Erfurt | Magdeburg | Quedlinburg Von Thüringen nach Sachsen-Anhalt: Querdenker-Pfarrer übernimmt neue Kirchgemeinde
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29. Oktober 2023, 14:13 Uhr
Ein Auftritt von Pfarrer Martin Michaelis 2021 auf einer Corona-Demo in Sonneberg hatte zu Empörung geführt. In der Folge hatte er den Rückhalt in mehreren Gremien verloren - zuletzt im Pfarrverband. Künftig soll er als Pfarrer in Sachsen-Anhalt arbeiten, wie er selbst ankündigte.
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- Der umstrittene Pfarrer Martin Michaelis hat eine neue Kirchengemeinde.
- Er ist weiterhin in Querdenker-Kreisen aktiv.
- Das Landeskirchenamt verfolgt seine Aktivitäten aufmerksam, Michaelis selbst hat den Rückhalt in vielen Gremien verloren.
Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) will den in Querdenker-Kreisen aktiven Pfarrer Martin Michaelis wieder als Gemeindepfarrer einsetzen. EKM-Personaldezernent Michael Lehmann teilte MDR THÜRINGEN auf Anfrage mit, es gebe entsprechende Verhandlungen mit einem Kirchenkreis und Gemeindekirchenräten.
Martin Michaelis selbst sagte MDR THÜRINGEN, er freue sich, zum 1. November 2023 den Pfarrbereich Gatersleben in Sachsen-Anhalt, nahe seines Wohnortes Quedlinburg, zu übernehmen.
Bald Gemeindepfarrer in Sachsen-Anhalt
Martin Michaelis war in der Vergangenheit viele Jahre Pfarrer in Steinach im Landkreis Sonneberg gewesen. Da er jedoch zuletzt als Personalvertreter bei der EKM die Pfarrschaft in Berufsfragen vertrat, betreute er mehrere Jahre keine Kirchgemeinde.
Während der Covid-Pandemie hatte er viel Kritik auf sich gezogen und Rückhalt in der Pfarrschaft und der EKM verloren. Er hatte sich öffentlich gegen staatliche und kirchliche Infektionsschutzregeln positioniert, unter anderem mit offenen Briefen. Auch stellte er sich gegen das EKM-Kirchenparlament, das Impfen zur Pandemiebekämpfung in einem Beschluss mehrheitlich als "aktive christliche Nächstenliebe" bezeichnet hatte.
Am 5. Dezember 2021 hatte Michaelis in Sonneberg während einer damals unzulässigen Demonstration gesprochen, bei der kaum einer der rund 1.000 Teilnehmer eine Schutzmaske getragen hatte. Auch hatte es keine Absprache mit regionalen Kirchenvertretern gegeben, die einen Auftritt zuvor abgelehnt hatten.
Michaelis hatte in seiner Andacht die Wirksamkeit von Coronaschutz-Impfungen, Schutzmasken und Infektionsschutzregeln in Zweifel gezogen und zum Widerstand aufgerufen. Das hatte für viel Aufsehen und Empörung gesorgt.
Michaelis war aus Kirchenkreisen vorgeworfen worden, bei diesem und weiteren öffentlichen Äußerungen nicht deutlich gemacht zu haben, dass er nicht in seinen Funktionen als Vertreter der Pfarrschaft oder der Landeskirche gesprochen hatte.
Bis heute spricht Michaelis nach MDR THÜRINGEN-Informationen immer wieder auf Kundgebungen, Veranstaltungen und in Onlinevideoformaten des Querdenker-Milieus.
Michaelis: "Habe nichts falsch gemacht"
Michaelis selbst sagte MDR THÜRINGEN, er sei bei Auftritten mit seinen Funktionen vorgestellt worden, habe sich aber "stets nur als Christ und Pfarrer" geäußert und nicht im Namen von anderen. "Das habe ich klar und deutlich gesagt." Er habe auch rückblickend "nichts falsch gemacht und würde unter den selben Voraussetzungen wieder genauso handeln".
Ich muss davon ausgehen, dass gegen mich auch Lügen eingesetzt wurden.
In der Corona-Zeit sei nach seinem Empfinden Menschen massiv Unrecht geschehen und er wolle sich für Menschen einsetzen, die unter Druck stehen, so Michaelis. Aus seiner Sicht habe sich gezeigt, dass ihm rechtlich nichts vorgeworfen werden könne. "Ich muss davon ausgehen, dass gegen mich auch Lügen eingesetzt wurden."
Auch ein Disziplinarverfahren der EKM habe keine Verfehlungen festgestellt. Die EKM bestätigte die Einstellung eines Disziplinarverfahrens, ohne Ergebnisse zu nennen.
