Bosnien Schmalspur-Dampfloks im Einsatz: Die Kohlebahn von Banoviči
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30. März 2021, 05:00 Uhr
Einst erstreckte sich ein großes Schmalspurbahn-Netz im ehemaligen Jugoslawien. Geblieben ist davon kaum etwas. Außer im bosnischen Banoviči, wo bis heute noch auf Schmalspur und unter Dampf Kohle transportiert wird.
Der Flur ist mit Dampflokfotos geschmückt und im Büro gibt es eine liebevoll ausgestellte Sammlung von Lokschildern: Bei Dževad Hodžić, dem Direktor der Kohlebahn Banoviči, sind Eisenbahnfreunde gut aufgehoben. Der Mann liebt seine Bahn und die fährt immer noch mit Dampflokomotiven. Denn davon sind dank Hodžić' Bemühungen immer noch einige betriebsfähig, darunter die bulligen tschechischen Loks der Baureihe 25, eine kleine Waldbahnlok der in Osteuropa sehr verbreiten "Budapest"-Baureihe und sogar zwei Loks der legendären bosnischen "Baureihe 83", die einst Schnellzüge von Belgrad nach Sarajevo zogen.
Zumindest eine dieser Loks ist praktisch täglich unter Dampf und verrichtet brav ihren Dienst an der Kohlesortieranlage im Nachbardorf Oskova. Damit ist Banoviči wohl die letzte Eisenbahn in Südosteuropa, die eine Schmalspurdampflok einsetzt und damit nicht Touristen herumkutschiert. Gleichzeitig befährt sie die letzten Reste des alten jugoslawischen Schmalspurbahnnetzes.
Vom Holz- zum Kohlerevier
An dessen Anfang stand das Holz: Nach dem Ersten Weltkrieg entstand in dem unscheinbaren bosnischen Örtchen Živinice ein großes Dampfsägewerk. Ein ausgedehntes, schmalspuriges Waldbahnnetz erschloss die umliegenden Wälder. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg entdeckte man nahe des zehn Kilometer Luftlinie entfernten Banoviči unter der obersten Erdschicht Schwarzkohle. Ein Privatunternehmer begann, diese lokal zu vermarkten. Dabei nutzte er auch die Waldbahn und besaß angeblich sogar zwei gebrauchte Dampfloks und eigene Wagen.
Die Folgen des Krieges waren jedoch verheerend. Neunzig Prozent des bosnischen Schmalspurnetzes waren zerstört oder unbrauchbar. Jugoslawien, zu dem Bosnien fortan gehörte, stand vor dem schwierigen Wiederaufbau seiner Städte und Industrien. Und dafür brauchte es die Kohle, von der um Banoviči genug vorhanden war. Das geplante Kohlerevier musste dringendst an das jugoslawische Normalspur-Eisenbahnnetz und damit an die wichtigen Zentren angebunden werde. Die alte Waldbahn genügte da nicht.
Die sozialistische Jugend baut eine Bahn
Deshalb fiel am 1. Mai 1946 der Startschuss für den Bau einer knapp 90 Kilometer langen Neubaustrecke von Banoviči nach Brčko an der heutigen Grenze zu Kroatien. Ohne Maschinen legten mehr als 60.000 Freiwillige mit Pickel und Schaufeln los. Die meist noch jugendlichen Jungen und Mädchen wollten ihren Teil am Aufbau des sozialistischen Jugoslawiens leisten - mit unglaublichem Erfolg. In gut sechs Monaten war die Strecke fertig, obwohl doppelt so viel Zeit eingeplant war. Neben insgesamt 120 Kilometern Gleisen und Weichen wurden Bahnhöfe, Brücken und sogar drei Tunnel gebaut.
Parallel dazu baute man im Dorf Oskova nahe Banoviči die Separations- und Verladeanlage für die Kohleminen. In der wurde die Kohle auf den bosnischen 760-Millimeter-Schmalspurgleisen transportiert und dann auf Züge mit Normalspur umgeladen. Die Entwicklung des Kohlereviers Banoviči war in den ersten Nachkriegsjahren mühsam und schwer. Moderne Bergwerksmaschinen gab es nicht und für ihre Anschaffung fehlte das Geld. Die Produktion kam nur langsam voran und mit den wenigen vorhandenen Mitteln musste improvisiert werden.
