Männer verstärken einen Deich an der Helme
Hochwasser in Thüringen: Männer verstärken einen Deich an der Helme. Bildrechte: Landratsamt Kyffhäuserkreis

Dauerregen Erste Hochwasser-Stufe für sechs Gebiete in Thüringen

04. Januar 2024, 06:56 Uhr

Nach Regenfällen hat sich die Hochwassergefahr an Thüringer Flüssen am Mittwoch wieder verschärft. An sechs Messstellen wurde die erste Hochwasser-Warnstufe erreicht. Im Kreis Gotha war zeitweise die Leina über die Ufer getreten. In Schleusingen im Kreis Hildburghausen wurde eine Flutmulde ausgebaggert. Unterdessen fordert der Naturschutzbund mehr Platz für Gewässer. So sollten nicht für den Schutz von Siedlungen benötigte Deiche zurückgebaut werden.

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Nach Regenfällen sind die Pegelstände an Thüringer Flüssen auch am Mittwoch wieder gestiegen. Nach Angaben der Hochwassernachrichtenzentrale des Landes haben am Mittwochnachmittag sechs Flusspegel im Norden, Süden und Osten von Thüringen die erste Meldestufe überschritten. Dabei geht es konkret um die Pegel

  • der Unstrut bei Oldisleben,
  • der Werra bei Ebenhards und Meiningen,
  • der Nahe bei Hinternah,
  • der Saale bei Rudolstadt und
  • der Schwarza bei Katzhütte.

Die Stadt Schleusingen (Kreis Hildburghausen) hat in ihren vom Hochwasser gefährdeten Ortsteilen weiter vorgesorgt. So wurden etwa in Rappelsdorf eineinhalb Meter hohe Spundwände aus Plastik aufgestellt.

Ein erneutes Tiefdruckgebiet könnte die angespannte Hochwasserlage in Nord- und Südthüringen verschärfen. Für

  • Stadt Suhl,
  • Ilm-Kreis
  • Landkreis Hildburghausen,
  • Landkreis Nordhausen,
  • Landkreis Saalfeld-Rudolstadt,
  • Landkreis Schmalkalden-Meiningen und
  • Landkreis Sonneberg


sind auch für Mittwoch anhaltende und ergiebige Regenfälle vorhergesagt. Die Hochwassernachrichtenzentrale des Landes Thüringen hatte vor Hochwasser insbesondere im Norden Thüringens sowie im Südosten gewarnt. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hat eine Unwetterwarnung dazu herausgegeben. Sie gilt voraussichtlich bis Donnerstag:

Leina tritt im Kreis Gotha über Ufer

In der Nacht zum Mittwoch trat durch den anhaltenden Starkregen der Fluss Leina im gleichnamigen Ort im Landkreis Gotha über die Ufer. Die Leitstelle der Feuerwehr Gotha gab eine Warnung vor Überschwemmung heraus. Inzwischen habe sich die Situation beruhigt, hieß es am Mittwochmorgen. Betroffen war ein Straßenzug mit etwa 25 Gebäuden. Anwohner wurden gebeten, das Gebiet weiträumig zu umfahren.

Bürgermeister Florian Hofmann sagte MDR THÜRINGEN, die Nacht sei glimpflicher ausgegangen als erwartet. Eine Evakuierung Leinas konnte abgewendet werden. Es seien Hochwassersperren errichtet und Sandsäcke geschichtet worden, um zu verhindern, dass Wasser die Keller der Anwohner flutet. Zahlreiche freiwillige Helfer aus dem Ort hätten bei der nächtlichen Aktion mit angepackt. Aufgrund der Regenfälle bleibe die Situation dennoch weiter angespannt.

Helme: Bundeswehr soll THW unterstützen

An der Helme nördlich von Mönchpfiffel-Nikolausrieth im Kyffhäuserkreis und im angrenzenden Landkreis Mansfeld-Südharz bleibt die Lage angespannt. Der Pegel des Flusses blieb in der Nacht zu Mittwoch konstant hoch. Darüber ist auch das Technische Hilfswerk besorgt. THW-Truppführer Martin Hoffmann sagte am Mittwochmorgen, Deiche und Wege seien durch den massiven Regen sehr nass und aufgeweicht. Man wisse nicht, was passiere, wenn es weiter regne. Einsatzkräfte verstärken und sichern die Deiche. Vermutlich ab Freitag sollen dabei auch Bundeswehrsoldaten helfen.

