Bodo Ramelow (Die Linke) sitzt im Thüringer Landtag
Bodo Ramelow im November 2024 im Thüringer Landtag. Bildrechte: picture alliance/dpa | Martin Schutt

2014-2024 Zehn Jahre Ministerpräsident Bodo Ramelow: Eine Bilanz

11. Dezember 2024, 15:23 Uhr

Bodo Ramelow war zehn Jahre lang der erste und einzige linke Ministerpräsident Deutschlands. Was hat seine Amtszeit geprägt und wie blickt Ramelow selbst auf seine Zeit als Regierungschef in Thüringen?

MDR Redakteurin Carmen Fiedler
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Nach der schweren Niederlage seiner Linkspartei bei der Landtagswahl gibt Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow sein Amt weiter - und das scheinbar ohne Bedauern. 68 Jahre ist er alt, nur noch geschäftsführend im Amt. Er sei ein "versteinerter Ministerpräsident", sagte er kürzlich im MDR-Podcast "Wahlkreis Ost". Und: "Ich hoffe, dass die Fee nächste Woche kommt und Bling macht und mich aus der Versteinerung erlöst."

Allerdings hat diese Hoffnung auch Wahlkampfgründe: Ramelow kandidiert gemeinsam mit Gregor Gysi und Dietmar Bartsch als "Mission Silberlocke" für den Bundestag. So soll die Partei über die Direktmandatsklausel im Parlament gehalten werden.

Doch auch wenn er das nicht schaffen sollte: Ramelow hat bereits Geschichte geschrieben. Nachdem er 2014 seine Linke auf 28,2 Prozent bei der Landtagswahl geführt hatte, entschlossen sich SPD und Grüne zur Koalition mit ihm.

2014: Demonstration gegen Ramelow

Das geschah nicht ohne Widerstand. 4.000 Menschen demonstrierten auf dem Domplatz gegen den angeblichen Ausbruch des Sozialismus, unter ihnen der damalige CDU-Generalsekretär Mario Voigt. Doch gegen alle Proteste wurde Bodo Ramelow zum ersten und einzigen linken Ministerpräsidenten Deutschlands gewählt. Nach 24 Jahren an der Macht musste die CDU den Gang in die Opposition antreten.

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Was war Ihr schlimmster Fehler, der peinlichste Moment, Ihre schwierigste Entscheidung? Wir fragen Bodo Ramelow.

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Der Sozialismus brach in Thüringen nicht aus. Stattdessen verwaltete Rot-Rot-Grün das Land und arbeitete die Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag ab. Dazu gehörten ein beitragsfreies Kindergartenjahr, die Abschaffung des Betreuungsgeldes ("Herdprämie") und ein Landesprogramm gegen den Rechtsextremismus.

Dabei half die Konjunktur: Die Landeseinnahmen überstiegen erstmals seit 1990 die Ausgaben. Die Regierung musste nicht sparen; stattdessen wurde mehr als eine Milliarde an Altschulden getilgt. Doch das größte Projekt der neuen Regierung, die Kreisgebietsreform, scheiterte nach hartnäckigen Protesten und vielen Fehlern.

Bodo Ramelows Biografie

Geboren am 16. Februar 1956 in Osterholz-Scharmbeck, verheiratet, 2 Kinder

1970 bis 1973 Berufsausbildung zum Einzelhandelskaufmann (Karstadt AG) in Gießen

1973 bis 1974 Tätigkeit bei Karstadt und Ausbildung zum Substituten

1975 Substitut bei HaWeGe in Marburg Cappel

1975 bis 1977 Erwerb der Fachhochschulreife an der Fachoberschule Marburg

1978 bis 1980 Filialleiter bei der Jöckel Vertriebs GmbH in Marburg

1981 bis 1990 Gewerkschaftssekretär in Mittelhessen, 1990 bis 1999 Landesvorsitzender der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) Thüringen

Seit 1999 Mitglied der PDS, später Die Linke

1999 bis 2005, 2009 bis 2015 und seit 2019 Mitglied des Thüringischen Landtages

2001 bis 2005 Vorsitzender der PDS-Landtagsfraktion und 2009 bis 2014 Vorsitzender der Landtagsfraktion Die Linke, Thüringen

2005 bis 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages und stellvertretender Vorsitzender der Fraktion Die Linke

Vom 5. Dezember 2014 bis 5. Februar 2020 und seit 4. März 2020 Thüringer Ministerpräsident

Mitglied des Bundesrates vom 9. Dezember 2014 bis 5. Februar 2020, erneut seit 4. März 2020

Präsident des Bundesrates vom 1. November 2021 bis 31.Oktober 2022.

