Angeklagt Prozess gegen mutmaßliche IS-Terroristin: Erste Zeugen vernommen
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28. April 2023, 20:55 Uhr
Am Thüringer Oberlandesgericht wurde das erste Mal öffentlich gegen eine IS-Rückkehrerin verhandelt. Die mutmaßliche Islamistin soll 2015 nach Syrien gereist sein. Erste Zeugen wurden vernommen.
Seit sie zurück aus Syrien ist, leidet die Angeklagte unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Das ist einer der Gründe, warum die Staatsschutzkammer am Thüringer Oberlandesgericht in Jena während der Aussagen der Angeklagten die Öffentlichkeit ausschloss. Der andere: die Angeklagte sprach auch über ihr Familienleben, über die Beziehung zu ihrem Ehemann und über sehr persönliche Dinge aus ihrem Leben.
Man glaubt dort zu finden, was einem fehlt.
Die 26-Jährige ist wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung angeklagt. Sie ist 2015 nach Syrien gereist, hat sich dem Islamischen Staat (IS) angeschlossen, einen Kämpfer geheiratet, ihm den Haushalt geführt, sich um das gemeinsame Kind gekümmert, Korankurse besucht. So steht es in der Anklageschrift der Bundesanwaltschaft. Noch als Gefangene in einem kurdischen Lager soll sie sich dafür eingesetzt haben, dass Frauen sich an die IS-Kleidungsvorschriften halten.
Erste Zeugen vernommen
Heute wurden die ersten Zeugen gehört, darunter eine 26-Jährige, mit der die Angeklagte vor ihrer Ausreise in einer so genannten Schwesterngruppe chattete. Sie habe damals selbst darüber nachgedacht, nach Syrien zu reisen, sagte die Zeugin. "Man hat uns das Paradies versprochen", sagte sie und: "Man glaubt dort zu finden, was einem fehlt". Seinen Glauben ohne Einschränkungen leben zu können, sei eine schöne Vorstellung gewesen.
Sie selbst habe sich gegen die Ausreise entscheiden. Bei der Angeklagten hätten zwischen dem Übertritt zum Islam und der Ausreise nur wenige Wochen gelegen. Möglicherweise weil sie sich als Konvertitin in ihrer Familie unverstanden fühlte, so die Zeugin. Wer zum IS ging, habe heiraten müssen - als Frau brauche man einen Vormund.
Eine zweite Zeugin, mit der die Angeklagte 2017 drei Monate zusammen in einer Wohnung lebte, beschrieb sie als gute Mutter. Die beiden Frauen hätten wenig Geld und kaum Kontakt zu ihren Männern gehabt, beides Kämpfer. Mobiles Internet gab es nicht, der Gang in ein Internetcafé sei Frauen nicht gestattet gewesen. Beide hätten sie darüber nachgedacht, wie sie das IS-Gebiet verlassen könnten.
Falsche Illusionen in IS-System
Verlesen wurde das Vernehmungsprotokoll einer Berlinerin, die ebenfalls in Syrien einen Kämpfer geheiratet hatte - und relativ schnell desillusioniert wieder zurück nach Deutschland kam. Am Anfang sei sie froh gewesen, dass sie keinen Behördenärger mehr hatte und ihre Mietschulden vergessen konnte. Doch das habe sich schnell geändert. Frauen hätten nichts zu melden gehabt, wer Fehlverhalten anzeigte, sei belohnt worden. Wer sich nicht an die Regeln hielt, sei drangsaliert worden.
Eine weitere Zeugin, die mit der Angeklagten als Gefangene in einem kurdischen Lager lebte, konnte sich an diese Zeit nicht mehr erinnern. Auch an den nächsten Verhandlungstagen werden Zeugen gehört. Ein Urteilstermin steht noch nicht fest.
MDR (ch/cfr)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 28. April 2023 | 19:00 Uhr