Der Bundeswehr liegt bislang ein Amtshilfe-Antrag des Landkreises Mansfeld-Südharz vor. Eine Sprecherin des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr in Berlin sagte MDR THÜRINGEN am Mittwoch, der Antrag werde derzeit bearbeitet. Es werde "alles dafür getan, dass das auch positiv beschieden wird". Amtshilfeersuchen aus Thüringen liegen der Bundeswehr nach Angaben der Sprecherin bislang nicht vor.

Der Wasserstand der Werra in Südthüringen stieg bereits am Dienstag durch den anhaltenden Regen. Laut Hochwassernachrichtenzentrale erreichte der Pegelstand im Hildburghäuser Ortsteil Ebenhards eine Hochwasser-Vorwarnstufe. Weitere Pegel wie in Eisfeld an der Bahnbrücke könnten im Tagesverlauf ebenfalls den Meldebeginn überschreiten.

Kettenbagger in Schleusingen im Einsatz

In Schleusingen im Kreis Hildburghausen ließ die Stadt im Ortsteil Oberrod mit einem Kettenbagger die Flutmulde ausgebaggern, damit sie mehr Wasser aufnehmen kann. In Rappelsdorf wurden eineinhalb Meter hohe Spundwände aus Plastik aufgestellt.

Laut Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz steigt die Gefahr vor allem an den Flüssen Werra, Saale, Unstrut, Bere und Zorge. Im Südharz und im Thüringer Wald könnten innerhalb von 48 Stunden bis zu 60 Liter Regen pro Quadratmeter fallen, in Staulagen bis zu 80 Liter. Der Deutsche Wetterdienst spricht für den Thüringer Wald von bis zu 55 Liter Regen auf einen Quadratmeter in 24 Stunden bis in die Nacht zum Mittwoch. Hochwasser gefährdet seien die Anrainer von Werra, Nahe und Schleuse.

Erneut Straße bei Eisenach gesperrt

Zum zweiten Mal seit Weihnachten musste nach Angaben der Eisenacher Stadtverwaltung am Dienstagabend die Straße zwischen dem Ortsteil Stedtfeld und der L 1021 wegen Überflutung gesperrt werden. Dort laufe nach Dauerregen erneut Wasser einen Berghang hinunter und kann dann nicht abfließen.

Keine Entwarnung in Nordthüringen - Bahnstrecke gesperrt

Im Kyffhäuserkreis war in den vergangenen Tagen der Pegel der Talsperre Kelbra so stark gestiegen, dass der Abfluss in die Helme erhöht werden musste. Auch weiterhin wird aus der Talsperre viel Wasser abgelassen. Thüringens Umweltminister Bernhard Stengele (Grüne) lobte dabei die Zusammenarbeit mit Sachsen-Anhalt. So funktioniere der Wechsel zwischen Ablassen und Volllaufenlassen des Stausees Kelbra bisher nur so gut, weil beide Länder gut aufeinander abgestimmt seien.

Flussabwärts musste deshalb nördlich von Mönchpfiffel-Nikolausrieth zunächst ein Deich geöffnet werden, um die Pegelstände im Ort abzusenken. Da diese zunächst nicht ausreichend sanken, wurde die Öffnung des Deiches später mehrfach verbreitert und vertieft. Doch auf den umliegenden Feldern steht inzwischen so viel Wasser, dass sich dieses vor allem bei weiterem Regen in den nächsten Tagen flussabwärts stauen und in den Ort drücken könnte.

Fast komplett überflutetes Grünland, aus dem nur noch schmale grüne Streifen ragen sowie eine Baumreihe.
Wasser in die Breite, um die Helme zu entlasten Bildrechte: MDR/Wolfgang Hentschel

Der Krisenstab prüfte am Dienstag, ob der Deichdurchbruch an der Helme noch einmal erweitert wird. Das Material und die Technik dafür stünden bereit, sagte ein Sprecher des Landratsamtes. Am Nachmittag entschied sich der Krisenstab gegen eine weitere Öffnung. Die Lage solle am Mittwoch erneut bewertet werden. Das benachbarte Rieth hat laut Krisenstab eine Fläche von zwölf Quadratkilometern und könne etwa ein Drittel der Wassermenge aus der Talsperre Kelbra aufnehmen.

