Wohnen Nachgefragt: Zockt ein Vermieter in Jena weiter Studenten ab?

08. Februar 2024, 16:49 Uhr

Vor einem Jahr haben wir über ein Ehepaar berichtet, das im Verdacht steht, in Jena Studenten abzuzocken. Es ging um einbehaltene Kautionen und offene Drohungen. Was hat sich seitdem getan?

David Straub schaut in die Kamera.
Bildrechte: Privat

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360 Euro bezahlt Frederik Schulz* aktuell Miete - für ein sechs Quadratmeter großes Zimmer. 60 Euro pro Quadratmeter. Das ist selbst für Jena, wo die Mieten wie vielerorts seit Jahren steigen, wahnsinnig hoch. Das Ziel von Frederik ist: "Wenn ich eine andere Wohnung finde, ziehe ich aus. Ich will hier nicht länger bleiben, als ich muss." Frederik heißt eigentlich anders. Doch zu seinem Schutz bleibt er hier anonym. Denn in dieser Geschichte geht es um seinen Vermieter.

Die Masche der Familie S.

Vor einem Jahr hatten wir über den zwielichtigen Geschäftsmann Jörg S. berichtet, der mit seiner Frau in der Jenaer Innenstadt Zimmer an Studenten vermietet und sie nach Aussagen der Betroffenen regelmäßig um Geld betrügen soll: Das Ehepaar S. vermietet auf der Plattform "WG-Gesucht" Zimmer im "Internationalen Studentenhaus" am Johannisplatz. Mehrere ehemalige Mieter hatten berichtet, dass ihre Kaution nach dem Auszug einbehalten wurde. Mit teils fadenscheinigen Begründungen.

Außerdem mussten sie beim Einzug eine "Reservierungsgebühr" von 350 Euro zahlen - dafür, dass sie die Wohnung besichtigen und einen Mietvertrag unterschreiben durften. Einer der Studenten hatte MDR THÜRINGEN berichtet, erst nach langer "Detektivarbeit" und nur mit Hilfe einer Anwältin, am Ende sein Geld zurückbekommen zu haben.

Not der Studenten oft groß

"Ich hatte mich halt darauf eingelassen, weil ich am Studienbeginn direkt was brauchte", schildert Frederik seine Situation zu Beginn des ersten Semesters. "Der Vermieter war am Anfang freundlich." Obwohl im Inserat die Rede von einem neun Quadratmeter großen Zimmer war, passt in der Realität noch nicht einmal Frederiks Schreibtisch richtig hinein. Um daran arbeiten zu können, muss er ihn auf den Gemeinschaftsgang schieben.

Die Inserate des "Internationalen Studentenhauses" scheinen dabei vor allem zugezogene Studierende anzusprechen. Vergangenes Jahr hatte eine Studentin aus Süddeutschland ihre schwierige Wohnungssuche in Jena geschildert. Frederik ergänzt: "Es scheint, als ob viele im Haus kein Deutsch sprechen."

Auch die Inseratbeschreibungen selbst scheinen darauf abzuzielen, gerade ausländische Studenten anzuziehen. In einem der Texte heißt es wörtlich: "bei uns wohnen..........Internationale junge Menschen mit hoher Inteligenz und großen Respekt vor der deutschen Kultur und den einzigartigen Menschen der Stadt Jena - 50% mit Hochschulabschluß - sowie der vielfältigen jenaer und weimarer Kultur."

Wohnungsinserate im Internet
So sehen die Inserate aus, die die Familie S. auf "WG-Gesucht" online stellt. Bildrechte: MDR/David Straub

Nach der Veröffentlichung des MDR-Artikels haben sich in den vergangenen Monaten weitere Betroffene der Masche des Ehepaar S. bei uns gemeldet. Vorwiegend Eltern, die dabei zusehen, wie ihre Kinder offenbar auf S. hereinfallen und ihr Geld nicht wiederbekommen.

Vater sorgt sich vor dem Auszug

Frederiks Vater ist einer von ihnen. Da sein Sohn noch vor Ort wohnt, ist natürlich unklar, ob die Vermieter auch seine Kaution einbehalten. Doch Frederiks Vater ist alarmiert, allein schon wegen der hohen Miete für das kleine, "auch noch fünfeckige" Zimmer: "Mein Sohn war einfach blauäugig, es ist eine Wahnsinns-Abzocke. Dem Vermieter gehört das Handwerk gelegt."

Es wäre verantwortungslos, jemanden zu finden, der dieses Zimmer dann nimmt.

Frederiks Vater

Auch Frederiks Vater will, dass sein Sohn sobald wie möglich dort auszieht - aber: "Dafür müssen wir dann halt einen Nachmieter finden." Auch dafür wolle der Vermieter S. aber eine extra Bearbeitungsgebühr. Er habe aber Bauchschmerzen bei der Suche eines Nachmieters, erklärt der Vater: "Es wäre halt verantwortungslos jemanden zu finden, der dieses Zimmer dann nimmt."

Unser Video vom Dezember 2022:

Familie verklagt Jörg S.

Während Frederik noch nicht weiß, welche Überraschung sein Mietverhältnis noch für ihn bereithalten wird, sieht es bei Familie Schmidt* ganz anders aus: Auch Tochter Leonie Schmidt* hatte zur Miete am Johannisplatz 16 gewohnt. Und dann begann der Streit.

Wir haben dann bitterböse Drohbriefe bekommen.

