Tschechien Einsturzgefahr: Prags Brücken-Problem

18. Dezember 2017, 16:41 Uhr

Tausende Touristen flanieren zur Weihnachtszeit über die berühmte Karlsbrücke in Prag. Ein sorgloser Freizeitspaß. Doch ein Sechstel der Brücken in der Moldau-Metropole ist marode. Auch im Zentrum Prags. Seit dem Einsturz einer Fußgängerbrücke in der vergangenen Woche sollen jetzt die anderen Brücken untersucht werden – aus Sorge vor weiteren Unglücksfällen.

Der Zusammenbruch der Fußgängerbrücke im Prager Stadtteil Troja war der Stein des Anstoßes. Vier Menschen sind bei dem Einsturz verletzt worden, zwei davon schwer. Das Bild der Trümmer in der Moldau ging um die Welt. Jetzt steht die Stadt unter Druck. Sie muss klären, wie sicher die anderen Brücken sind. 

Sensoren statt Sanierung

Schon 2016 kam heraus, dass die 33 Jahre alte Trojaer-Fußgängerbrücke baufällig ist. Anstatt die Brücke zu sanieren, entschieden sich die zuständigen Behörden Sensoren an der Unterseite anzubringen. Diese kontrollierten alle zwei Minuten die Bewegungen und sollten rechtzeitig vor einer Gefahr warnen. Doch das System hat offenbar versagt. Trotz der Überwachung stürzte die Brücke Anfang Dezember ein.

Eine von vielen?

Der besorgniserregende Zustand der besagten Brücke kam zufällig heraus. 2016 war der Zustand einer anderen Brücke untersucht worden. Die Materialproben, die dabei entnommen wurden, "zerbröselten den Wissenschaftler in den Fingern", hieß im tschechischen Fernsehen. Daraufhin wurden 677 Brücken untersucht und in sieben Kategorien eingeteilt. Das Ergebnis: 126 der untersuchten Bauwerke kamen dabei schlecht weg: Ihr Zustand wurde mit "schlecht", "sehr schlecht" oder gar "einsturzgefährdet" bewertet. Diese überholungsbedürftigen Brücken werden jetzt noch mal genau untersucht.

Osteuropa

Welche Brücken sind gefährdet?

Brücke in Prag
Diese Eisenbahnbrücke aus den 1970er-Jahren ist der jüngste Vertreter auf der Liste maroder Brücken. Bildrechte: IMAGO
Brücke in Prag
Diese Eisenbahnbrücke aus den 1970er-Jahren ist der jüngste Vertreter auf der Liste maroder Brücken. Bildrechte: IMAGO
Eisenbahnbrücke von unten
Sie ist stark baufällig. Nun soll entschieden werden: Abriss und Neubau oder Rekonstruktion? Bildrechte: MDR/Helena Šulcová
Sensor an der Unterseite einer eingestürzten Brücke
Seit 2016 stand sie unter verschärfter Beobachtung: Sensoren auf der Unterseite der Spannbandbrücke kontrollierten jede Schwingung – ohne Erfolg. Die Trojaer-Fußgängerbrücke war eine von 126 Brücken, die die Stadt Prag seit 2016 für baufällig oder einsturzgefährdet hält. 2017 wurde die Brücke geschlossen. Seitdem wird darüber gestritten, ob die Brücke saniert oder durch einen Neubau ersetzt wird. Der Streit darüber, hat sich jedoch verschärft, seit ein Architekturwettbewerb für den Entwurf eines neuen Ersatzes für die Brücke ausgeschrieben wurde und kürzlich sogar die UNESCO versuchte, einzugreifen. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Fähre
Eine neue Brücke gibt es an der Stelle, wo sich einst die Trojaer-Fußgängerbrücke über die Moldau spannte, bislang nicht. Wer über den Fluss will, muss die Fähre nehmen ... Bildrechte: MDR/Helena Šulcová
Ein Auto quert die Straße vor der gesperrten Libensky-Brücke in Prag.
Groß war die Bestürzung auch, als im Januar 2018 die Libeňský-Brücke für Autos und Straßenbahnen gesperrt wurde. Bildrechte: IMAGO / CTK Photo
Libensky Brücke
Seit seiner Errichtung 1928 wurde das Betonbauwerk keiner ernstzunehmenden Sanierung unterzogen. Nach einer Reparatur wurde die Brücke am 3. März 2018 wieder für Straßenbahnen geöffnet. Bildrechte: MDR/Helena Šulcová
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Unter den Brücken, die damals in die schlechteste Kategorie gefallen sind, war auch die eingestürzte Trojaer-Fußgängerbrücke. Und sogar Brücken an wichtigen Verkehrsknotenpunkten in der tschechischen Hauptstadt sind gefährdet.

Landesweit Tausende Brücken in desolatem Zustand

Brücke in Prag
Auch die Vyšehrad-Eisenbahnbrücke, die 1901 erbaut wurde und 2004 den Status eines Nationaldenkmals erhielt ist marode Bildrechte: IMAGO

Das Problem ist jedoch nicht nur auf Prag zu reduzieren. Mehr als 3.400 Brücken in ganz Tschechien seien in einem bedrohlichen Zustand, so das Ergebnis einer  Studie der tschechischen Straßen-und Autobahndirektion (ŘSD). "Die Brücken wurden lange vernachlässigt. Regelmäßige Reparaturen, die innerhalb der 100-jährigen Lebensdauer von Brücken stattfinden sollten, werden überhaupt nicht durchgeführt", mahnt die Bauingenieuren Miloslava Pošvářová. Meistens werden nur die nötigsten Reparaturen durchgeführt. Die Behörden setzten auf Alarmsysteme an den Brücken. "Sobald uns diese übermitteln, dass sich eine der Brücken im Ausnahmezustand befinden könnte, reagieren wir sofort", so Jan Rýdl, Sprecher der Straßen- und Autobahndirektion Tschechien. Mit diesen Sensoren war auch die Prager Fußgängerbrücke ausgestattet. Gebracht haben sie in ihrem Fall nichts. 

Prag reagiert mit Sofortmaßnahmen

Denn der Druck ist nach dem Einsturz groß, das Medienecho ist da zweitrangig. Eine Fußgängerbrücke wurde bereits gesperrt. Bei anderen Brücken werden Lasten reduziert wie bei der Hlakuv-Brücke in Prag. So ist der Straßenbahnverkehr auf dieser Brücke vorrübergehend gestrichen worden.

Die berühmteste aller Prager Brücken ist allerdings in einem sehr guten Zustand: die Karlsbrücke. Sie hält - seit mehr als sechs Jahrhunderten. Zur Freude der vielen Touristen, die sie nutzen, um von einem Moldau-Ufer ans andere zu gelangen.

Über dieses Thema berichtet MDR AKTUELL auch im: TV | 08.12.2017 | 17:45 Uhr