Reisebranche Touristen kommen trotzdem - wenn die Angebote stimmen und die Qualität
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11. September 2024, 11:41 Uhr
Muss die Thüringer Tourismusbranche nach dem Wahlerfolg der AfD um ihr Geschäft fürchten? Beim Branchentreff "Destinationstag" wird klar, dass politische Konstellationen nicht das zentrale Problem für Gastgeber sind.
Zum sogenannten Destinationstag hatte die Thüringer Tourismus GmbH nach Jena eingeladen. "Destination" ist eigentlich ein englisches Wort für Reiseziel und meint eine Stadt oder ein Land, zu dem in diesem Fall auch Ausflugsziele, Gastronomie oder kulturelle Angebote gehören. Quasi eine Art Gesamtpaket, das es lohnt, zu buchen.
2023 knapp zehn Millionen Touristen in Thüringen
Knapp zehn Millionen Übernachtungen haben Gäste aus dem In- und Ausland im vergangenen Jahr gebucht. Das ist noch etwas unter dem Vor-Corona-Niveau von 2019. Doch der Chef der Thüringer Tourismus GmbH (TTG), Christoph Gösel, ist sicher, die 10-Millionen-Marke in diesem Jahr zu knacken.
Vereinzelt gibt es jedoch Befürchtungen, dass Ungemach droht wegen des Wahlerfolgs der AfD. Ein Workshop trägt den Titel "Gästegewinnung in Zeiten des Rechtsrucks". Und tatsächlich, die Inhaberin eines Hotels in einer kleinen Thüringer Stadt weiß zu berichten, sie sei am Tag nach der Wahl von einer Frau aus Westdeutschland, die in ihrem Haus übernachtet habe, wegen des Wahlergebnisses beschimpft worden.
Experte: Starkes positives Narrativ der politischen Lage entgegensetzen
Von einzelnen Absagen bei Reisen ist auf dem Treffen die Rede. Doch größere Einbrüche erwartet aus politischen Gründen niemand. Und auch Andreas Reiter aus Wien, der besagten Workshop leitet, beruhigt. "Ich glaube das überhaupt nicht", sagt er. Thüringen habe so wunderbare Dinge zu bieten. Kultur, Natur, herzliche Menschen. Man müsse dieser "allgemein politisch brisanten Lage, nicht nur in Ostdeutschland, sondern auch in Teilen Europas, ein starkes positives Narrativ entgegensetzen. Eine Gastgeberkultur, wie es sie eben nur in Thüringen gibt." Im österreichischen Bundesland Vorarlberg etwa sei das gelungen.
Also nicht so sehr eine Kampagne wie "Weltoffenes Thüringen". Reiter sagt: "Da konzentriert man sich sehr defensiv darauf, wir sind die Guten, wir sind gar nicht so, wie ihr glaubt. Von diesem Narrativ müssen wir völlig weg". Das sei eher etwas für die Standortwerbung oder für Unternehmensansiedlungen.
Das Produkt überzeugt, wenn es gut ist. Die Serviceorientierten, die Einladenden, die Gastfreundlichen. Das sind die erfolgreichen Akteure am Markt.
Im Tourismus müsse man hin zu einer positiven Erzählung, die bis hinunter in die Betriebe ausgerollt werden könne. "Wir können gestalten, selbstwirksam. Sonst ist man immer in der Defensive." Im kleineren Kreis und ohne Scheu, namentlich zitiert zu werden, wird schnell klar, dass das Problem für den Tourismus nicht politische Einstellungen sind.
Restaurant trotz Nachfrage geschlossen
Im Kreis der Praktiker ist zu hören, seit Corona sei die Grundstimmung in vielen Betrieben schlechter geworden, es hapere mitunter auch an Grundtugenden wie Freundlichkeit oder Zuverlässigkeit. "Ich habe für Hotelgäste extra in einem Gasthof angefragt, ob geöffnet ist, und angekündigt, dass Gäste von mir kommen", berichtet eine Inhaberin. Und dann sei das Restaurant doch geschlossen gewesen. Auf telefonische Nachfrage am nächsten Tag habe es geheißen, es sei zu wenig los gewesen, da habe man zugemacht.
Reise-Entscheidungen beruhen auf persönlichen Beziehungen
Solche Negativerfahrungen schaden auch anderen Gastronomiebetrieben oder Hotels im Umfeld, weiß auch TTG-Chef Gösel: "Das Produkt überzeugt, wenn es gut ist. Die Serviceorientierten, die Einladenden, die Gastfreundlichen. Das sind die erfolgreichen Akteure am Markt. Das sind die, die wir als Beispiel erzählen müssen." Wie solche erfolgreiche Arbeit stärker auf andere ausstrahlt, auch darüber diskutierten die Teilnehmer. Gösel sagte: "Da muss man Woche für Woche, Tag für Tag dran arbeiten. eine gleichbleibend hohe Qualität anzubieten."
Vielen Touristen ist die Regierung egal
Tatsächlich war dem Referat des Schweizer BWL-Professors und Tourismus-Experten Pietro Beritelli zu entnehmen, dass Reise-Entscheidungen in den meisten Fällen auf persönliche Beziehungen wie Verwandtschaftsbesuche oder Tipps von Freunden oder Familie zurückgehen - und die Vermarktungs-Instrumente von Reisezielen wie Thüringen erst dann so richtig greifen würden, wenn die Menschen hier sind und Empfehlungen dafür bräuchten, was sie am nächsten Tag oder bei schlechtem Wetter unternehmen könnten.
Politische Konstellationen hingegen seien nicht prägend für eine Reise-Entscheidung, findet auch Reiter. "In Österreich ist die FPÖ als extrem rechte Partei seit vier Jahrzehnten immer wieder in unterschiedlichen Konstellationen an der Macht beteiligt", sagt er. Ebenso gebe es derartige Regierungsbeteiligungen in Polen, Italien oder Teilen Frankreichs, wo extrem rechte Parteien gewählt würden - und Touristen kämen trotzdem. Wenn die Angebote stimmten. Und die Qualität.
MDR (co)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | THÜRINGEN JOURNAL | 10. September 2024 | 19:00 Uhr
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