"Superschön" findet Stefanie Kresse von der Geschäftsleitung das Team aus vielen Nationen - es sei eine Werbung für Toleranz und Vielfalt.
"Superschön" findet Stefanie Kresse von der Geschäftsleitung das Team aus vielen Nationen - es sei eine Werbung für Toleranz und Vielfalt. Bildrechte: MDR/Ruth Breer

Eisenach Drei Azubis gesucht, elf bekommen: Wie ein Unternehmen auf Lehrlinge aus Vietnam setzt

05. Oktober 2023, 10:48 Uhr

Ein Eisenacher Gastronomiebetrieb suchte Fachkräfte-Nachwuchs aus dem Ausland. Eigentlich sollten es nur zwei oder drei Lehrlinge sein, doch dann bewarb sich eine ganze Gruppe. Nun hat das Familienunternehmen, das in Eisenach eine Konditorei, ein Eiscafé und ein Restaurant betreibt, elf Azubis aus Vietnam. Dass es geklappt hat, sie alle in den Betrieb zu integrieren und auch zu halten, liegt wohl an einer Mischung aus Organisationstalent, Optimismus und guter Intuition.

Autorenbild Ruth Breer
Bildrechte: MDR/Daniela Dufft

In einem Sprachkurs des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga Thüringen hatte Beate Eichholz einer Gruppe aus Vietnam das Eisenacher Familienunternehmen "Zucker&Zimt“ vorgestellt. Sie hatte darauf gehofft, dass sich einige im Eiscafé oder im Restaurant bewerben würden, die sie gemeinsam mit ihrem Sohn und dessen Lebensgefährtin leitet. Aber dann geschah das Unerwartete: "Auf einmal standen nicht zwei oder drei, sondern alle elf bei uns und haben gesagt: Wir möchten bei Euch anfangen." Alle hätten sie angestrahlt, sagt Eichholz - und dann? Sie hätten kurz überlegt und gesagt: "Wir machen das. Wir kriegen das schon hin."

Gute Ausbildung in Deutschland

Inzwischen sind alle elf angehenden Restaurantfachleute und Köche im zweiten Lehrjahr. Wie Thi Hang Nguyen, 29 Jahre alt. Sie hat in Vietnam Englisch studiert, ihren Bachelor gemacht und auch schon in der Gastronomie gearbeitet. Sie hatte sich wegen der engen Verbindung von Theorie und Praxis in der Ausbildung für Deutschland entschieden. Der Betrieb sei noch besser als erwartet, sagt sie, die Ausbildung richtig gut, Kollegen und Chefs nett. Alles sei so, wie es im Vertrag stehe: acht Stunden Arbeit am Tag, freie Tage und Urlaub. "Ich finde, es ist richtig gut hier."

Das sieht auch Ha Trang Do so. Die 22-Jährige sagt, es gebe viele Arbeitsmöglichkeiten, geduldige und sehr nette Chefs und auch mit den Kollegen lasse sich "sehr schön arbeiten". Sie wohnt in einer Wohngemeinschaft, die das Unternehmen für die Azubis organisiert hat, gemeinsam mit vier anderen.

Unter ihnen ist auch Trung Dung Nguyen. Der 21-Jährige lernt Koch. Warum er nach Deutschland gekommen ist? Er habe Verwandte hier, erzählt er. Sein Deutsch ist noch nicht so gut, aber auch er sagt, er sei "sehr gut zufrieden".

Dehoga unterstützt bei Azubi-Organisation

Der Anfang war nicht ganz einfach: elf Azubis im ersten Lehrjahr, fast alle Anfänger in der Gastronomie, noch dazu mit geringen Sprachkenntnissen. Da gehörte schon etwas Organisation dazu, alle so zu verteilen, dass das bestehende Team nicht überfordert war, sagt Beate Eichhorn, dass jeder nicht mehr als zwei Azubis an seiner Seite hatte. Auch viel Geduld gehörte dazu, Fingerspitzengefühl und die Motivation, alle davon zu überzeugen, dass das zu schaffen sei.

Alle formalen Dinge mit den Behörden habe glücklicherweise die Dehoga geregelt. Bei Sprachproblemen half ein vietnamesisches Paar aus der Belegschaft. Außerdem seien die Übersetzungsprogramme deutlich besser geworden, befindet Stefanie Kresse von der Geschäftsleitung.

Deutsch als Arbeitssprache

Es sei mit den neuen Azubis gleich vereinbart worden, dass Deutsch Arbeitssprache ist, sagt Beate Eichholz. Damit solle Vietnamesisch keineswegs diskriminiert werden, aber bei der Arbeit lernten alle viel besser Deutsch als in der Berufsschule oder an der Volkshochschule. Gerade im Service sind Sprachkenntnisse wichtig. Und tatsächlich, findet Eichholz, haben die Azubis schon große Fortschritte gemacht. Das Unternehmen habe mit ihnen "ein Riesenglück" gehabt.

