Überraschte Reaktionen Caritas fordert von Pflegeheim-Bewohnern 300 Euro Energiekostenzuschuss
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30. Januar 2023, 07:21 Uhr
Im Dezember erhielten Rentnerinnen und Rentner in Deutschland einmalig 300 Euro Zuschuss von der Bundesregierung, um die gestiegenen Energiepreise abzufedern. Diese Energiepreispauschale fordert ein Tochterunternehmen der Caritas in Thüringen von Bewohnern ihrer Pflegeheime ein. Andere soziale Träger und Pflegekassen sprechen von einem einmaligen Vorgehen ohne rechtliche Grundlage.
- In einem Brief fordert die Caritas Trägergesellschaft "St. Elisabeth" Pflegeheimbewohner dazu auf, ihr die Energiepreispauschale zu überlassen.
- Betreuer, Krankenkassen und Sozialverbände sind überrascht bis empört über dieses Vorgehen.
- Auch wenn das Unternehmen von einer "Spende" spricht, rät ein Fachanwalt zum Widerspruch.
Neun Pflegeheime, von Nordhausen bis Hildburghausen, von Eisenach bis Weimar, betreibt die Caritas über ein Tochterunternehmen in Thüringen. Rund 720 Menschen werden in diesen Einrichtungen betreut.
Anfang Dezember bekamen 650 von ihnen einen Brief von der Caritas Trägergesellschaft "St. Elisabeth" gGmbH. Darin heißt es: "Die Bundesregierung hat [...] beschlossen, am 15. Dezember allen Rentnerinnen und Rentnern eine Energiepreispauschale von 300 Euro über die Rentenkasse zu gewähren. Da sie ja bei uns im Haus leben und wir auch mit erheblichen Kostensteigerungen zu kämpfen haben, bitten wir Sie, uns die Pauschale zu überlassen [...]"
[...] Da sie ja bei uns im Haus leben und wir auch mit erheblichen Kostensteigerungen zu kämpfen haben, bitten wir Sie, uns die Pauschale zu überlassen [...]
300 Euro sind für die Betroffenen viel Geld
"Ich war schon zunehmend empört und entsetzt. Die Menschen, die in diesem Heim leben, müssen jeden Euro in der Hand umdrehen", erklärt Anne B. aus Weimar. Sie betreut einen der betroffenen Heimbewohner. Um ihn zu schützen, möchte sie ihren richtigen Namen lieber nicht öffentlich nennen. Die 300 Euro seien für den zu Pflegenden enorm viel Geld, wie "Weihnachts- und Urlaubsgeld zusammen", so Anne B.
Die Menschen, die in diesem Heim leben, müssen jeden Euro in der Hand umdrehen.
Auch Pflegekassen und Sozialverbände sind überrascht bis empört
Überrascht zeigen sich auch andere Sozialverbände wie die Awo oder der Paritätische Wohlfahrtsverband. Von solchen Forderungen habe man bislang nichts gehört, erklärt der Paritätische und schreibt weiter: "Dieses Vorgehen ist aus unserer Sicht nicht akzeptabel und widerspricht auch den dafür anwendbaren Regelungen. Wir raten dringend, sich an die zuständige Pflegekasse zu wenden."
Der Verband der Ersatzkassen vertritt gleich sechs große Pflegekassen, darunter die DAK, die Barmer und die Techniker Krankenkasse. Auf Landesebene handelt der Verband mit den Heim-Betreibern die Versorgungsverträge und damit die Pflegesätze aus. Und die seien im vergangen Jahr auf Grund der gestiegenen Energiekosten bereits angehoben worden, erklärt Claudia Glebe, Referatsleiterin Pflege.
Außerdem wurde im November ein Hilfspaket der Bundesregierung auf den Weg gebracht und im Dezember schließlich beschlossen. Zwei Milliarden Euro sollen Pflegeheime als Unterstützung bekommen. "Mit dem Energieschutzschirm bekommen Pflegeeinrichtungen rückwirkend ab Oktober 2022 bis April 2024 ihre Energiemehrkosten erstattet", erklärt Glebe. Wie die Mittel beantragt werden können, werde noch geklärt. Bis spätestens März soll das Geld aber bei den betroffenen Trägern sein.
Caritas-Unternehmen spricht von Spende
Gundekar Fürsich, Geschäftsführer der Caritas-Trägergesellschaft "St. Elisabeth" gGmbH, kennt diese Pläne. Allerdings wisse man bislang nicht, wie man an das Geld komme, wie die Antragsverfahren sind und welche Referenzwerte gelten. Allein die Stromkosten haben sich bei manchen Einrichtungen verneunfacht, so entstand im vergangenen Jahr eine Finanzierungslücke von ungefähr einer halben Millionen Euro, die man nicht refinanziert bekomme, erklärt der Geschäftsführer. Um Liquiditätsprobleme zu vermeiden, habe man die Bewohnerinnen und Bewohner um die Energiepreispauschale der Bundesregierung gebeten. Die 300 Euro, so Fürsich, seien eine Spende.
Allerdings taucht das Wort Spende im Anschreiben nicht einmal auf. Vielmehr heißt es: "Bei Bewohner*innen, von denen wir über ein SEPA-Mandat verfügen, werden wir den Betrag einziehen."
"Wir wollten eigentlich ein Angebot machen, zu sagen ihr müsst nicht zur Bank gehen. Und einem SEPA-Mandat kann man leichter widersprechen. Über diesen Weg kann man streiten. Ich bin überzeugt davon, das war ein fairer Weg", erklärt Fürsich dazu.
Fachanwalt empfiehlt Widerspruch
460 Bewohnerinnen und Bewohner haben bezahlt. Manche haben überwiesen, weil sie helfen wollen, andere aus Angst zu widersprechen. Bei vielen wurde das Geld vom Konto abgebucht. Wer das allerdings nicht möchte, sollte Widerspruch einlegen und das Geld zurückverlangen, empfiehlt Lars Reuter, Fachanwalt für Sozialrecht. "Der Träger darf die 300 Euro nicht für sich beanspruchen, dafür gibt es keine rechtliche Grundlage", so der Anwalt. Auch Anne B. aus Weimar hat das Geld im Namen ihres betroffenen Heimbewohners zurückgefordert.
MDR (eta/ls)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Die Nachrichten | 29. Januar 2023 | 09:00 Uhr
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