Tridelta "Uns lässt man wieder verhungern": Hermsdorfer Industriekeramiker gegen den Rest der Welt

02. Februar 2023, 10:54 Uhr

Energiekrise und Konkurrenz aus Asien bereiten den Keramikern der Firma Tridelta in Hermsdorf Sorgen. So lassen Auftraggeber aus der Automobilbranche lieber preiswert in China produzieren, wie die Geschäftsführer sagen. Außerdem deckt die Energiepreisbremse des Bundes nur 70 Prozent des eigentlichen Energiebedarfs finanziell ab.

Wie kleine graue Lego-Steinchen purzeln die Magnetsegmente aus der staubigen Maschine. 14 Magnetkerne der Größe 59 werden wohl schon bald in einer Ladesäule verbaut und ein Elektroauto mit Strom füttern. "Magnetismus spielt eine große Rolle im alltäglichen Leben. Man merkt es nicht, aber es ist da. Jedes elektrische Gerät braucht Weichferrite, Hartferrite, ohne die würde es nicht funktionieren. Auch unsere gesamte Energieversorgung nicht", sagt Rico Wachs, der Geschäftsführer der Tridelta Weichferrite GmbH aus Hermsdorf.

In jedem Auto fahren 20 bis 25 Kilogramm dieser Magnetkerne herum. In Elektroautos sind es laut Wachs etwa doppelt so viele. "Ohne diese Ferrite wäre kein modernes Leben möglich", so Wachs.

Was sind Ferrite und Magnetkeramik?

Ferrite sind elektrisch schlecht oder nicht leitende keramische Werkstoffe mit einer hohen magnetischen Leitfähigkeit. Hergestellt werden Ferrite unter anderem aus den Abfallprodukten der industriellen Rostentfernung.

Die Hochleistungs- oder auch Magnetkeramik kommt unter anderem in Solar- und Photovoltaikanlagen, Windrädern und Wärmepumpen, Motoren und Generatoren, Transformatoren, Staubsaugern und Handys, aber auch beispielsweise im Verschluss von Kühlschränken und Tiefkühlern zum Einsatz.

Zwei von drei Hochleistungsöfen bleiben kalt

Da sollte man meinen, dass die Anlagen von Wachs und seinem Amtskollegen Holger Jödecke von der Tridelta Hartferriten GmbH 24 Stunden durchlaufen. Immerhin ist die Energiewende in aller Munde. Autos und Photovoltaikanlagen, aber auch Kühlschränke und Staubsauger, Kameras, Handys oder Transformatoren werden überall genutzt.

Diese angezogene Handbremse, mit der wir derzeit fahren, tut natürlich schon weh.

Holger Jödecke, Geschäftsführer Tridelta Hartferrite GmbH

Doch zwei der drei energieintensiven Drehrohröfen bleiben derzeit kalt, auch bei den kleineren Sinteröfen laufen nur zwei der 15 Anlagen. "Wir könnten sehr viel mehr. Wir nehmen die Leistung raus und diese angezogene Handbremse, mit der wir derzeit fahren, tut natürlich schon weh", sagt Jödecke. Denn die Nachfrage ist höher.

Es sei angesichts der aktuellen Energiepreise einfach zu teuer, das Unternehmen unter Volllast laufen zu lassen. "Wir hatten 2021 einen Gasbedarf von circa 17 Gigawattstunden gehabt. Und wir bekommen durch die Energiepreisbremse für 2023 70 Prozent dieser Menge zum subventionierten, geförderten Preis von sieben Cent je Kilowattstunde", erklärt der geschäftsführende Gesellschafter. Zusätzliche Energie müssen die Unternehmen zu Tagespreisen am Energiemarkt zukaufen – und die schwanken stark auf bis zu über 40 Cent. Damit seien die Kosten nicht kalkulierbar, weder für die Unternehmen noch für deren Kunden.

Verhaltene Nachfrage nach Thüringer Hilfsprogrammen

Die Energiekrise trifft den Mittelstand in Thüringen besonders stark, hat eine repräsentative Analyse der KfW-Bank ergeben. Die Energiekosten machen demnach bei vielen Thüringer Unternehmen einen besonders hohen Anteil aus, die Gewinnmarge sinkt. So musste Eschenbach Porzellan in Triptis aufgeben, Kahla Porzellan fand mit viel Mühe einen neuen Energieversorger. Das Thüringer Wirtschaftsministerium hat keinen Überblick darüber, wie viele Firmen durch die hohen Energiepreise ins Straucheln geraten sind. Dazu würden keine Statistiken erhoben, da die Ursachen für eine Firmenschließung vielfältig sein könnten, heißt es.

