Männer sitzen mit Tastaturen vor Computermonitoren
Mitglieder der Tauchvereinigung Baltictech und Experten der Schifffahrtsbehörde an Bord eines Spezialschiffs. Mit Hilfe von zwei Tauchrobotern untersuchen sie das Wrack der Karlsruhe, auf dem sich das verschollene Bernsteinzimmer befinden könnte. Bildrechte: Baltictech

Weitere Expedition zum Ostseegrund Polen: Steht die Hebung des Bernsteinzimmers bevor?

12. Januar 2021, 14:27 Uhr

Die Nachricht schlug im Herbst wie eine Bombe ein: Hobbytaucher hatten am Ostseegrund vor Polens Küste ein Schiffswrack entdeckt, in dem sich das legendäre Bernsteinzimmer befinden könnte. Die Indizien dafür waren so stark, dass sich die Schiffahrtsbehörde eingeschaltet hat und den Meeresgrund nun mit Tauchrobotern absuchen ließ. Die Ergebnisse sind so vielversprechend, dass im Frühling eine weitere Expedition geplant ist - dann sollen wieder Menschen zum Wrack hinabsteigen, für die es momentan in der Ostsee zu kalt ist.

Das Bernsteinzimmer war fast 200 Jahre lang eines der Schmuckstücke der Zarenresidenz von Zarskoje Selo bei Sankt Petersburg. Im Zweiten Weltkrieg wurde es von den Deutschen geraubt und nach Königsberg im damaligen Ostpreußen gebracht. Seit 1945 ist es verschollen. Eine der vielen Hypothesen zum Schicksal des Bernsteinzimmers besagt, dass es Königsberg auf dem Seeweg verlassen hat und während des Abtransports versenkt wurde.

Dieser Spur gehen Hobbytaucher von der Tauchgruppe Baltictech aus Danzig nach. Sie haben im September 2020 ein Wrack entdeckt, das sie für den versenkten deutschen Frachter Karlsruhe halten. Es liegt etwa 100 Kilometer nördlich vom Urlaubsort Ustka (ehemals Stolpmünde) entfernt, in einer Tiefe von 88 Metern am Meeresgrund. An Bord vermuten die Taucher das Bernsteinzimmer.

Alter Bilderrahmen der am Meeresgrund in einem Schiffswrack liegt 1 min
Bildrechte: Baltictech/MDR
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Die polnischen Sporttaucher von "Baltictech" sind auf der Jagd nach Schätzen am Boden der Ostsee. Gefunden haben sie das Wrack der gesunkenen "Karlsruhe".

MDR FERNSEHEN Fr 08.01.2021 17:45Uhr 00:32 min

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Der Kunstschatz könnte sich in den zahlreichen Kisten befinden, die die Hobbytaucher im Wrack vorfanden. Bei ihren letzten Tauchgängen im Herbst hatten sie aber nicht genügend Zeit, ihren Inhalt genauer zu untersuchen. Das Tauchen am Ostseegrund ist nämlich äußerst schwierig: Da die Sauerstoffmenge begrenzt ist und das Auftauchen mehr als zweieinhalb Stunden dauert, bleiben für die eigentliche Arbeit unter Wasser höchstens 30 Minuten übrig, berichtet der Chef des Taucherteams, Tomasz Stachura.

Taucher
Bei der ersten Tauchexpedition im September 2020 fanden die Taucher im Wrack der Karlsruhe nach eigenen Angaben Militärfahrzeuge, deutsches Porzellan, Dokumentenordner und zahlreiche Kisten mit noch unbekanntem Inhalt. Bildrechte: Tomasz Stachura

Im Winterhalbjahr ist das Tauchen wegen des eisigen Wassers und des stürmischen Wetters kaum noch möglich. Deshalb gab es bei der jüngsten Expedition im Dezember eine andere Zielsetzung: Der Meeresgrund im Umkreis des Wracks wurde mit Hilfe von Tauchrobotern und Sonargeräten untersucht.

Außerdem war diesmal die Schifffahrtsbehörde mit im Boot. Sie hat ein 60 Meter langes Suchschiff zur Verfügung gestellt, das bei dem stürmischen Wetter jetzt deutlich mehr Sicherheit bietet als das zwölf Meter lange Boot der Hobbytaucher. Auch einer der zwei eingesetzten Tauchroboter kam von Vater Staat, der diesmal auch die Kosten der Expedition übernahm.

Liegt das Bernsteinzimmer am Ostseegrund?

Diese zweite Expedition hat nicht nur bestätigt, dass es sich beim Wrack tatsächlich um die Karlsruhe handelt. "Es wurden auch weitere Gegenstände in den Kisten entdeckt, wie zum Beispiel der Rahmen und die Überreste eines verfallenen Gemäldes", sagt Stachura, der die Expedition leitete. Diese Objekte seien ein weiteres Indiz, dass das Schiff eine kunsthistorisch wertvolle Fracht geladen haben könnte.

