Queer Erster CSD in Sonneberg: Ein Zeichen von Mut und Vielfalt
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21. Juli 2024, 14:37 Uhr
Am Sonnabend zogen mehr als 600 Menschen beim ersten CSD durch das südthüringische Sonneberg. Die Stadt steht unter besonderer Beobachtung wegen des bundesweit ersten AfD-Landrats; Veranstalter und Polizei waren zudem nicht sicher, ob es zu Störungen oder Angriffen durch Gegner freier Lebensentwürfe kommen würde. Doch der bunte Zug verlief ohne Probleme unter der knallenden Sonne Südthüringens.
Sonneberg, die idyllische Kleinstadt im Süden Thüringens, hat in letzter Zeit vor allem durch die Wahl des AfD-Politikers Robert Sesselmann zum Landrat Schlagzeilen gemacht. Eine Entwicklung, die auch gesellschaftliche Gegenkräfte mobilisiert. Deswegen hat die queere Community am Sonnabend den ersten CSD in Sonneberg organisiert.
Wir wollen aufzeigen, dass queere Menschen keine Bedrohung sind. Jeder Mensch soll auf jeden Fall in Vielfalt, in Freiheit, in Solidarität zusammenleben.
Die Stimmung unter den Ordner*innen, eine Stunde vor Beginn des Zuges, ist freudig aber auch ein wenig mulmig: Man weiß noch nicht, wie viele kommen und ob es möglicherweise Störungen durch Rechtsextreme gibt, wie es auch in anderen Städten schon vorkam. Schließlich ist Sonneberg eine AfD-Hochburg und nach Angaben der Aktivisten haben Gewaltakte gegen queere Menschen seit der Wahl des AfD-Landrats zugenommen.
Was ist der Christopher Street Day? [Zum Aufklappen]
Der Christopher Street Day ist ein weltweit gefeiertes Ereignis, das seinen Ursprung in den Stonewall-Aufständen von 1969 in New York hat. Diese Aufstände waren ein Wendepunkt im Kampf für die Rechte von LGBTQ-Menschen und markierten den Beginn der modernen LGBTQ-Bewegung. Heute steht der CSD für die Feier der Vielfalt, den Stolz auf die eigene Identität und den anhaltenden Kampf gegen Diskriminierung und Ungerechtigkeit. LGBTQ ist die Abkürzung für "lesbisch, schwul, bisexuell, transgender und queer".
Veranstalter gibt sich mutig - hat aber auch Sorgen
Medien sind reichlich gekommen - ein gutes Zeichen, sagt der Veranstalter, Frederic Forkel. Auch die Vorberichterstattung über das Ereignis habe viele Menschen mobilisiert. "Wir wollen ein Zeichen setzen", sagt der junge Mann, aber auch: "Wir werden sehen, wie es wird", mit Blick auf die befürchtete Gewalt von Gegnern.
Langsam füllen sich die Schattenflächen unter den Bäumen mit der bunten Teilnehmerschaft, denn die Sonne knallt unerbittlich an diesem Tag in Sonneberg. Eine Familie wird interviewt, ein älteres Ehepaar mit seinem trans* Kind, dem sie dankbar sind, dass es ihre Augen geöffnet habe für die Vielfalt des Lebens.
Was bedeutet trans*?
Trans* bezeichnet den Widerspruch zwischen dem selbst erlebten Geschlecht und der bei Geburt zugeschriebenen Geschlechtszugehörigkeit. Die Bestimmung der Geschlechtszugehörigkeit kann nur über die Selbstbeschreibung erfolgen.
Trans*-Sein ist keine Krankheit, sondern eine Variante geschlechtlicher Vielfalt. Trans* ist auch keine Variante der sexuellen Orientierung. Bei der sexuellen Orientierung geht es um sexuelle Attraktivität und Präferenzen, bei trans* geht es um die geschlechtliche Identität eines Menschen. Trans*Menschen können, wie alle anderen Menschen auch, hetero, homo-, bi- oder auch asexuell sein.
