Serbien Čevapčići: Fastfood oder kulinarisches Meisterwerk?

Čevapčići kriegt man in Belgrad überall, sowohl in Grillstuben, als auch in vornehmen Restaurants. Mit dem Pflaumenschnaps Sliwowitz, auf Serbisch Šljivovica, sind sie ein kulinarisches Markenzeichen Serbiens. Beziehungsweise: Sie sollten es sein.

Mit Sliwowitz kann man in Belgrader Lokalen eigentlich nichts falsch machen, doch mit Čevapčići steht es trotz des riesigen Angebots ganz anders. Egal ob billig oder teuer, am Grillstand oder im vornehmen Restaurant, bekommt man oft ein undefinierbares Etwas aus gehacktem Fleisch, überwürzt und zu durchgebraten, so dass man das Fleisch kaum schmecken kann.

Mein Vater vertrat felsenfest seine Überzeugung, dass er im vergangen halben Jahrhundert in Belgrad keine "richtigen" Čevapčići gekostet hatte. Er erzählte mir schwärmend, wie in seiner Geburtstadt Zrenjanin vor dem Zweiten Weltkrieg lokale Zeitungen darüber berichteten, wenn ein Grillmeister von der einen zur anderen Kneipe wechselte – sie wie man heute darüber berichtet, wenn Fußballtrainer den Club wechseln. So wichtig war das! Und so gut sollen Čevapčići damals gewesen sein.

Čevapčići gibt es an vielen Grillständen in Belgrad. Bildrechte: IMAGO / Depositphotos

Wir neigen wohl alle dazu, einen bestimmten Geschmack aus der Kindheit zu suchen und alles andere, was uns später serviert wird, als "falsch" zu verwerfen. Mir ergeht es so mit dem Käsekuchen. Wenn er nicht genauso schmeckt, wie ihn Frau Popp Mitte der 1970er Jahre in Bonn zubereitet hatte, nörgle ich und bin bereit, mich über die Qualität des verwendeten Quarks zu streiten.

So erging es meinem Vater mit den Čevapčići in Belgrad und dem Urgeschmack, den er in Erinnerung hatte. Die Fleischköstlichkeiten, die kleinen, gehackten kulinarischen Kunstwerke, die ich ihm vorlegte, lehnte er voller Verachtung ab.

Natürlich ist alles Geschmackssache, und es gibt Dutzende Varianten von Čevapčići, angefangen von der Fleischmischung bis zu "Geheimzutaten", die aus dem Gericht etwas Unvergleichliches machen sollen. Doch nicht einmal mein eigener Onkel Djordje wollte mir seine Zauberformel für Čevapčići verraten. Er lächelte nur schelmisch, wenn man seine Grillkünste lobte – und nahm sein Rezept später mit ins Grab.

Ich weiß nur, dass er sich an die traditionelle Fleischmischung aus der Stadt Novi Pazar im Länderdreieck zwischen Serbien, Bosnien-Herzegowina und Montenegro hielt: 80 Prozent Rindfleisch und 20 Prozent Schafsfleisch. Er ließ sie auch im Kühlschrank mit allen Zutaten wesentlich länger als 10 Stunden "ziehen", was die meisten für die nötige Mindestzeit halten, damit die Masse richtig gären kann.

Manche machen Čevapčići auch aus reinem Kalbsfleisch, doch die meisten benutzen Rindfleisch. Damit sie etwas fettiger werden und der Geschmack verfeinert wird, wird in islamischer Tradition Schafsfleisch dazugetan, und im orthodoxen Serbien manchmal Schweinefleisch.

Jeder hat da sein eigenes Rezept, und wenn mein Onkel Djordje, Chemieprofessor von Beruf, sein eigenes Čevapčići-Rezept nicht verraten wollte, kann man sich leicht vorstellen, dass man professionellen Grillmeistern und Köchen ihre eigene Formel nicht einmal "mit der Zange aus dem Mund ziehen" wird, wie man auf Serbisch sagt, wenn jemand versucht, einer Geheimnistuerei ein Ende zu setzen.

Viele Grillmeister halten ihr Čevapčići-Rezept geheim. Sie unterscheiden sich durch das Mischverhältnis verschiedener Fleischsorten wie Rind, Lamm und Schwein und natürlich durch die verwendeten Gewürze. Bildrechte: IMAGO / Pond5 Images

In meiner Kindheit sagten alle immer "Čevapčići", und nach meiner Vorstellung sollten sie nicht länger als fünf Zentimeter sein. Čevapčići ist eigentlich die Verkleinerungsform von "Ćevepi", ursprünglich Kebab, der ja wesentlich größer ist. Heutzutage sagen fast alle nur "Ćevapi", auch wenn die Fleischhäppchen ganz klein sind.

Viele Städte prahlen mit ihren Čevapčići. In Bosnien und Herzegowina zum Beispiel bekommt man in der Hauptstadt Sarajevo den "Sarajski Ćevap" und in der Hauptstadt der serbischen Entität Banja Luka den "Banjalučki Ćevap". Beide Küchen verwenden reines Rindfleisch, doch die Serben benutzen auch Knoblauch.

In Belgrad selbst werden alle möglichen Čevapčići-Sorten angeboten: Sarajevski Ćevap, Banjalucki Ćevap, Novopazarski Ćevap, Leskovački Ćevap... Nur in einem ist man sich einig: Čevapčići müssen auf einem Kohlegrill zubereitet werden, sonst kann man sie vergessen. In einer Großstadt ist es aber gar nicht so einfach, Bedingungen zu schaffen, um Essen über offenem Feuer zubereiten zu können.

In Serbien gibt es eine enorme Vielfalt an Čevapčići-Rezepten, doch in einem Punkt sind sich alle einig: Wirklich gute Čevapčići müssen auf einem Holzkohlegrill zubereitet werden. Bildrechte: IMAGO / Pond5 Images

Leskovac ist eine Stadt in Südserbien, die für ihr Grillfleisch berühmt ist. Wie gesagt, jeder Grillmeister hat sein eigenes Geheimrezept, doch das Urrezept für Leskovački Ćevapi besagt, dass man zuerst Wasser mit Knoblauch, Salz, Pfeffer und anderen Gewürzen aufkochen läst, die schon geschnitten Čevapčići aus reinem Rindfleisch mit diesem Wasser würzt, mit einem nassen Leinentuch bedeckt und über Nacht stehen lässt.

Zum Schluss möchte ich Ihnen zwar nicht mein privates Čevapčići-Rezept verraten, dafür aber einige Orte, wo Sie meiner Meinung nach wirklich gute Čevapčići essen können, falls Sie sich nach Belgrad verirren: Grillstube Savčić, Restaurant Čubura, Restaurant Grmeč, Grillstube Drama, Grillstube Prijatelji (hier aus reinem Kalbsfleisch). Die Adressen findet man im Internet. Wohl bekomm‘s! Grillstuben, in denen auch Čevapčići zubereitet werden, heißen auf Serbisch übrigens Čevabđinica.