Tiere Fünf Küken für ein Halleluja: Schwanenrettung in Oberwellenborn und Orlamünde
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28. Mai 2023, 12:58 Uhr
Nachdem im April in Oberwellenborn eine Schwanenmutter gerissen wird, stellt sich die Frage: Wohin mit den Eiern? Ein erfolglos brütendes Paar ein paar Gewässer weiter ist die Rettung für das Gelege. Der Mordfall Schwan wirft jedoch Fragen auf.
Die flauschigen Küken kuscheln sich eng zusammen. Gähnen, nochmal das Beinchen strecken - und zack, sind die schwarzen Knopfaugen zugefallen. Das Schwanenkükenleben an der Orlamünder Kiesgrube (Saale-Holzland-Kreis) kann so schön sein. Mama und Papa Schwan wachen argwöhnisch über ihre fünf Kinder - die eigentlich gar nicht ihre Kinder sind.
Denn zu verdanken haben die zuletzt kinderlosen Schwaneneltern ihr Kükenglück einer Gruppe engagierter Naturschützer und einer Tragödie einige Kilometer entfernt in Oberwellenborn im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt.
Retten oder nicht retten?
Dort bekommt Andreas Walther Anfang April einen Anruf: Ein toter Schwan liegt auf dem Feld. Mit seinem Sohn Nick geht der ehrenamtliche Naturschutzbeauftragte der Gemeinde auf Spurensuche. "Hals weg, Kopf weg, außer Flügel und die Beine war nichts mehr da vom Schwan", erinnert sich Andreas an den grausigen Anblick der Schwanendame. Dabei waren Frau Schwan und ihr Partner jahrelang gern gesehene Gäste auf dem Teich: "Jedes Jahr haben wir uns gefragt: Wie viele Küken werden es wohl dieses Jahr?"
Im letzten Jahr waren es neun, in diesem Jahr liegen sieben Eier im Nest. Nach dem Riss kümmert sich der Witwer auch noch einen Tag ums Gelege, dann drohen die Eier in den kalten Aprilnächten zu erfrieren. Was tun? Immerhin sechs der sieben Eier sind befruchtet. "Der Natur ihren Lauf lassen oder die Eier retten?", überlegen die Schwanenfreunde in Oberwellenborn.
Retten! Das Dorf hält zusammen. Die Bürgermeisterin sucht nach Aufzuchtstationen und ein Hühnerzüchter bringt die Eier in seinem Brutkasten unter. Und weil in der Gegend jeder jeden kennt, erfährt auch Karsten Schmidt von dem Schwanenriss. Er hat mit dem Verband für Angeln und Naturschutz schon einige Projekte an der Orlamünder Kiesgrube gestartet.
Gelege soll getauscht werden
Ein Schwanenpaar brütete dort in den vergangenen beiden Jahren erfolglos. "Es war traurig, wenn die Schwanenfrau acht Wochen und mehr auf dem Nest gesessen hat und nichts passierte", erinnert sich Schmidt - und kommt auf die Idee, das Gelege zu tauschen.
Herr Schwan schimpft mit den Rettern
Andreas Walther hat schon etwa zehn kleine oder verletzte Schwäne gepflegt und kennt sich aus mit den stolzen Tieren. Mit dem Okay der Naturschutzbehörden beider Landkreise werden die geretteten Eier aus Oberwellenborn dick eingepackt und mit einer Wärmflasche nach Orlamünde transportiert. Wathosen und Gummistiefel angezogen, Sohn ins Boot gesetzt und los geht es für die Truppe zu dem Schwanennest, das wie eine kleine Strohinsel mitten in der Kiesgrube thront.
"Die Schwänin ist gleich weggegangen, aber der Mann hat verteidigt", erzählt Schmidt. Die Männer halten den wütend schimpfenden und mit den Flügeln schlagenden Herrn Schwan vom Nest fern, während der 13-jährige Nick die Eier auspackt. "Das hat vielleicht gedauert", erzählt Vater Andreas mit einem Augenzwinkern, "aber ich bin stolz auf meinen Sohn. Er hat sich wie eine Glucke über die Eier gelegt, hat sie vorsichtig ausgepackt." Und das, obwohl der aufgebrachte Schwanenvater immer wieder aufgeregt an dem Rettertrio vorbeiflattert.