Mutter von Leonie*

Leonie sei ausgezogen, als die Missstände immer größer wurden. "Die Toiletten hatten keine Fenster und waren verschimmelt. Und uns wurde versprochen, bis wir einziehen, wird das alles noch gemacht. Und auch die Tür zum Hausflur war nicht verschließbar, sodass auch Sachen entwendet worden sind." Die Familie mühte sich um einen Nachmieter, dieser kam und musste ebenfalls 1.200 Euro Kaution blechen. Als dann aber auch nach dem regulären Ende des Mietverhältnisses keine Kaution zurückkam, mahnten die Schmidts.

"Wir haben dann bitterböse Drohbriefe bekommen", erzählt die Mutter von Leonie. Zum einen seien die zu ihnen gekommen, aber auch an die neue Anschrift von Leonie - "wie auch immer er an die gekommen ist. Und gleich mit großer Aufschrift auf dem Briefkopf 'Mietschuldnerin'" Das habe auch bei den neuen Mitbewohnern ihrer Tochter keinen guten Eindruck hinterlassen.

Mit einer Anwältin, die bereits vertraut mit der Masche der Familie S. ist, haben die Schmidts Klage auf Kautionsleistung eingereicht.

WG-Gesucht kennt die Vorwürfe

Momentan finden sich auf "WG-Gesucht" keine Anzeigen des "Internationalen Studentenhauses". Offenbar ist alles vermietet. Leonies Mutter ärgert sich, dass die Plattform in den vergangenen Monaten aber immer wieder Anzeigen des Vermieters online ließ. Obwohl ihre Tochter immer wieder Beschwerde eingereicht habe.

Von "WG-Gesucht" wollten wir wissen, warum das Unternehmen weiterhin Anzeigen vom "Internationalen Studentenhaus" zulässt. Schriftlich antwortete eine Sprecherin, dass generell jede Anzeige und Nachricht von Nutzern "bei Unregelmäßigkeiten gemeldet werden" kann. Mitarbeiter der Qualitätssicherung prüften dann den Vorfall manuell.

"Mehrfach" hatte es laut "WG-Gesucht" Meldungen allein bei einer Anzeige gegeben mit dem Titel "Zentrum WG Zimmer, beste Preis/Leistung internationales StudentenHaus, absolutly Zentrum 1 min. zur UNI, Clevere Studenten wohnen hier". Ein Viertel der Beschwerden habe sich dabei auch auf den MDR-Bericht bezogen. "Die Anmerkungen variierten von nicht zurückgezahlter Kaution über Unfreundlichkeit bis hin zur Forderung einer Reservierungsgebühr", heißt es von "WG-Gesucht".

Wohnungsinserate im Internet
So sehen die Inserate auf dem Portal aus. Bildrechte: MDR/David Straub

Plattform kann Nutzer nicht sperren

Doch warum fanden sich - zuletzt im November - noch Anzeigen zum Johannisplatz auf der Plattform? "Unser Ziel ist es keinesfalls, unseriöse Anzeigen oder Nutzer zu unterstützen. Ende 2022 hatten wir den Account des Anbieters aufgrund der Beschwerden vorübergehend pausiert und dann wieder aktiviert", schreibt das Unternehmen auf Anfrage. Denn um einen Account dauerhaft löschen zu können, brauche es ein gerichtliches Urteil. Erst dann könnten sie gegen eine erneute Registrierung juristisch vorgehen.

Sobald wir das Urteil kriegen, geht das definitiv direkt an 'WG-Gesucht'.

Mutter einer betroffenen Mieterin

Anfang Januar landet auf einmal Geld auf dem Konto von Familie Schmidt: Die Vermieter vom Johannisplatz 16 haben einen Großteil der Kautionssumme zurücküberwiesen, nachdem ihnen die Klage der Familie Schmidt zugestellt worden ist. "Wir klagen trotzdem", sagt die Mutter von Leonie Schmidt, denn "es fehlen 30 Euro von der Kautionssumme". Außerdem wollen Familie und Anwältin unbedingt ein Urteil erwirken.

"Sobald wir das Urteil kriegen, geht das definitiv direkt an 'WG-Gesucht'. Weil ich finde, dass man den Leuten das Handwerk legen muss." Leonie habe noch immer Kontakt zu momentanen Bewohnerinnen - dort habe sich nichts geändert. "Wir haben im Oktober jetzt auch mal am Johannisplatz gefrühstückt und gesehen, wie junge Leute neu eingezogen sind. Da haben wir gesagt haben: Oh ne die Armen!"

Drohungen und keine konkreten Antworten

Über all das hätten wir gerne mit dem Vermieter Jörg S. und seiner Ehefrau selbst gesprochen. Auf wiederholte Anfragen an Vermieter und Hausverwaltung erhalten wir kurz vor Weihnachten eine Mail. Auskünfte wolle man nur bei der Nennung konkreter Namen geben, um "die tatsächlichen Einzelfälle" prüfen zu können. Man verweist auf die AGBs, Mietverträge und Protokolle. Dort seien alle Leistungen nachvollziehbar geregelt und erläutert, in welchen Fällen die Kaution einbehalten werde. An einer Stelle droht der Absender: "Es könnte teuer werden", wenn wir noch einmal "Unwahrheiten in die Welt setzen".

Wir werden aufgefordert, uns an den Anwalt der S. zu wenden. Doch bis heute haben wir von dort keine Antworten auf unsere Fragen und die Vorwürfe der Jenaer Studenten und ihrer Familien bekommen.

* Namen wurden auf Wunsch geändert. Sie sind der Redaktion bekannt.

MDR (dst)

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