Pfarrer weiter aktiv in Querdenker-Gruppierungen
"Zur EKM habe ich ein sehr gespaltenes Verhältnis, aber ich bin und bleibe Pfarrer", sagte Martin Michaelis. Es müsse aus seiner Sicht viel aufgearbeitet werden, was den Umgang mit ihm, aber auch generell die Rolle der Kirche in der Coronakrise betreffe. Zwischenzeitlich habe er der EKM vorgeschlagen, das wissenschaftlich auf einer kirchlichen Forschungsstelle zu tun.
Da das nicht zustande gekommen sei, werde er dem "Versagen der Kirche" weiter selbst nachgehen. Er werde zu vielen Veranstaltungen eingeladen und rede darüber. Michaelis sagte MDR THÜRINGEN, er sei zudem unter anderem bei den Gruppierungen "Ärzte für Aufklärung" und beim "Netzwerk Kritische Richter und Staatsanwälte" (KRiStA) beratend aktiv.
Die Vereinigungen sind der Querdenker-Szene zuzuordnen und haben immer wieder Verschwörungmythen und wissenschaftlich nicht gestützte Behauptungen verbreitet. Mitgründer von KRiStA ist der Weimarer Familienrichter, der, ohne zuständig zu sein, die Maskenpflicht an zwei Weimarer Schulen hatte aufheben wollen und deshalb wegen Rechtsbeugung zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden ist. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
EKM verfolgt Aktivitäten der Pfarrer aufmerksam
EKM-Personaldezernent Michael Lehmann sagte MDR THÜRINGEN: "Die Auftritte und Wortmeldungen von Martin Michaelis haben in unserer Kirche Irritationen, aber keine Unruhe ausgelöst".
Zudem verweist Lehmann auf das Pfarrdienstgesetz: "Pfarrerinnen und Pfarrer haben folglich alles zu unterlassen, was den Zusammenhalt innerhalb der Kirche oder den Dienst anderer Pfarrerinnen und Pfarrer erschweren kann. Daran ist auch Pfarrer Martin Michaelis gebunden. Das Landeskirchenamt als personalführende Stelle verfolgt die Aktivitäten von Pfarrer Martin Michaelis wie die aller Pfarrerinnen und Pfarrer in der EKM aufmerksam." Und weiter: "Kritische Anfragen, die die EKM erreichen, sind uns Anlass zum Gespräch."
Rückhalt in Gremien und Vereinen verloren
Pfarrer Martin Michaelis hat aufgrund seiner Auftritte und seinem Verhalten während der Pandemie den Rückhalt in mehreren Gremien verloren, in denen er bis dahin aktiv war. So hat ihn die Pfarrergesamtvertretung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) im März 2022 von seinem Amt als Vorsitzender entbunden.
Darüber hinaus hatte sich der Vorstand des Thüringer Pfarrvereins von Martin Michaelis, ihrem Vorsitzenden, distanziert und von viel Kritik von Pfarrern und auch Vereinsaustritten aufgrund von Michaelis öffentlichen Autritten berichtet. Eine gemeinsame Vorstandsarbeit kam praktisch nicht mehr zustande.
Dass Martin Michaelis das Vertrauen der Pfarrschaft verloren hatte, zeigte sich im April 2022, als die Mitgliederversammlung ihn mit deutlicher Mehrheit als Vorsitzenden der Berufsvereinigung abwählte. Bis dahin war Martin Michaelis seit 2003 von den Pfarrern immer wieder zum Vorsitzenden des Thüringer Pfarrvereins gewählt worden.
Der Thüringer Pfarrverein vertritt rund 600 der 1.000 Pfarrer der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands. Ende August 2022 schied Martin Michaelis zudem turnusmäßig aus der Pfarrvertretung der EKM aus, dessen Vorsitz er inne gehabt hatte. Bei den regulären Neuwahlen hat Michaelis laut EKM weder kandidiert, noch wurde er vorgeschlagen.
Pfarrverband verändert Satzung
Ende September 2023 ist Martin Michaelis zudem aus dem Vorstand des Verbandes evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland ausgeschieden. Der Verband ist die Dachorganisation der 20 bestehenden regionalen Pfarrvereine.
Laut dem Verband stand Michaelis nicht wieder zur Wahl. Zudem hat der Verband eine neue Satzung erarbeitet, die die Mitgliederversammlung im September verabschiedet hat. Zukünftig dürfen in den Verbandvorstand nur noch Mitglieder gewählt werden, die auch dem Vorstand eines regionalen Pfarrvereins angehören. Sofern sie aus dem Vorstand des regionalen Pfarrvereins ausscheiden, müssten sie künftig auch den Verbandsvorstand verlassen.
Hätte diese Regelung bereits gegolten, hätte Martin Michaelis den Verbandsvorstand bereits nach der Abwahl im Thüringer Pfarrverein im Frühjahr 2022 verlassen müssen.
MDR (kah, dvs)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 29. Oktober 2023 | 12:00 Uhr
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