Stalin-Geburtstag Stalin: Der Diktator ist wieder salonfähig
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21. Dezember 2019, 06:00 Uhr
Joseph Stalin ließ Millionen Menschen hinrichten oder in Arbeitslager verschleppen. Trotzdem erreicht die Stalin-Verehrung in Russland in diesem Jahr einen neuen Rekordwert.
Touristen in Moskau kommen an Stalin nicht vorbei: Auf dem Roten Platz kann man sich mit Stalin-Darstellern fotografieren lassen. Und die Erinnerungen für zu Hause gibt es auf einem der vielen Souvenir-Märkte: Stalin-Tassen, Stalin-T-Shirts, Stalin-Matrjoschka.
Dem Diktator selbst hätte das gefallen: Er war ein Meister der Selbstinszenierung, der sich gerne anhimmeln ließ. Heute vor 140 Jahren kam Joseph Stalin als Josef Wissarionowitsch Dschugaschwilli in der georgischen Stadt Gori zur Welt. Während seiner Herrschaft waren Millionen von Menschen ermordet worden.
Trotz dieser Schreckensbilanz wird Stalin in Russland heute zunehmend verehrt: 51 Prozent der Russen stehen Stalin positiv gegenüber. Das ergab eine Befragung des "Lewada-Instituts", eines unabhängigen russischen Meinungsforschungszentrums, vom März diesen Jahres. Darin gaben 41 Prozent der Russen an, Stalin zu verehren. 2012 sagten nur 28 Prozent, dass sie Stalin mit Verehrung gegenüber stehen. Den aktuellen Zahlen zufolge, haben gerade einmal 14 Prozent negative Assoziationen mit Stalin.
Stalins Renaissance
Jahrzehntelang galt Josef Stalin in der sowjetischen Öffentlichkeit als Tabu: Während der "Entstalinisierung" wurden alle Stalin-Denkmäler entfernt und nach dem Diktator benannte Straßen sowie Plätze umbenannt.
Doch die Zeiten, in denen Stalin ein schlechtes Image in Russland hatte, sind offenbar vorbei. Bereits seit einigen Jahren gewinnt er wieder an Ansehen: 2017 wurde Stalin zum "größten russischen Helden aller Zeiten" gewählt. Der Historiker Nikita Petrow sagte in einem Interview mit dem MDR, dass "die staatliche Propaganda in letzter Zeit versucht, ein heroisierendes und strahlendes Bild von Stalin zu zeichnen. Ihn als großen Sieger im Krieg darzustellen. Diese Propaganda ist sehr aufdringlich und überall präsent."
Denkmal für die Opfer des Stalin-Terrors
In Moskau wurde im Oktober 2017 eine "Mauer der Trauer" für die Opfer des stalinistischen Terrors eingeweiht. An der Veranstaltung hatte auch Präsident Putin teilgenommen. Experten wie die Historikerin Irina Scherbakowa lobten das Engagement der russischen Regierung, kritisierten jedoch gleichzeitig, dass diese sich nicht eindeutig genug positioniert. Und tatsächlich: Einen Monat vor der Einweihung des Denkmals für die Opfer, wurde in Moskau in Anwesenheit des Kulturministers eine Bronzebüste auf der "Allee der Herrscher Russlands" aufgestellt.
Denkmal oder Museum: Wie Stalin "aufersteht"
Die meisten Initiativen, Stalin-Denkmäler zu errichten, sind allerdings nicht staatlich, sondern werden von der Kommunistische Partei organisiert. Die Ortsgruppe in Wolgograd beispielsweise hatte erst vergangene Woche laut Nachrichtenagentur TASS eine Stalin-Büste enthüllt.
Geschichtsvergessenheit in Russland
Vor allem die junge Generation kenne laut Nikita Petrow nur die positive Sicht auf historische Ereignisse unter Stalin. "Auch über den Preis des Sieges von 1945 mache sie sich keine Gedanken. Als nach einer Reihe schrecklicher Niederlagen in den ersten Kriegsjahren eine unglaubliche Anzahl sowjetischer Soldaten, unserer Bürger, gefallen sind." Petrow verzeichnet eine "Geschichtsvergessenheit" in der russischen Bevölkerung. Und so scheint es nicht verwunderlich, dass sich beim sozialen Netzwerk "Vkontakte" Stalin-Fans zusammenfinden. Allein die Gruppe "Stalin" hat 61.000 Mitglieder, die Memes und Neuigkeiten zum Diktator austauschen.
Dieses Thema im Programm: MDR Fernsehen | 24. Februar 2019 | 23:30 Uhr