Industrie Der Winter danach: Südthüringer Unternehmen und die Energiewende
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07. Dezember 2023, 10:44 Uhr
Wegen der Energiekrise und Gasknappheit hat die Thüringer Wirtschaft längst erkannt, dass sie nachhaltiger werden muss. Doch die große Energie-Umstellung hat gerade erst begonnen. So auch in Südthüringen.
Es ist 2023 und der Winter ist zurück. Deutschland hat in den vergangenen Tagen mit dem Schnee gekämpft, viele Flugzeuge blieben am Boden und Züge in den Bahnhöfen. Gleichzeitig laufen die Heizungen wieder und die Gasspeicher sind prall gefüllt. Sie scheint fast vergessen - die Gaskrise des vergangenen Jahres. Dabei gab es im Herbst 2022 kaum ein drängenderes politisches Thema.
Putins Krieg gegen die Ukraine und das fehlende russische Pipeline-Gas führten zu enorm hohen Preisen. Viele Menschen hatten Angst vor kalten Wohnungen. Und auch Unternehmen warnten vor einer drohenden Schließung: von kleinen Bäckerein bis hin zu großen Fabriken. Wurden die Probleme der Gaskrise übertrieben dargestellt und am Ende heißer gekocht als gegessen?
Die Suche nach Strom
Nein, es war ernst im vergangenen Jahr, sagen Florian Schebitz und Gordon Bittig. Sie leiten die Feintechnik GmbH in Eisfeld, die zur amerikanischen Firma Harry's gehört. Am Standort in Eisfeld werden Rasierer hergestellt. Aber im Herbst 2022 stand tatsächlich auf der Kippe, ob die Produktion weiterlaufen kann.
Ausgerechnet in der Energiekrise lief der Stromvertrag des Rasierklingenherstellers aus. Und ein neuer Vertrag war nicht in Sicht. Kein Energieversorger wollte das Risiko eingehen, dem Unternehmen in dieser unsicheren Lage einen langfristigen Strompreis anzubieten. Am Ende kam doch ein Vertrag zustande: mit dem städtischen Energieversorger SÜC aus dem benachbarten Coburg.
Solarzellen und Gasflaschen
Die Energiekrise im letzten Jahr hat zu einem Umdenken geführt.
Der Strom fließt wieder im Rasierklingenwerk. Das heißt aber nicht, dass alles so läuft wie vorher. Das Erdgas, das bei Harry's vorher in der Produktion zum Einsatz kam, wurde durch Gas aus der Flasche ersetzt.
Geschäftsführer Florian Schebitz ergänzt: "Die Energiekrise im letzten Jahr hat zu einem Umdenken geführt. Sonst hätten wir ja nie darüber nachgedacht, dass wir Erdgas aus der Produktion verbannen. Wir haben jetzt einen Hallenneubau, wo wir Solarpanels haben. Da diskutieren wir natürlich: Wollen wir Solar noch weiter ausbreiten?"
Tatsächlich stehen die Solarmodule schon auf dem Werkshof. Anfang nächsten Jahres sollen sie zusammen mit der neuen Fabrikhalle in Betrieb gehen. Dabei geht der Sonnenstrom nicht erst ins Netz, sondern direkt in die Produktion. Das Werk kann sich also ein Stück weit selber mit Energie versorgen.
Die größere Krise: Klimawandel
So schwierig die Energiekrise auch war und ist: Sie zwingt viele Unternehmen zu einer Veränderung, die durch eine viel größere Bedrohung notwendig wird: den Klimawandel. Gerade sitzen Entscheider aus der ganzen Welt in Dubai auf der Klimakonferenz COP28.
Sie sprechen darüber, wie die Erderwärmung soweit begrenzt werden kann, dass unser Leben auf dem Planeten Erde gesichert ist. Es sind riesige Fragen, die sich aber bis ins Kleinste auswirken. Denn auch in Südthüringen müssen Unternehmen weniger fossile Energien nutzen.
Südthüringer Besonderheiten
In Südthüringen gibt es viele kleine Industrieunternehmen, die aber häufig viel Energie brauchen. Sie stellen Glas und Keramik her oder verarbeiten Metall wie Harry's in Eisfeld. Wenn man sich in diesen Tagen umhört bei Unternehmen, wird eines klar: In der Richtung sind sich eigentlich alle einig.
Sie wollen weg von den fossilen Energieträgern Kohle, Öl und Erdgas. Manche nutzen schon jetzt die eigene Solarenergie, stellen Glas-Schmelzwannen auf Strom um oder experimentieren mit Wasserstoff als Energieträger. Das klingt heute noch bestimmter als vor einem Jahr in der Gaskrise.
Damals schienen Klimaschutz und Energiesicherheit eher ein Widerspruch zu sein. Auch in der Südthüringer Wirtschaft gab es teils kontroverse Debatten darüber, wie viel russischen Gas man noch braucht und ob Kohlekraftwerke länger am Netz bleiben sollen.
Die Unternehmen nehmen dieses Thema extrem ernst.
Die veränderte Stimmung beobachtet auch der Energie-Experte Peter Bretschneider von der TU Ilmenau. Er meint: "Die Unternehmen nehmen dieses Thema extrem ernst. Das ist auch wichtig, um in den grüner werdenden Lieferketten wettbewerbsfähig zu bleiben." Schließlich fordern Kunden und auch die Politik immer stärker ein, dass die Firmen über ihre Energienutzung Rechenschaft ablegen.
Regeln wie die CSRD-Richtlinie der Europäischen Kommission oder das Lieferkettengesetz der Bundesregierung sollen dafür sorgen, dass Unternehmen immer nachhaltiger wirtschaften. Das ist letztlich auch Teil des Grünen Deals, also dem Plan der Europäischen Union, bis 2050 keine Treibhausgase mehr in die Atmosphäre auszustoßen. Der Weg dahin ist aber extrem herausfordernd.
Personalmangel als weitere Herausforderung
Auch in Eisfeld wird man sich stärker mit Vorgaben zur Nachhaltigkeit beschäftigen müssen. Das tut das Unternehmen Harry's schon jetzt, etwa im Rahmen der Nachhaltigkeits-Zertifizierung ISO 50001. Und auch viele andere Unternehmen sind längst mit diesem Thema beschäftigt. Das Problem: Fachkräftemangel.
Denn eine Firma, die noch genauer über ihre Energienutzung Bericht erstatten will, muss häufig extra Fachpersonal einstellen oder dieses Wissen bei teuren Beratern einkaufen. Florian Schebitz von Harry's meint: "All diese Anforderungen will ich in ihrem Sinn gar nicht hinterfragen. Die sind richtig. Die Art und Weise, wie wir es umsetzen, sind eine wahre Herausforderung."
MDR (jn)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 05. Dezember 2023 | 19:00 Uhr
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