Klarheit gebe es leider immer noch nicht, weil Tauchroboter nicht in der Lage sind, Kisten zu öffnen - sie können lediglich den Inhalt von Kisten einsehen, die nach der Versenkung des Schiffes zu Bruch gingen. Im Umfeld des Wracks liegen den Angaben zufolge aber zahlreiche verschlossene Kisten deren Inhalt noch unbekannt ist. Dort könnten sich Teile des Bernsteinzimmers befinden.

Tomasz Stachura, Leiter der Tauchexpedition zum Wrack der Karlsruhe am Ostseegrund, Dezember 2020
Tomasz Stachura leitet die Tauchexpedition zum Wrack der Karlsruhe, in dem Teile des Bernsteinzimmers vermutet werden. Allerdings warnt er vor überzogenen Hoffnungen. Bildrechte: Baltictech

Weitere Expedition im Frühling geplant

Allerdings warnt Stachura vor zu hohen Erwartungen: Angesichts der vielen anderen Hypothesen zum Verbleib des Bernsteinzimmers, liege die Wahrscheinlichkeit, dass es sich im Wrack der Karlsruhe befindet nur bei ein bis zwei Prozent. Andererseits gebe es derzeit keinen anderen Ort auf der Welt, wo sie höher läge.

Sonarbild des Ostseegrunds am Wrack der Karlsruhe in der Ostsee, rund 100 km nördlich von Ustka (Stolpmünde), Dezember 2020
Gut 400 Meter von der Karlsruhe haben die polnischen Taucher ein weiteres Wrack am Ostseegrund entdeckt (Sonarbild). Bildrechte: Baltictech

Klarheit soll eine Unterwasserexpedition bringen, die die Taucher für den Frühling planen. Dann könnten sie, so Stachura, wieder zum Ostseegrund abtauchen und zumindest einen Teil der vielen verschlossenen Kisten öffnen. Sie wollen dann außerdem ein zweites Schiffswrack untersuchen, dass sie nun rund 400 Meter von der Karlsruhe entfernt entdeckt haben. Es handelt sich wahrscheinlich um ein weiteres deutsches Transportschiff, das von der sowjetischen Luftwaffe zusammen mit der Karlsruhe versenkt wurde.

Flüchtlingsschiff Karlsruhe - mit geheimer Fracht an Bord?

Die Karlsruhe sollte im Rahmen der "Operation Hannibal" Flüchtlinge aus den damaligen deutschen Ostgebieten vor der anrückenden Sowjetarmee in Sicherheit bringen. An Bord des 1905 gebauten Frachters befanden sich fast 1.100 Menschen. Nur 150 haben die Versenkung des Schiffs durch sowjetische Fliegerbomben überlebt.

Für die Vermutung, dass sich neben den Passagieren auch das Bernsteinzimmer an Bord befunden hat, sprechen lediglich Indizien. Das Schiff war in Pillau (heute Baltijsk) gestartet, dem Vorhafen von Königsberg (heute Kaliningrad). Die damals deutsche Stadt ist der letzte bekannte Standort des Bernsteinzimmers. Der Frachter hatte eine für sein Alter schwere Fracht von rund 360 Tonnen geladen. Außerdem fuhr er unter Begleitung einer starken Eskorte, was auf wertvolle Fracht hindeuten könnte.

Die 'Karlsruhe'
Die Karlsruhe wurde 1905 auf der Seebeck-Werft in Bremerhaven gebaut. Das Schiff war 66,3 Meter lang und 10,1 Meter breit. Es brach am 12. April 1945 von Pillau aus zu seiner letzten Reise auf. Bildrechte: Tomasz Stachura

Polnischer Volkssport Schatzsuche

Schatzsuche, wenn auch nur selten am Meeresgrund, ist in Polen eine relativ weit verbreitetes Hobby - viele Bürger durchstreifen die Wälder mit Metalldetektoren und hoffen, alte Münzen oder Militaria aus dem Zweiten Weltkrieg zu finden. Immer wieder sorgen auch größere Schatzsuchaktionen für Schlagzeilen - wie die nach dem "Nazigold" im schlesischen Wałbrzych oder nach dem Bernsteinzimmer im masurischen Mamerki. Beide blieben erfolglos.

Baltictech ist eine Tauchgruppe aus dem Raum Danzig, die Wracks in der Ostsee untersucht. Ihr Ziel ist es unter anderem, das Binnenmeer mit seinen zahlreichen Schiffen auf seinem Grund, als eines der interessantesten Tauchgebiete der Welt zu etablieren. Tomasz Stachura gilt als einer der aktivsten Wracktaucher in der Ostsee. Er hat sich auf das Fotografieren von Wracks in großer Tiefe spezialisiert. Im Frühjahr erschien sein Buch "Der Weg des Todes". Darin zeichnet Stachura den Verlauf der "Operation Hannibal" nach.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 2 | 05. Oktober 2020 | 14:00 Uhr

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