Reisen durch Osteuropa Bulgarien: Geheimnisvolles Rila-Kloster

16. Oktober 2021, 05:00 Uhr

Jahr für Jahr zieht es Hunderttausende Deutsche an die bulgarische Schwarzmeerküste. Dabei hat das Balkanland viel mehr zu bieten als die All-Inclusive-Angebote am Gold- und Sonnenstrand. Hoch oben im Gebirge, gerade einmal zwei Autostunden von Sofia entfernt, können Pilger und Touristen im Rila-Kloster übernachten, einen magischen Ort abseits des Trubels erleben – und dabei eine Regel brechen.

Rila Kloster
UNESCO-Weltkulturerbe: Das Rila-Kloster in Bulgarien Bildrechte: IMAGO / ZUMA Wire

Die Glocken beenden die Nachtruhe. Die Sonne bahnt sich gerade ihren Weg über die hohen Berge im Rila-Gebirge, als zum morgendlichen Gebet in der Klosterkirche Sveta Bogoroditsa ("Heilige Gottesgebärerin") geläutet wird. Es riecht nach Weihrauch, einige Mönche sind schon im Gebet versunken. Nur einer läuft noch schnellen Schrittes über den fast 9.000 Quadratmeter großen Klosterhof mit den groben Steinen, über die man schnell stolpern kann, wenn man unachtsam ist. Vielleicht hat er verschlafen.

Sarah Oberwemmer ist hingegen hellwach, ausgeruht nach einer kalten, aber stillen Nacht. Die Berlinerin reist fünf Wochen über die Balkanhalbinsel und macht gerade Stopp in Bulgarien. "Ich hatte hübsche Fotos gesehen und wusste, dass das Rila-Kloster einen Besuch wert ist. Als ich genauer recherchiert habe, habe ich entdeckt, dass man hier auch übernachten kann", sagt die 31-Jährige.

Fresken im Rila Kloster
Sehenswert: Die Fresken in der Klosterkirche Bildrechte: IMAGO / agefotostock

Ein sternenklarer Nachthimmel über dem Rila-Kloster oder ein zum Gottesdienst sprintender Geistlicher: Solche Szenen erleben Besucher nur am frühen Morgen oder späten Abend, wenn sich die Mönche die Klosteranlage mit nur wenigen Pilgern und Touristen teilen - wenn sich die wahre Magie des Ortes, auf 1.150 Metern Höhe über dem Meeresspiegel und mitten im Wald entfaltet. "Ich wollte gern diese ruhigen Stunden mitbekommen und in die kleine Klosterwelt eintauchen. Ich bin zwar selbst Touristin, finde große Touristenströme aber durchaus nervig", sagt Sarah Oberwemmer.

Übernachten im Rila-Kloster: Glückssache

Schon die Buchung der Mönchszelle ist ein kleines Abenteuer. Auf E-Mails reagiert das Rila-Kloster nicht, ein Online-Buchungstool existiert nicht. Per Telefon ist es zwar einfacher, die Mönche zu erreichen. Dafür sollte man jedoch Bulgarisch sprechen – oder darauf hoffen, dass am anderen Ende der Leitung Englisch verstanden wird.

Sarah Oberwemmer ist auf gut Glück in das Rila-Kloster gefahren und hat einen Tour-Guide um Vermittlung gebeten. "Ich musste mich darauf einlassen, dass ich das Zimmer nicht locker über Booking.com buchen kann, sondern es erst sicher hatte, als ich vor Ort war. Aber genau das fand ich spannend." Die Schlüssel für die spartanisch eingerichteten Zimmer werden in der Rezeption neben dem Museum ausgegeben, ihre Öffnungszeiten richten sich nach der Liturgie und nicht andersherum. Der Empfang ist recht kühl, der Mönch wortkarg. Es ist eben eine Herberge und kein Hotel.