(Quelle: Website Bundesrat)

Ramelow bei Thüringern beliebt

Ramelow wurde beliebt. Seine Popularitätswerte stiegen auf 70 Prozent. Zur Landtagswahl 2019 konnte die Linke deshalb noch einmal zulegen und bekam 31 Prozent der Wählerstimmen. Die Partei wurde erstmals stärkste Kraft in einem Landtag.

Bodo Ramelow besichtigt beim Besuch der Gemeinschaft Schloss Tonndorf das Schlosscafe.
Bodo Ramelow 2019 auf Sommertour - hier auf Schloss Tonndorf im Weimarer Land. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Martin Schutt

Doch es gab ein Problem für Ramelow. Die Linke hatte auf Kosten der Partner SPD und Grüne gewonnen. Die Koalition hatte keine Mehrheit im Landtag mehr, andere Mehrheiten jenseits der AfD waren nicht möglich. Nachdem CDU und FDP zu keiner Kooperation mit der Linken bereit waren, gingen die drei bisherigen Koalitionsparteien ins Risiko, um eine Minderheitsregierung zu bilden. Ramelow setzte bei der geheimen Ministerpräsidentenwahl auf Stimmen der CDU.

Schwere Niederlage: Die Abwahl 2020

Und so trat der Ministerpräsident am 5. Februar 2020 erneut zur Wahl an. Ohne Mehrheit. Und das Parlament wählte - mit Stimmen der AfD, CDU und FDP - im dritten Wahlgang Thomas Kemmerich (FDP). Die AfD hatte einen Scheinkandidaten aufgestellt und statt diesen den Liberalen gewählt. Aus heutiger Sicht findet Ramelow diesen Moment "alles in allem absurd".

Thüringen stürzte in eine Regierungskrise, mit Auswirkungen auf ganz Deutschland. Kemmerich musste auf Druck der eigenen Bundespartei zurücktreten.

Die Minderheitskoalition und die CDU-Spitze beschlossen, für ein Jahr zusammenzuarbeiten. Die Vereinbarung sollte bis zur Verabschiedung des Landeshaushalts gelten und nach der Selbstauflösung des Landtags in Neuwahlen im April 2021 münden.

Ramelow stellte sich noch einmal zur Wahl und wurde am 4. März 2020 - dank der Enthaltung der CDU-Fraktion - im dritten Wahlgang abermals Thüringer Ministerpräsident. Doch schon kurz nach der Wiederwahl begann die Corona-Pandemie. Es wurde nur die erste Krise von mehreren: Krieg in der Ukraine, steigende Inflation, explodierende Energiepreise.

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Bodo Ramelow war zehn Jahre lang der erste und einzige linke Ministerpräsident Deutschlands. Politik-Experte Guido Fischer über dessen Amtszeit.

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Kraftakt Minderheitsregierung

Der Schock der Wahl Kemmerichs hatte Ramelow traumatisiert. Der Journalist und Autor Martin Debes schreibt in seinem Buch "Deutschland der Extreme. Wie Thüringen die Demokratie herausfordert" über Ramelow: "Nachdem er unter dramatischen Umständen ab- und wiedergewählt wurde, sind seine Eigenheiten wieder stärker hervorgetreten: seine impulsgesteuerte Wechselhaftigkeit, sein zuweilen cholerisches Wesen, aber auch seine Verletzlichkeit".

Einen "Kraftakt" nennt Ramelow denn auch die Zeit der Minderheitsregierung, die er fünf Jahre führen musste. Denn das Versprechen der Neuwahl löste das Parlament nicht ein. Erst kam die Pandemie dazwischen, dann scheiterte die für die Parlamentsauflösung nötige Zweidrittel-Mehrheit an Abweichlern aus CDU und Linke.