Werbung für Vielfalt und Toleranz

Man habe immer schon gerne junge Leute aus anderen Ländern integriert, sagt die Geschäftsführerin. Das sei gut für das Team. "Man hat mehr Arbeit, aber man bekommt das wieder zurück im Laufe der Ausbildung." Ohne Mitarbeiter aus dem Ausland könne man die Geschäfte in der Gastronomie nicht mehr aufrechterhalten. Bei "Zucker&Zimt" arbeiten auch Menschen aus Weißrussland, Albanien, Syrien und dem Irak. Für Stefanie Kresse macht dieses bunte Team "Werbung für Vielfalt und Toleranz": Je internationaler, desto besser sei der Arbeitsplatz für künftige Fachkräfte aus dem Ausland. "Jeder findet seinen Platz, wir sind eine große Familie, eine große internationale Gemeinschaft hier im Betrieb - finde ich superschön."

Inzwischen weniger Heimweh

Ist es für die Azubis nun eher Vorteil oder Nachteil, dass sie gleich so viele aus Vietnam sind? Beides, meint Hang. Der Nachteil sei, dass sie untereinander häufig Vietnamesisch sprächen. Zum anderen bewahren sie so auch einen "Teil vom Heimatland". Das gefällt auch Trang. Sie habe inzwischen schon viel weniger Heimweh als am Anfang. Was sie am meisten vermisst? Das Essen, sagt sie. Inzwischen schmeckt ihr aber auch die deutsche Küche: "Salami gefällt mir sehr gut."

Eigenes Ausbildungsrestaurant

Das Eisenacher Unternehmen "Zucker&Zimt" legt viel Wert auf regionale und Bio-Produkte. Im Restaurant am Markt gab es schon vor vielen Jahren vegetarische und auch vegane Gerichte. Die eigene Eismanufaktur stellt selbst veganes Schokoladen- und Haselnuss-Nougat-Eis her. Zum Unternehmen gehören auch eine Konditorei, die derzeit wegen Personalmangels nicht geöffnet ist, und ein Eiscafé. Die gesamte Rathaus-Seite des Eisenacher Marktplatzes gehört gastronomisch zum Familienbetrieb.

Ob Koch oder Restaurantfachleute - in der Küche helfen alle mal aus. Das Unternehmen bietet viele verschiedene Abteilungen.
Ob Koch oder Restaurantfachleute - in der Küche helfen alle mal aus. Das Unternehmen bietet viele verschiedene Abteilungen. Bildrechte: MDR/Ruth Breer

Zwischen Restaurant und Eiscafé liegt die "Kombüse", ein kleines Ausbildungsrestaurant, das möglichst eigenständig von den Azubis betrieben wird. Im Angebot für eiligere Gäste sind jeden Monat vier verschiedenen Gerichte, die auch mitgenommen werden können. Zehn Sitzplätze drinnen, drei große Tische draußen. Die angehenden Restaurantfachleute helfen beim Zubereiten der Speisen - die Köche müssen auch mal kassieren oder servieren. Das funktioniere prima, sagt Beate Eichholz. Wer will, kann auch ein Praktikum in der Eisherstellung machen oder in der Konditorei-Backstube.

Wegziehen oder bleiben?

Eine vielseitige Ausbildung, die fit macht für den Arbeitsmarkt - und was dann? Die Geschäftsführerin weiß: Junge Leute zieht es in große Städte. Das trifft aber nicht auf alle zu. Hang würde lieber in einer kleineren, ruhigeren Stadt arbeiten. Und auch Dung findet, in Berlin lebten zu viele Menschen, "nicht gut für mich". Vielleicht bleiben tatsächlich einige von den elf in Eisenach. Beate Eichholz würde sich freuen, wenn sie zu einer "Säule" im Unternehmen werden könnten.

Im Winter beschäftigt "Zucker&Zimt" 40 bis 45 Menschen, Azubis eingerechnet. In der Sommersaison, wenn auch die große Außengastronomie versorgt werden muss und die Menschen vor dem Eisgeschäft Schlange stehen, sind es bis zu 80 Köpfe im Team. Auch in Zukunft wird das Unternehmen deshalb weiter nach Nachwuchs aus dem Ausland suchen. Und was sagen sie, wenn sich wieder mal elf aus einem Land auf einmal bewerben? Beate Eichholz lacht. "Kommt rein. Kommt rein, wir unterhalten uns und schauen, was geht."

MDR (rub/dr)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 04. Oktober 2023 | 19:00 Uhr

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