Bildung Streit in Wurzbach: Bürgermeister will Ersatz für "museales" Schulgebäude - Saale-Orla-Kreis verweigert Neubau
Hauptinhalt
18. Oktober 2024, 15:23 Uhr
Seit 2019 gibt es Pläne für einen Neubau der Grundschule in Wurzbach im Saale-Orla-Kreis. Doch der neue Landrat Christian Herrgott (CDU) stellt das Vorhaben plötzlich in Frage. Wurzbachs Bürgermeister Guido Kant-von der Recke (pl) fühlt sich vor den Kopf gestoßen. Jetzt gibt es einen Plan b), aber der schmeckt wiederum nicht allen.
Die Grundschule in Wurzbach liegt am Ortsrand. Sie hat einen Schulhof mit Spielplatz, eine Bushaltestelle und gleich dahinter liegt der Kindergarten. Doch das Schulgebäude ist in die Jahre gekommen. 1987 gebaut, muss es dringend saniert werden.
Bis Anfang der 2000-er Jahre war in dem Gebäude ein Kindergarten untergebracht. Weil aber die Geburtenzahlen sanken, zog 2004 die Grundschule ein, erinnert sich der Bürgermeister von Wurzbach, Guido Kant-von der Recke (parteilos).
Das Schulgebäude hat musealen Charakter.
"Das Schulgebäude hat musealen Charakter", sagt er. Bis auf den Einbau einer neuen Heizung habe es seit damals keine Modernisierungen gegeben. "Durch die maroden Holzfenster aus den 1980-er Jahren zieht es durch."
2019 hatte der Kreistag des Saale-Orla-Kreises deshalb beschlossen, das Schulgebäude zu erneuern. Ein Neubau sollte es werden, auf der Wiese des Festplatzes - fast direkt neben dem bisherigen Schulgebäude. Vom Land Thüringen hatte der Landkreis grünes Licht für Fördermittel in Höhe von 3,16 Millionen Euro bekommen.
Kreistag beschließt Neubau 2019 - Planungen verzögern sich
Die Planungen begannen, doch die Corona-Pandemie bremste das Vorhaben aus. Die geschätzten Baukosten steigen von 4,5 Millionen Euro auf inzwischen 7,12 Millionen Euro. Doch zu den gestiegenen Kosten haben laut Bürgermeister nicht nur infolge des Ukrainekriegs gestiegene Rohstoffpreise beigetragen.
"Das hatte auch damit zu tun, dass der Neubau aufgrund neuer energetischer Standards vom Landkreis noch einmal umgeplant wurde", sagt er. So habe das Landratsamt, nach Beginn des Ukrainekriegs und nach dem Start des Erneuerbare-Energien-Gesetzes umgeplant: Nachträglich wurden ein Wärmerückgewinnungssystem, eine Wärmepumpe und eine Photovoltaikanlage auf dem Dach des neuen Schulgebäudes vorgesehen. Gebaut werden sollte nach modernsten Standards.
Zwischen 150.000 und 300.000 Euro Planungskosten seien mittlerweile bereits ausgegeben worden, schätzt der Bürgermeister. Das Landratsamt habe die Stadt damals außerdem verpflichtet, einen Bach, der unter der Straße zur Schule und der Festwiese verläuft, begutachten zu lassen. Die Stadt habe daraufhin eine sogenannte Befahrung des Bachs veranlasst, der an dieser Stelle durch ein Betonrohr verläuft. "Für rund 10.000 Euro", sagt Bürgermeister Kant-von der Recke. Das Ergebnis: Ein Teil der Rohre sei in einem schlechten Zustand. An zwei Stellen gebe es eine potenzielle Einsturzgefahr.
Stadt sollte erst Rohre für Bachlauf sanieren
Daraufhin schränkte die Stadt die Überfahrt für größere Lkw auf der Straße ein. Würde die Stadt den Bachlauf in fünf bis acht Metern Tiefe komplett sanieren, kämen Kosten von rund 250.000 Euro auf sie zu. Viel Geld für eine Gemeinde mit 3.000 Einwohnern, die sich in der Haushaltssicherung befindet.
Die Stadtverwaltung lässt deshalb zuerst nur die wichtigsten Reparaturarbeiten machen, nämlich am Einlauf unterhalb der Straße und am Ablauf unterhalb der Wiese. "Allein das wird uns bis zu 180.000 Euro kosten", sagt Kant-von der Recke.
Schule sollte mit Seniorenheim fusioniert werden
Doch nicht nur deshalb zogen sich die Planungen in die Länge. 2023 kam außerdem das Unternehmen Exsos auf die Stadt zu, das in Wurzbach eine Seniorenwohnanlage mit 48 Plätzen bauen wollte. Das Unternehmen, das solche Anlagen schon in anderen Orten gebaut hat, hatte Wurzbach analysiert und für den Ort Bedarf gesehen.
Auf Kosten der Firma sei der Bauplan für das Schulgebäude noch einmal geändert worden, sagt der Bürgermeister. "Geplant wurde jetzt ein Campus der Generationen. Die Grundschule und das Seniorenheim hätten gute Synergieeffekte gehabt“, meint er. "Das wäre ein tolles Projekt geworden. Die Schule hätte einen nahen Bezug zu den älteren Menschen gehabt, man hätte gemeinsame Projekte zwischen Jung und Alt entwickeln können."
CDU-Landrat will Sanierung statt Neubau
Anfang 2024 seien dann alle Planungsunterlagen an das Landratsamt in Schleiz geschickt worden. "Aus dem Landratsamt hat es dann lange keine Antwort gegeben", sagt der Bürgermeister. Anfang September sei es dann auf einmal ganz schnell gegangen. Der Bürgermeister und die Schulleiterin der Grundschule erhielten kurzfristig eine Einladung von Landrat Christian Herrgott von der CDU.
