss.
Neubau statt Reparatur
Nachdem im Dezember 2017 die Trojaer Fußgängerbrücke in Prag eingestürzt war, wurden alle Brücken in Tschechien einer Inspektion unterzogen. Fazit: 126 Brücken sind marode. Auch die Eisenbahnbrücke in Prag. Sie wurde unmittelbar nach dem Gutachten für Fußgänger geschlossen. Die Züge fahren vorerst weiter. Die zuständige Verwaltung der Eisenbahn-Verkehrswege hat nun aber beschlossen, die Brücke abzureißen. Doch ganz so einfach geht das nicht, denn die Brücke ist ein Kulturdenkmal und deshalb geschützt. Ein gutes Argument für das Denkmalamt, das vehement gegen den Abriss protestiert. Nach Angaben des Nachrichtenportals idnes.cz, wäre der Abriss der Brücke nur dann möglich, wenn das Kulturministerium der Eisenbahnbrücke den Status "Kulturdenkmal" aberkennen würde. Eine Anfrage dazu ist bei dem Ministerium noch nicht eigegangen. Eine harte und vor allem lange Diskussion ist zu erwarten. Die Verwaltung der Eisenbahn-Verkehrswege hat gute Argumente: Zwei Drittel der Stahlkonstruktion müsste ersetzt werden, um die Gebrauchsdauer der Brücke um 30 Jahre zu verlängern. Wenn man die Brücke neu baut, kann man sie mindestens 100 Jahre benutzen. Die neue Brücke sollte eine Kopie der aktuellen Eisenbahnbrücke sein.
Von Diskussionen zu Blockaden
Wie hart die Diskussion um die Prager Brücken geführt wird, zeigte der Fall einer anderen baufälligen Brücke. Die Libeňský-Brücke verbindet die wichtigen Wohnviertel Prag 8 und Prag 7. Sie ist so baufällig, dass Teile der Brücke gesperrt sind. Eine Vollsperrung für den Autoverkehr im vergangenen Winter, führte zu einem Verkehrschaos. Ende April entschied der Prager Magistrat, eine neue Brücke zu bauen. Abrissgegner organisierten daraufhin eine Demonstration und blockierten die Brücke. Sie fordern, dass die Libeňský-Brücke auf die Denkmalliste kommt. Der tschechische Architekt Vit Máslo liefert dafür das notwendige Argument: Libenský sei die einzige kubistische Brücke der Welt. Tschechien war in der Zwischenkriegszeit eine Hochburg kubistischer Architektur, die anderswo in der Welt in dieser Häufung nicht vorkommt.
Brücken als Wahlkampfthema?
Schnelle Entscheidungen über die Zukunft der Prager Brücken erwartet in Tschechien niemand vor dem Herbst. Denn da finden die Kommunalwahlen statt. Und so wird das Prager Brückenproblem wohl zunächst ein Wahlkampfthema werden. Das hat Tradition. Schon nach dem Einsturz der Trojaer Fußgängerbrücke Anfang Dezember 2017, bei der vier Menschen verletzt wurden, forderte die Opposition den Kopf der Prager Bürgermeisterin Adrina Krnáčová. Obwohl sie dieses Gewitter politisch überlebt hat, hat sie sich jetzt vor ein paar Wochen überraschend entschieden, nicht mehr für eine weitere Amtszeit zu kandidieren.
Fähre statt Brücke
Wo einst die Trojaer Fußgängerbrücke stand, die das tschechische Brückendesaster offenbar gemacht hatte, ist die Moldau noch immer ohne Querung. Die Bauarbeiten für einen Brückenneubau haben noch immer nicht begonnen. Über den Fluss kommt man jetzt mit einer Fähre. Eine solche Ersatzlösung wäre für Fußgänger und Fahrradfahrer auch bei den anderen maroden Brücken denkbar.
Über dieses Thema berichtete MDR AKTUELL auch im: TV | 08.12.2017 | 17:45 Uhr