Mit dem Shuttlebus aus Sofia zu den Mönchen

Das Rila-Kloster, im 10. Jahrhundert vom Einsiedler Ivan Rilski gegründet und seit 1983 Teil des UNESCO-Weltkulturerbes, ist nicht nur der wichtigste Ort des bulgarisch-orthodoxen Glaubens, sondern mit seinen gestreiften Fassaden und den bunten Fresken auch eine der Top-Sehenswürdigkeiten des Landes. Mehr als eine Million Gäste, sowohl Bulgaren als auch Ausländer, besuchen es pro Jahr. Es birgt ein großes Potenzial für Kulturtourismus, der sich seit ein paar Jahren den billigen All-Inclusive-Angeboten und wilden Partynächten am Gold- und Sonnenstrand entgegenstemmt.

Das große Interesse am Rila-Kloster wissen die Mönche und die Tourismusbranche zu nutzen. Weil es nur zwei Autostunden von der Hauptstadt Sofia entfernt liegt und durch eine gut ausgebaute Straße zu erreichen ist, sind geführte Tagestouren und Shuttleservices zum Kloster unlängst wie Pilze aus dem Boden geschossen. 2009 ist die Firma Traventuria eingestiegen. "Seitdem ist es unser am häufigsten gebuchter Tagestrip. Selbst in diesen Tagen haben wir jeden Tag eine Tour mit kleineren Gruppen", sagt Tour-Guide Lubomir Botev.

Klosteretikette: Miniröcke und kurze Hosen verboten

In den Mittagsstunden herrscht oft Hochbetrieb. Kleine und große Touristenbusse spucken Reisende aus, die durch die Anlage geführt werden und immer wieder Handys und Kameras zücken, um sich am perfekten Erinnerungsfoto zu versuchen. An den Ständen können sie sich mit Andenken eindecken und in der Klosterbäckerei ihren Hunger stillen. Das Brot und die Mekitski, frische Krapfen, sind bei den Touristen besonders beliebt.

An den zwei wuchtigen Eingangstoren des Klosters weisen Schilder auf die Kleiderordnung hin: Ärmellose Tops, kurze Hosen und Mini-Röcke sind tabu, die Security-Männer drücken aber oft ein Auge zu, wenn Schultern und Knie nicht bedeckt sind. Strenger werden die Regeln rund um die Kirche überwacht. In ihrem Inneren sind Kameras verboten, nur die bunten Fresken in den Laubengängen dürfen fotografiert werden. Ein Mönch ermahnt zwei junge Mädchen, als sie lässig im Schneidersitz vor der Kirche sitzen. Und einer Frau in kurzem Rock wird eilig ein rotes Tuch um die Hüfte gebunden.

Rila-Kloster Bulgarien
Abends und nachts, wenn die Tagestouristen verschwunden sind, wird die Stimmung im Rila-Kloster magisch. Bildrechte: imago images/Pablo Méndez

Nachts im Rila-Kloster: Stille genießen

Der Rummel der Tagestouristen bleibt aber nicht ohne Folgen für das Rila-Kloster. 400 Mönche sollen hier gelebt haben, heute sind es gerade mal eine Handvoll, die dem entbehrungsreichen Leben des Gründers folgen – auch weil das Leben in Stille nicht immer garantiert ist.

Die Wohn- und Wirtschaftsgebäude sind ihr Rückzugsort. Dünne Seile, Schilder und die ein oder andere mündliche Ermahnung halten Tagestouristen davon ab, die Bogengänge und Holzterrassen zu betreten. Übernachtungsgäste dürfen diese Regel offiziell missachten, um in ihre Zimmer zu gelangen. "Das ist ein guter Grund, um hier zu übernachten. Es bietet tolle Rundumblicke auf das Kloster und neue Perspektiven aus verschiedenen Stockwerken. Das finde ich ganz faszinierend", sagt Sarah Oberwemmer. Sie zückt immer wieder ihr Handy und füttert es mit Fotomotiven, die den Tagestouristen verwehrt bleiben.

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Heute im Osten | 06. August 2021 | 17:30 Uhr

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