Ich habe mich ziemlich überrumpelt gefühlt.
"Uns wurde erklärt, dass der Neubau nicht mehr zum Thema steht, und dass man sich wohl für eine Sanierung entscheiden wird", sagt Kant-von der Recke. "Ich habe mich ziemlich überrumpelt gefühlt."
Der Landrat begründete den Schritt zuletzt öffentlich Mitte September in einer Kreistagssitzung unter anderem mit gestiegenen Baukosten. Für einen Schulneubau würden die Fördergelder des Landes nicht mehr ausreichen. Das Land würde höchstens fünf Millionen Euro Fördergelder bereitstellen.
Außerdem dränge die Zeit, so der Landrat, weil die vom Land zugesagten Fördergelder im kommenden Jahr auslaufen könnten. Dann müssten neue Fördergelder beantragt werden - ein zeitaufwendiges Verfahren. Herrgott sagte, er halte deshalb eine Sanierung der Grundschule für rund vier Millionen Euro für sinnvoller. Die für den Neubau gedachten Fördermittel könnten dafür verwendet werden. Das habe ihm das Thüringer Landesamt für Bau und Verkehr bestätigt.
Landrat rechnet mit weniger Schülern
Herrgott begründete die neuen Pläne auch damit, dass die Zahl der Schülerinnen und Schüler an der Grundschule von derzeit 80 bis zum Jahr 2030 voraussichtlich auf 60 sinken werde. Mitte September solle der Kreistag im Zuge einer Dringlichkeitsanfrage entscheiden.
Doch zu einem Beschluss kam es in der Kreistagssitzung Mitte September nicht. Stattdessen verwiesen die Kreistagsmitglieder den Antrag in den Bildungs- und Wirtschaftsausschuss - auch, um noch einmal in Ruhe darüber zu diskutieren. Beide Ausschüsse fanden nun am Donnerstag, 17. Oktober, ohne Öffentlichkeit statt. Zum Thema "Sanierung oder Neubau der Grundschule in Wurzbach" gab es eine gemeinsame Beratung. Die Ausschüsse sollen dem nächsten Kreistag am 4. November eine Empfehlung geben.
Kompromissvorschlag: Grundschule könnte in Gebäude der Regelschule ziehen
"Ich hätte mir gewünscht, dass man vorher auf die Stadt Wurzbach zugekommen wäre, zumal dem Landratsamt schon seit Januar sämtliche Planungsunterlagen vorlagen", sagt Guido Kant-von der Recke. Laut dem Bürgermeister hätten der Landkreis und die Stadt gemeinsam nach alternativen Lösungen suche können. Eine Alternative hätte aus Sicht von Kant-von der Recke das Schulgebäude der Regelschule in Wurzbach sein können. In der Regelschule werden zurzeit 106 Schüler unterrichtet.
"Das Gebäude wäre ausreichend groß", sagt der Bürgermeister. "2010 wurden neue Fenster eingebaut. Das Gebäude könnte man sanieren und die Grundschule miteinziehen. Dort wäre genügend Platz, um Schüler der ersten bis zur zehnten Klasse unterzubringen." Und auch insgesamt könnten so Kosten gespart werden.
Der Bürgermeister hatte deshalb Anfang dieser Woche die Einwohner zu einer Informationsveranstaltung eingeladen. Rund 40 Bürgerinnen und Bürger kamen, und es zeigte sich, dass die Idee des Umzugs der Grundschule in das Gebäude der Regelschule nicht so leicht in die Tat umzusetzen sein könnte. Denn: Von Seiten der Grundschulleitung gibt es dafür bisher keine Zustimmung.
Schulleiterin Doreen Apel teilte dem Bürgermeister und dem Landrat mit, dass sie am bisherigen Standort der Grundschule festhält. Das hänge vor allem mit der Lage zusammen, der Nähe zur Natur und zum Kindergarten, aber auch mit dem kurzen Weg zur Turnhalle. Das Gebäude der Regelschule habe dagegen für die Grundschule einige Nachteile. Zum Beispiel fehlten ein Schulhof, ein Spielplatz und ein Schulgarten.
Bürger wünschen sich Erhalt beider Schulen für mehr Lebensqualität
Doch die Zukunft der Regelschule könnte ebenfalls ungewiss sein. Auch das hat mit den sinkenden Geburtenzahlen zu tun. So sind laut Schulleiter Reinhard Kurtz in diesem Schuljahr zum ersten Mal die fünfte und sechste Klasse zusammengelegt worden, weil die Schülerzahlen gesunken sind.
Ohne die Schulen wird es noch schwerer, junge Menschen hier zu halten.
Keine Frage, so das Fazit der Bürger: auch die Regelschule ist sanierungsbedürftig. Der Wunsch ist da - bei Bürgern und beim Stadtoberhaupt - beide Schulen für die Zukunft zu erhalten. "Ohne die Schulen wird es noch schwerer, junge Menschen hier zu halten und Familien eine Zukunft in Wurzbach zu bieten", sagt Kant-von der Recke.
"Die jungen Leute können mit Heimat gar nicht mehr das verbinden, was wir damit verbinden", meint ein Bürger. Die Einwohner wünschen sich, dass Grundschule, Stadt und Landkreis noch einmal ins Gespräch kommen.
MDR (dst)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Regionalnachrichten | 18. Oktober 2024 | 08:30 Uhr
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/32aeb704-0705-47c9-b674-f28d6c245e08 was not found on this server.