Die Eier waren schwabbelig. Die gelbe, ekelhafte Flüssigkeit hat bestialisch gestunken.
Herr Schwan kann nicht wissen, dass die Menschen auf dem Floß und im Boot ihm und seiner Frau nur helfen wollen. Denn es stellt sich heraus: Das Gelege des Paares - immerhin neun Eier - war offenbar unbefruchtet, die Eier stinken faulig. "Die Eier waren schwabbelig. Beim Durchleuchten hat man auch gesehen, dass da nur Flüssigkeit drin war. Wir haben mal eins zerbrochen. Die gelbe, ekelhafte Flüssigkeit hat bestialisch gestunken", erzählt Andreas Walther.
Der erste heikle Moment glückt: Frau Schwan macht es sich wieder auf dem Nest gemütlich und brütet brav weiter. Dann heißt es noch einmal etwa 30 Tage warten und zittern. Kurz vorm Muttertag schlüpfen fünf flauschige graue Küken, die von ihren Adoptiveltern wohlbehütet werden.
Offene Fragen im Mordfall Schwan
Sie können jetzt über den Sommer zu stolzen Schwänen heranwachsen. Im September stehen die ersten Flugstunden an. Vor denen graut Karsten Schmidt bereits mit Blick auf die Stromleitung, die direkt über der Kiesgrube und der Saale verläuft. "Beim letzten erfolgreichen Gelege haben nur vier der acht jungen Schwäne die Flugversuche überlebt, die anderen sind in den Leitungen gelandet", erzählt Schmidt, "wenn von den fünf Jungtieren zwei überleben, ist das gut."
Ein Hund müsste den Schwan die steile Böschung rauf und mehrere Meter bis aufs Feld gezerrt haben.
Und was haben die Ermittlungen im Mordfall Schwan ergeben? Walther und Schmidt glauben nicht, dass wildernde Hunde die Schwanenfrau gerissen haben. "Ein Hund müsste den Schwan die steile Böschung rauf und mehrere Meter bis aufs Feld gezerrt haben", ist Nick skeptisch. Auch einen Fuchs schließen sie aus - und vermuten, dass ein umherziehender Wolfshybride den Schwan gerissen haben könnte.
Das Landratsamt Saalfeld-Rudolstadt teilt mit, dass ein Riss ohne Nachweise Raum für Spekulationen lässt und eine sachliche Beurteilung nicht möglich ist. Es sei nicht möglich einzuschätzen, wie der Schwan zu Tode kam.
Wichtiger Hinweis: Nicht mit Brot füttern
Einen Tipp haben die Schwanenretter noch: Teichbewohner wie Schwäne oder Enten sollten nicht mit Brot oder Küchenabfällen gefüttert werden. "Teilweise schütten die Menschen hier ganze Berge in oder an den Teich, oftmals schon verschimmelt", berichtet Andreas Walther. Brot jedoch ist ungesundes Fastfood für die Tiere, und mit Küchenabfällen können sie gar nichts anfangen.
"Das einzige, was man erreicht, ist, dass die Tiere vertrauensselig am Rand nach Futterabfällen suchen und Raubtiere leichte Beute haben", ergänzt Schmidt. Am besten sei es, gar nicht zu füttern. Geeignet ist allerhöchstens Getreide wie Maiskörner, das am Uferrand ausgelegt wird und damit nicht ungenutzt auf den Teichgrund fallen kann.
Die Schwanenfamilie in Orlamünde lässt sich derweil den reich gedeckten Tisch in der Kiesgrube schmücken. Die Küken wackeln mit den Schwänzchen und watscheln hinter der Mama her ins Wasser. Papa Schwan reckt den Popo in die Höhe und schnappt nach leckeren Wasserpflanzen, während die Kleinen an der Wasseroberfläche nach kleinen Happen schnappen.
MDR (dst)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | THÜRINGEN JOURNAL | 28. Mai 2023 | 19:15 Uhr
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