Mehr Menschen beim CSD in Sonneberg als erwartet
Der Bahnhofsplatz in Sonneberg, von dem aus der Umzug startet, ist auch Parkplatz und nicht einmal gesperrt an diesem Tag. Als dann zwei Transporter kommen, einer vom DGB mit zwei Lautsprechern auf dem Dach, raffen sich die Leute auf und versammeln sich auf dem Platz.
Dann geht es los. Freundlich geleitet von der Polizei, die sicherheitshalber auch drei Kolleginnen und Kollegen dabei hat, die sich um Kommunikation mit etwaigen Störern kümmern könnten. 630 Menschen beim Umzug, zehn schon am Zielort, dem Piko-Platz, teilt ein Polizist vor Ort mit. Deutlich mehr als die 250 Menschen, die Veranstalter Forkel angemeldet hatte.
Keine Störer oder Gegendemonstranten
Dann setzt sich der Zug in Bewegung. Das Ganze hat mehr Demo-Charakter, als dass es eine Parade ist, es sind ja auch keine Motivwagen dabei. Entsprechend werden auch vielfach Sprechchöre angestimmt. Laut und bunt ziehen die Menschen durch die Straßen - Störer sind keine zu sehen.
Wenn die friedlich und miteinander sich hier treffen und ihren Spaß haben, ist das doch in Ordnung.
Einige Passanten fremdeln sichtlich mit dem Umzug, andere, auch Anwohner, gucken sich ihn an, manche klatschen. "Wenn die friedlich und miteinander sich hier treffen und ihren Spaß haben, ist das doch in Ordnung", sagt eine Passantin. Einem anderen Sonneberger sind die Demonstranten aber suspekt: "Schwule und Lesben, damit haben wir nichts zu tun. Wir haben hier einen AfD-Landrat und der macht seine Arbeit gut."
Während sich der Zug weiter seinen Weg durch die Straßen bahnt, wirbeln Fotografen und Kameraleute um die bunte Truppe herum, auf der Suche nach den eindrucksvollsten Motiven. Auch die Polizei nimmt keine Gegenproteste wahr, spricht von einer friedlichen Veranstaltung.
Das Ganze klingt auf dem Piko-Platz aus und wird um 18 Uhr beendet. Das allerdings aus Sicherheitsgründen, denn schon oft wurden Teilnehmer solcher Veranstaltungen auf dem Nachhauseweg attackiert.
Nach dem ersten CSD in Sonneberg
Sonneberg, bekannt für seine traditionsreiche Spielzeugindustrie und wegen des ersten AfD-Landrats, ist kein Hotspot der LGBTQ-Community. Gerade deswegen war der erste CSD in Sonneberg ein Zeichen für Freiheit, Vielfalt und gegenseitigen Respekt in einer Zeit, in der Betroffenen auch Hass und Diskriminierung entgegenschlagen.
Wir haben hier Morddrohungen, wir haben hier immer wieder enorme Gewalt. Dass ein AfD-Landrat hier gewählt worden ist, ist ein Zeichen, dass wir uns dagegen zusammen, überparteilich, als Zivilgesellschaft zusammensetzen müssen.
Laut Forkel seien die Teilnehmer zum großen Teil aus Sonneberg und der Region gekommen, doch es gab auch Unterstützer, die aus Leipzig oder Berlin anreisden. Als Veranstalter will er den Schwung nutzen und zukünftig einen queeren Stammtisch begründen und vielleicht in Zukunft sogar Workshops anbieten. Ihm ist es wichtig klarzumachen, dass die bunten Lebensentwürfe keine Bedrohung darstellen.
CSD am Samstag auch in Altenburg Den dritten Christopher Street Day haben am Samstag mehrere Hundert Menschen in Altenburg gefeiert. Laut Polizei wurden mehr als 300 Teilnehmer gezählt. Unter dem Motto "Für ein weltoffenes Thüringen" zogen sie vom Bahnhof zum Marktplatz. Man habe ein Statement gesetzt, gerade vor den Landtagswahlen, so die Organisatoren. Queere Rechte seien Menschenrechte. Unterstützt wurde die Veranstaltung vom US-Generalkonsulat in Leipzig sowie von der Amadeo Antonio Stiftung.
MDR (lou/dr/ask)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 20. Juli 2024 | 19:00 Uhr
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