Digitales Geld Tschechien: Kryptogeld als Corona-Hilfe

21. Mai 2021, 19:01 Uhr

Zeigt Tschechien seinen europäischen Nachbarn, wo es in Sachen Bezahlen demnächst langgeht? Im Süden des Landes zahlt die Kleinstadt Kyjov derzeit einen Teil ihrer Coronahilfen in einer Kryptowährung aus. Ein Pilotprojekt, das Schule machen könnte.

Ob beim Brötchenkaufen, Friseurbesuch oder Coffee To Go: Rund 2.000 Bewohner der Kleinstadt Kyjov können derzeit ihre Alltagserledigungen in einer lokalen Kryptowährung bezahlen. "Corrents" heißt diese und wurde eigens für das zeitlich begrenzte Pilotprojekt erfunden.

Umgerechnet etwa 19 Euro haben die Teilnehmer von der Stadtverwaltung in der digitalen Währung erhalten. Das Geld ist Teil des lokalen Corona-Hilfsprogramms. Zur freiwilligen Teilnahme brauchen die Einwohner nur ein Smartphone und müssen sich online registrieren.

Süßigkeiten per QR-Code

Damit legten sie eine E-Walett an, ein digitales Portemonnaie. Beim Bezahlen können die Nutzer einen QR-Code erzeugen, der dann abgescannt wird. Persönliche Daten werden dabei nicht erhoben. Voraussetzung ist, dass die Teilnehmer lediglich die Hälfte ihres Einkaufs mit Corrents bezahlen, den Rest mit herkömmlichem Geld.

Insgesamt 40 Läden in Kyjov nehmen an dem Projekt teil. Die Händler sind bislang zufrieden. So wie Jitka Hornakova, die einen Süßigkeitenladen betreibt: "Die Kunden finden es super. Wir sehen, dass sie total gespannt sind und uns kleine Händler mit ihrem Einkauf gerne unterstützen."

Privates Projekt mit Singalwirkung

Koordiniert wird das Projekt von dem Filmproduzenten und Internetunternehmer Pepe Rafaj. Er sieht darin ein gutes Hilfsinstrument für die Kommune: "Die Währung hat ein Verfallsdatum. Das heißt, der Besitzer muss sie in einer bestimmten Zeit ausgeben. Und weil er nur die Hälfte damit bezahlen kann, muss er auch echtes Geld aufwenden", sagt Rafaj. So soll der lokale Handel mit den Corona-Hilfen stimuliert werden.

Die Kosten für den Aufbau des Systems von etwa 31.500 Euro hat ein anonymer Geschäftsmann übernommen. Das tschechische Finanzministerium hat Corrents derweil als eine Art digitale Rabattgutschein eingestuft, nicht als eigentliche Währung. Dennoch wird das Projekt nicht nur in Prag aufmerksam verfolgt. Kyjovs Bürgermeister Franisek Lukl will in den kommenden Wochen mit dem Arbeitsministerium über eine Ausweitung des Projekts auf andere Kommunen diskutieren.

Kryptowährungen als Hilfsinstrument

Auch außerhalb Tschechiens debattieren viele Regierungen derzeit, wie sie Corona-Hilfen effektiv verteilen und sichergehen können, dass diese auch der Wirtschaft vor Ort zugutekommen. Kryptowährungen könnten hierbei eine besondere Rolle spielen. Zeitlich und lokal begrenzte Währung wie Corrents können Kommunen mehr Steuerungsmöglichkeiten geben, weil sie bestimmen können, wo und wann das Geld ausgegeben werden muss.

Denn auch auf internationaler Ebene rückt das Thema immer weiter in den Fokus. Die Europäische Zentralbank (EZB) diskutiert derzeit öffentlich die Möglichkeiten eines sogenannten E-Euros. Diese parallel zum herkömmlichen Euro bestehende Kryptowährung könnte von der Zentralbank direkt an die Menschen ausgegeben werden. Gerade in Krisenzeiten wäre das ein sicherer, effizienter und umweltschonender Weg zur Verteilung von Hilfszahlungen.

(Reuters/ahe)

Kryptowährungen: unabhängig und manipulationssicher Kryptowährungen sind digitale Bezahlmöglichkeiten, die unabhängig vom herkömmlichen Zentralbankgeld funktionieren und keine Banken benötigen. Die Coins, die einzelnen Geldeinheiten, werden dezentral verwaltet und können zwischen den Teilnehmern des Systems in Echtzeit ohne Gebühren ausgetauscht werden. Derzeit gibt es über 1.000 unterschiedliche Währungen für verschiedene Anwendungsbereiche.

Die bekannteste und älteste Kryptowährung ist der Bitcoin, der seit 2009 existiert. Die meisten Kryptowährungen basieren auf der sogenannten Blockchain-Technologie (deutsch: „Block-Kette“) Dabei werden alle Transkationen innerhalb des Systems, die einzelnen Datenblöcke, miteinander verkettetet. Der nächste Block speichert dabei auch die Informationen des vorhergehenden. Die Blockchain funktioniert dadurch wie eine gigantische öffentliche Buchhaltung, die Datensätze sind jedoch verschlüsselt und dezentral. Dadurch ist das System manipulationssicher und unabhängig von Banken und Regierungsinstitutionen.

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 21. Mai 2021 | 17:45 Uhr

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