Auch kritische Stimmen im Ort

In Mönchpfiffel-Nikolausrieth wurde unterdessen Kritik laut. Einige Einwohner hinterfragen, warum die Talsperre Kelbra nicht leer genug gewesen sei, um die Fluten aufzuhalten. Der stellvertretende Bürgermeister Ullrich Pamp fragte zudem gegenüber MDR THÜRINGEN auch, wer den Schaden bezahlt.

Fluss Helme, dessen braunes Wasser nur noch knapp unterhalb der Uferkante in der Nähe der Häuser von Mönchpfiffel-Nikolausrieth steht
Die Helme in Mönchpfiffel-Nikolausrieth - wie sie eher selten zu sehen ist beim Dreifachen des normalen Wasserstands Bildrechte: MDR/Wolfgnag Hentschel

Hochwasser seit Weihnachten in Thüringen

Seit Weihnachten hatten starke Regenfälle in Thüringen zu mehreren Hochwassern geführt. Besonders betroffen war neben Mönchpfiffel-Nikolausrieth im Kyffhäuserkreis der Ort Windehausen im Landkreis Nordhausen, der mehrere Tage unter Wasser stand. Die meisten Bewohner wurden zeitweise in Sicherheit gebracht. Inzwischen wird im Ort aufgeräumt.

Im Landkreis Hildburghausen konnte dank der Feuerwehr und vieler unermüdlicher Helfer eine Überflutung der Orte Oberrod, Ratscher und Rappelsdorf verhindert werden.

Talsperren-Betreiber zuversichtlich

Die Thüringer Fernwasserversorgung sieht die Talsperren und Hochwasserrückhaltebecken für den erwarteten Dauerregen gewappnet. Nach Abebben des Hochwassers über Weihnachten sei etwa aus dem Stausee Ratscher im Thüringer Wald und dem für den Hochwasserschutz im Unstrutraum wichtigen Rückhaltebecken Straußfurt kontrolliert Wasser abgelassen worden, sagte Werkleiter Hans-Dieter Linz am Dienstag auf Anfrage. So habe wieder Stauraum geschaffen werden können. Einen neuralgischen Punkt an den von der Fernwasserversorgung bewirtschafteten Stauanlagen sieht Linz derzeit nicht.

Viele Spenden für Windehausen

In Windehausen im Landkreis Nordhausen gehen unterdessen die Aufräumarbeiten weiter. Der Ortsteil der Stadt Heringen/Helme war zu Weihnachten überschwemmt worden und musste deshalb evakuiert werden. Zur Hilfe für die Einwohner hatte die Stadt ein Spendenkonto eingerichtet, auf dem nach Angaben von Heringens Bürgermeisters Matthias Marquardt (Linke) bislang über 100.000 Euro eingegangen sind. Marquardt sagte MDR THÜRINGEN am Mittwoch, es gebe eine große Bereitschaft zu spenden. Es sei ein ganz tolles Zeichen der Zivilgesellschaft, die Menschen nicht alleine stehen zu lassen. Auch Sachspenden wie Kühlschränke und Kühltruhen würden angeboten.

Marquardt sprach von ein bis zwei Millionen Euro, die nun an Kosten anfallen würden. So gebe es beispielsweise großen Schaden an einem Haus, das sich gesenkt habe. In anderen Häusern müssten Heizungen oder auch komplette Fußböden ersetzt werden. Die Aufräumarbeiten in Windehausen werden voraussichtlich bis Freitag andauern.

Naturschutzbund fordert mehr Platz für Gewässer

Angesichts der anhaltenden Hochwasser in Thüringen hat der Naturschutzbund Nabu mehr Platz für die Gewässer gefordert. So müssten Auen renaturiert und Deiche, die nicht dem Schutz von Siedlungen oder der Infrastruktur dienen, zurückgebaut oder verlegt werden, sagte Marcus Orlamünder, Naturschutzreferent des Nabu Thüringen. Wenn den Gewässern insgesamt mehr Raum gegeben werde, schütze das auch Siedlungen vor Hochwasser. Darüber hinaus fordert der NABU einen landeseigenen Fonds für den Ankauf von Flächen an Gewässern und in Gewässerauen.

MDR (ask/rom/mm/dr)/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 02. Januar 2024 | 07:00 Uhr

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