Lokomotiven aus aller Welt
Lange war deshalb auch die Kohlebahn selbst in katastrophalem Zustand, da es - wie in ganz Jugoslawien - insbesondere an Lokomotiven mangelte. Eingesetzt wurde so ziemlich alles, was irgendwie aufzutreiben und betriebsfähig gemacht werden konnte. Entsprechend bunt zusammengewürfelt war der Lokomotivpark.
So kamen neben ungarischen "Dt n2"-Lokomotiven auch amerikanische Satteltank-Zweikuppler- und tschechoslowakische Dreikuppler-Dampflokomotiven aus der Prager Lokfabrik ČKD zum Einsatz. Von letzteren ist eine noch bis heute im regulären Betrieb. Ihren größten Schatz, die Schlepptenderloks der bosnischen "Baureihe 83", verdankt die Kohlebahn Banoviči aber den abstrusen Verteidigungsplänen der jugoslawischen Volksarmee. Deren Fachleute beschlossen, dass es zum Schutz des Landes vor einer fremden Invasion besonders auf Schmalspurbahnen ankomme.
Deswegen wurden zwischen 1947 und 1949 zehn Lokomotiven der "Baureihe 83" aufwändig umgebaut und als sofort einsatzfähige Militärreserve hinter einem Lokschuppen im serbischen Višegrad "versteckt". Von einem nahegelegenen Hügel waren die "Dampfverteidiger" jedoch für jedermann gut zu sehen. Da die Invasion ausblieb, gingen die Loks später in den zivilen Dienst in Banoviči über, wo zwei von ihnen bis heute für den Kohletransport eingesetzt werden.
Schmalspurbahn aus Geldmangel erhalten
Den Zerfall Jugoslawiens und die folgenden Kriege in den 1990er-Jahren hat die Bergwerksgesellschaft in Banoviči relativ gut überstanden. Die Kohleindustrie ist immer noch der wichtigste Arbeitgeber in der Region. Für die notwendige Modernisierung, die gleichzeitig das Ende der Schmalspurbahnen bedeuten würden, fehlt das Geld. Ausländischen Investoren sind die politischen Rahmenbedingungen in Bosnien noch zu heikel.
Und so rattern die Schmalspurbahnen weiter täglich nach Oskova, wo die mit Erdreich vermischte Rohkohle gewaschen und sortiert wird. Ein Teil der Kohle wird dann über die normalspurige Strecke Richtung Tuzla weiter transportiert, durch die als "Kennedy" bekannten schweren Dieselloks der bosnischen Staatsbahn. Aber die langen Reihen der täglich wartenden Lkw zeigen auch, dass die Bahn ihre Transport-Monopolstellung längst eingebüßt hat.
Zukunftsperspektiven durch Bahnenthusiasten
In den Kohlebergwerken rund um die 30 Kilometer entfernte Stadt Tuzla gibt es auch noch Normalspurdampfloks, darunter die letzten in Europa regulär eingesetzten Kriegsloks der "Baureihe 52". Daher ist Bosnien mittlerweile ein begehrtes Reiseziel für Eisenbahnenthusiasten geworden.
Banovičis Bahndirektor Hodžić hat dieses touristische Potential erkannt, das sich nicht nur auf "Eisenbahnverrückte" beschränkt. Mittlerweile gibt es auf der Strecke der Kohlebahn auch einen Touristenzug, der von der ungarischen "Dt n2"-Lok gezogen wird, die vor wenigen Jahren von ihrem Sockel vor dem Verwaltungsgebäude in Banoviči runtergeholt und in der bahneigenen Werkstatt wieder hergerichtet wurde.
Ein Anfang ist so gemacht und die Dampfsonderzüge werden für bosnische Verhältnisse professionell vermarktet. Gelingt diese Strategie, hat die Schmalspurbahn von Banoviči vielleicht eine Zukunft über die "Stunde Null" hinaus, wenn der Kohlebergbau grundlegend modernisiert und die anachronistische Kohlebahn der Rationalisierung zum Opfer fallen sollte.
Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV: "Auf schmaler Spur" | 28.05.2010 | 15:30 Uhr