Literaturmuseum Romantikerhaus Jena will sich neu erfinden
Hauptinhalt
22. Mai 2024, 10:18 Uhr
Ob Fichte, Schlegel, Brentano oder Novalis – Jena ist eng mit den Romantikern verknüpft. Ihre Geschichte erzählt das Romantikerhaus, für das es jetzt große Pläne gibt: Nach Jahrzehnten der Ruhe soll das Literaturmuseum aus seinem Dornröschenschlaf geholt und neu konzipiert werden. Geplant ist eine interaktive, barrierefreie Ausstellung. Unterstützt wird das Haus dabei nicht nur von der Stadt Jena, die als Geburtsstätte der Romantik gilt.
- Das Romantikerhaus erzählt von den Anfängen der Bewegung in Jena und soll nun umfassend modernisiert werden.
- Wie die Romantik uns Menschen heute noch berührt und warum – das will die Ausstellung künftig stärker in den Fokus rücken.
- Unterstützt wird das Museum nicht nur von der Stadt Jena.
Versteckt zwischen Neubauten befindet sich das Romantikerhaus in einem Hinterhof der Jenaer Innenstadt. Begrüßt wird man mit dem Spruch von Novalis: "Wir suchen überall das Unbedingte und finden immer nur Dinge". Max Pommer, der Leiter des Hauses, vergleicht die Romantik gern mit einem Urwald: Keiner wisse so genau, was das eigentlich sei.
"Wissenschaftler versuchen durch den Wald duchzukommen", sagte Pommer MDR KULTUR. "Mal gibt’s einen Weg, mal gibt’s nur Trampelpfade, mal gibt’s nur Dickicht, das noch gar nicht erschlossen ist. Was wir aber natürlich wissen, ist, dass die Romantik ihren allerersten Anfang hier in der Stadt nahm." Nämlich von 1796 bis 1803 – wenn man sich weit aus dem Fenster lehnen möchte.
Hier beginnt auch etwas, was für unser heutiges Lebens- und Kulturverständnis ganz essenziell ist, auch wenn wir das manchmal gar nicht wissen.
Von Jena gingen die Grundimpulse dessen aus, was Romantik ist – und dessen, was heute noch bis in unseren Alltag reicht: "Hier beginnt auch etwas, was für unser heutiges Lebens- und Kulturverständnis ganz essentiell ist, auch wenn wir das manchmal gar nicht wissen", so Pommer. Keiner komme auf die Idee bei einem romantischen Abend zu sagen: 'Ach da muss ich erstmal bei Friedrich Schlegel nachlesen'.
Neue Lebenswirklichkeit erfordert neue Aufmachung
Wie die Romantik uns Menschen heute noch berührt und warum – das will die Ausstellung künftig stärker in den Fokus rücken, erzählte Max Pommer beim Rundgang im Gespräch mit MDR KULTUR. Vor gut drei Jahren hat er die Leitung des Hauses übernommen. Zugegeben: Im Jahr 2024 wirkt das Romantikerhaus zuweilen wie im Dornröschenschlaf.
Die liebevolle Ausstellung ist von 1999 – seitdem hat sich viel geändert, im Forschungsstand, aber auch bei den Museumsbesuchenden. Heute sehe man sich mit ganz neuen Fragen in der Lebenswirklichkeit konfrontiert als 1999. "Ich sage jetzt nur mal das Stichwort Digitalisierung. Und da ist es nötig, dass man mal anpackt." Und zwar von Grund auf: Das Museum soll so weit wie möglich barrierefrei werden, zweisprachig, mit einem neuen Konzept sowie einer Mischung aus neuem Digitalen und den bereits vorhandenen historischen Möbeln, Original-Bildern und Büsten.
Fragen an die Romantiker, die noch heute relevant sind
Im ersten Stock des Romantikerhauses wurde in einem Raum der Hörsaal des Philosophen Johann Gottlieb Fichte nachgebaut. Das nahm der Museumleiter im Gespräch mit MDR KULTUR als Anlass für ein Beispiel, wie er die Ausstellung künftig gestalten möchte: Wenn man zum Beispiel davon ausgehe, dass wir moderne, aufgeklärte Menschen seien, ebenso wie die Romantiker und Fichte – was hätten wir dann für Fragen an Fichte, die uns auch in unserer heutigen Lebenswirklichkeit noch betreffen? "Wenn wir zum Beispiel nach Freiheit fragen, wie Fichte auch", so Pommer. "Und wie können wir es schaffen, das jetzt zu vermitteln, dass die Besucher sagen: Ah ja stimmt'?"
Die neue Ausstellung soll interaktiv sein und die Gäste einladen, mitzumachen und kreativ zu werden. Dafür will das Romantikerhaus mit Museumsagenturen zusammenarbeiten. Auch soll die Ausstellungsfläche erweitert werden – Pommer würde gern den Dachstuhl für Veranstaltungen zugänglich machen.
Unterstützung aus Amerika
Rückendeckung von der Stadt gibt es bereits für das Vorhaben und ist jüngst mit der Kulturkonzeption 2025 bis 2028 beschlossen worden. Die Neukonzipierung ist für dieses und kommendes Jahr angesetzt. Dann folgt die Finanzplanung. Nicht kleckern, sondern klotzen sei das Motto, sagte die Werkleiterin von Jena Kultur, Friedrun Vollmer MDR KULTUR: "Sonst können wir es eigentlich gleich sein lassen. Die Jenaer Frühromantik hat ein Potenzial, wirklich ganz vorn mit drangestellt zu werden, auch im nationalen Vergleich. Und wir können diese Chance ergreifen und ich bin mir sicher, dass es dann auch entsprechende Fördermittel geben wird."
Den Anfang machte überraschenderweise ein großzügiger Spender aus den USA. Nach Erscheinen von Andrea Wulfs Buch "Fabelhafte Rebellen" 2022 besuchte er das Romantikerhaus vergangenes Jahr und stellte dem Museum eine vierstellige Summe zur Verfügung. Davon konnte Max Pommer Erstausgaben von allen wichtigen Frühromantikern kaufen. Inzwischen besitzt das Museum zwischen 30 und 40 Stück: "Diese Bücher kehren in gewisser Weise nach Jena zurück. Dass man wirklich auch sagen kann, Jena schafft es, die Romantiker zurückzuholen, dass man hier auch etwas davon hat, was man bewahrt."
Redaktionelle Bearbeitung: tmk, sg
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 20. Mai 2024 | 15:15 Uhr