Dennoch ist Ramelow auf die Zeit der Minderheitsregierung stolz: "Was allein in den letzten Monaten noch an Gesetzen beschlossen wurde, das hätte ich nicht für möglich gehalten", sagte er.

146 Gesetze wurden beschlossen

Tatsächlich wurden während seiner zweiten Amtsperiode 146 Gesetze beschlossen. Das entspricht dem Durchschnitt vergangener Wahlperioden. Das Spektrum reicht von einem neuen Kindergartengesetz über die Beteiligung der Kommunen an Windstromerträgen bis zu einem Lobbyregister. Auch eine überarbeitete Bauordnung, ein neues Schulgesetz und das bundesweit erste Ehrenamtsgesetz wurden verabschiedet.

Wenn ich auf das Land schaue, bin ich nicht zufrieden, weil wir bestimmte Sachen bis heute nicht verdaut haben.

Bodo Ramelow

Allerdings dauerte der Gesetzgebungsprozess deutlich länger, Reformen wurden nicht beschlossen. Zudem: Mehrere Anträge, darunter das Gesetz zur Senkung der Grunderwerbsteuer, verabschiedete die Oppositionsmehrheit aus CDU, AfD und FDP - gegen den Willen von Rot-Rot-Grün.

Ramelows eigene Bilanz aus zehn Jahren als Ministerpräsident fällt gemischt aus. "Ich bin mit mir zufrieden, wenn Sie das auf mich als Person beziehen", sagte er dem "Spiegel". "Wenn ich auf das Land schaue, bin ich nicht zufrieden, weil wir bestimmte Sachen bis heute nicht verdaut haben."

Schwierige Entscheidungen und Fehler

Mit dem Unverdauten meint Ramelow die Entscheidungen während der Corona-Pandemie. Mit einigen davon hadert er noch immer. "Wir haben ganz viele Fehler gemacht", sagte er in der Sendung "Maischberger". "Alle Corona-Entscheidungen gehören für mich auf den Prüfstand, denn wir sind in die Rechte der Bürger eingeschritten", sagte er MDR THÜRINGEN.

Nach der Pandemie begann sofort die nächste Krise. Am 24. Februar 2022 überfiel Russland die Ukraine. Zehntausende Ukrainer flohen nach Thüringen, die Inflation stieg, die Energiekrise belastete Menschen und Wirtschaft. Hinzu kamen Personalaffären.

Nachdem die grüne Umweltministerin Anja Siegesmund in der Weihnachtszeit 2022 ihren Rücktritt angekündigt hatte, entschied sich ihre Partei zu einem umstrittenen Neuanfang: Ramelow musste Justiz- und Migrationsminister Dirk Adams gegen dessen Willen entlassen. Nachfolgerin wurde die politisch kaum erfahrene Polizistin Doreen Denstädt, die an der Flüchtlingssituation scheiterte.

Ich werde die Fee vor dem Haupteingang empfangen und eine ordentliche Dienstübergabe machen. Bei mir ist alles vorbereitet, der Schüssel liegt bereit.

Bodo Ramelow Scheidender Thüringer Ministerpräsident

Gemischte Bilanz

Fazit: Die erste Hälfte der Ära Ramelow war durch hohe Einnahmen und Stabilität geprägt. Die zweite Hälfte bestand aus Politikverwaltung und Krisenbewältigung. Es bleiben offene Baustellen, von der Integration über den Lehrer- und Fachkräftemangel bis zur Digitalisierung.

Die höchste Ehre während seiner Präsidentschaft sei gewesen, dass er das Bundesverdienstkreuz in der höchsten Klasse bekommen habe "Das war etwas, womit ich überhaupt nicht gerechnet habe".

Nun wird der einzige linke Ministerpräsident sein Amt übergeben. "Ich werde die Fee vor dem Haupteingang empfangen und eine ordentliche Dienstübergabe machen. Bei mir ist alles vorbereitet, der Schüssel liegt bereit", sagte er dem MDR.

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Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 11. Dezember 2024 | 18:15 Uhr

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