Tschechien Prager Brücken-Desaster: Erste große Moldau-Brücke gesperrt
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23. Januar 2018, 14:28 Uhr
Die Probleme mit den Prager Brücken nehmen kein Ende. Der Einsturz einer Fußgängerbrücke Anfang Dezember hat enorme Rückstände im Brückenunterhalt ans Licht gebracht: Ein Sechstel der Brücken in der Moldau-Metropole sind marode. Nun hat die Stadtverwaltung erstmals eine große, für den Verkehr wichtige Moldau-Brücke gesperrt. Auch die weltberühmte Karlsbrücke befindet sich in einem schlechten Zustand.
In Tschechiens Hauptstadt Prag bleibt die Libeňský-Brücke bis auf Weiteres geschlossen. Sie befindet sich nördlich des Prager Zentrums, verbindet die Stadtteile Libeň und Holešovice und ist eine wichtige Verkehrsader. "Die Brücke ist seit Längerem baufällig, nun wurde ein Abschnitt als einsturzgefährdet eingestuft", teilte der Sprecher der Stadtverwaltung Vít Hofman mit.
Seit Freitag ist die Brücke deshalb für Autos und Straßenbahnen gesperrt. Nur noch Fußgänger und Fahrradfahrer dürfen sie benutzen. Für die Autofahrer bedeutet das kilometerweite Umwege, wenn sie von einem Ufer der Moldau ans andere kommen wollen. Auch Straßenbahnlinien werden umgeleitet. Wie lange die Brücke geschlossen bleibt, ist bislang unklar. Allein die Ausschreibung der Sanierungsarbeiten soll drei Wochen dauern.
Enorme Rückstände im Brückenunterhalt
Dabei handelt es sich bei der Libeňský-Brücke um keinen Einzelfall. Der Einsturz einer Fußgängerbrücke im Dezember 2017, bei dem vier Menschen verletzt wurden, hatte eine Überprüfung aller Bauwerke zur Folge. Die Ergebnisse waren höchst unerfreulich. Neben der Libeňský-Brücke sind drei kleinere Fußgängerbrücken in Prag unmittelbar einsturzgefährdet.
Weitere 23 befinden sich nach Angaben der Stadtverwaltung in einem "sehr schlechten" Zustand – was in der siebenstufigen Bewertungsskala nur eine Stufe vor "einsturzgefährdet" bedeutet. Dazu zählen auch einige der wichtigsten Brücken der Stadt, wie die Palacký-Brücke und die weltberühmte mittelalterliche Karlsbrücke. Weitere 99 Bauwerke werden mit der drittschlechtesten Erhaltungsnote geführt. Viele Brücken wurden jahrzehntelang nicht ausreichend in Schuss gehalten.
Landesweit Tausende Brücken in desolatem Zustand
Das Problem ist jedoch nicht nur auf Prag beschränkt. Mehr als 3.400 Brücken in ganz Tschechien seien in einem bedrohlichen Zustand, so das Ergebnis einer Studie der tschechischen Straßen-und Autobahndirektion (ŘSD). "Die Brücken wurden lange vernachlässigt. Regelmäßige Reparaturen, die innerhalb der 100-jährigen Lebensdauer von Brücken stattfinden sollten, werden überhaupt nicht durchgeführt", mahnte die Bauingenieurin Miloslava Pošvářová im Dezember. Meistens würden nur die nötigsten Reparaturen durchgeführt.
Die Behörden setzten auf Alarmsysteme an den Brücken. "Sobald uns diese übermitteln, dass sich eine der Brücken im Ausnahmezustand befinden könnte, reagieren wir sofort", so Jan Rýdl, Sprecher der Straßen- und Autobahndirektion Tschechien. Allerdings: Mit diesen Sensoren war auch die Prager Fußgängerbrücke ausgestattet, die im Dezember einstürzte – das Warnsystem hat nicht funktioniert.
(baz)
Über dieses Thema berichtet MDR AKTUELL auch im: TV | 08.12.2017 | 17:45 Uhr