Generell sei die Nachfrage nach den Hilfsprogrammen in Thüringen aktuell noch vergleichsweise gering, teilte eine Ministeriumssprecherin MDR THÜRINGEN auf Nachfrage mit. Das liege vermutlich an der Strom- und Gaspreisbremse des Bundes, den vollen Gasspeichern und den sinkenden Gaspreisen, heißt es. Die Energiekrise schlägt demnach bisher nicht in der gesamten Breite auf die Wirtschaft durch. Aktuell liegen beispielsweise im Existenzsicherungsprogramm 13 Anträge vor, von denen drei bereits bewilligt sind. Insgesamt stellt das Thüringer Wirtschaftsministerium nach eigenen Angaben 230 Millionen Euro bereit. Dazu zählen Zuschüsse, Kredite und Investitionen in energieeffiziente Technologien.

Know-how aus Ostthüringen

Auch in Hermsdorf lobt man die Förderprogramme. In den vergangenen Jahren wurde außerdem bereits viel investiert und optimiert, die Potentiale seien ausgeschöpft, heißt es. So ist beispielsweise neben den Öfen der Weichferritproduktion kaum Abwärme zu spüren. 24 bis 96 Stunden werden die Magnetkerne dort gehärtet, bevor sie noch einmal geschliffen werden. Diesen Schliff nach dem Brennen, das könnten nur die Hermsdorfer, erzählt Wachs nicht ohne Stolz.

Wir müssen zusehen, dass wir das Knowhow in Deutschland und Europa halten.

Holger Jödecke, Geschäftsführer Tridelta Hartferrite GmbH

Wachs und Jödecke wurmt es, dass nach dem Ende des Lockdowns in China die großen Auftraggeber nun wieder vorrangig nach den Kosten entscheiden und China-Ware beziehen: Nachhaltigkeit, kurze Wege, ein Ansprechpartner vor Ort, jahrzehntelanges Know-how, schnelle Verfügbarkeit – das würde bei den Betriebswirten selten eine Rolle spielen. "Uns lässt man wieder verhungern", sagt Wachs.

Den Hermsdorfern ist klar, dass sie mit der Konkurrenz in Asien nicht mithalten können: Dort kostet ein Magnetkern 65 Cent, die Hermsdorfer müssten aufgrund der hohen Energiepreise drei Euro statt ehemals einen Euro verlangen. Immerhin macht die Energie etwa 25 bis 30 Prozent der Herstellungskosten aus. Laut KfW-Analyse liegt der Schnitt in Thüringen bei etwa zwölf Prozent.

Wunsch: Umdenken auf Einkaufsetagen

"Magnetkeramik ist eine Schlüsselindustrie. Deswegen sind wir daran interessiert, den letzten Standort in Europa zu erhalten. Wir müssen zusehen, dass wir das Knowhow in Deutschland und Europa halten. Es gibt nicht mehr viele, wir sind der letzte großindustrielle Fertiger in Europa. Und wir sind dann auch irgendwann raus", erklärt Jödecke mit Nachdruck. Er und Wachs stellen die Fragen: Will die Politik sie in Deutschland überhaupt noch haben? Welche Preise ist der Markt bereit zu akzeptieren?

Wir brauchen mehr Wertschöpfung aus lokalen Lieferketten.

Holger Jödecke, Geschäftsführer Tridelta Hartferrite GmbH

Beide fürchten, dass man sich nach der Abhängigkeit von russischem Gas in die nächste Abhängigkeit begibt – nämlich die asiatischer Billiglohnländer. "Da wünsche ich mir ein Umdenken auf den Einkaufsetagen", sagt Rico Wachs. "Wir brauchen mehr Wertschöpfung aus lokalen Lieferketten", sagt Jödecke. Eine Idee der Hermsdorfer: Großabnehmer sollten künftig beispielsweise zehn Prozent ihrer Magnetsegmente von deutschen Herstellern beziehen. Das würde den Standort langfristig erhalten und beispielsweise deutsche Autohersteller auch in Krisensituationen unabhängig vom Ausland machen.

MDR

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN JOURNAL | 01. Februar 2023 | 19:00 Uhr

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