Universitätsklinikum Jena Post Covid: Corona-Langzeitfolgen werfen noch immer Fragen auf
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27. Dezember 2021, 10:37 Uhr
Seit August 2020 betreibt das Universitätsklinikum Jena eine Post-Covid-Ambulanz und behandelt hier Patienten, die nach ihrer Covid-19-Infektion langanhaltende Schäden davongetragen haben. Doch nach anderthalb Jahren ist die Bilanz ernüchternd, denn noch immer geben Long Covid und vor allem das Post-Covid-Syndrom der Medizin große Rätsel auf.
Etwa 700 Patienten hat die Post-Covid-Ambulanz am Universitätsklinikum Jena bisher betreut. Doch die Bilanz ist ernüchternd: Genesen seien bis heute nur wenige, sagt Klinikdirektor Professor Andreas Stallmach. "Bei 80 Prozent der Patienten ist es nicht besser geworden." Darunter seien auch 50 bis 60 Patienten, die schon im August 2020 in der damals neugegründeten Post-Covid-Ambulanz vorstellig wurden.
Unterschied zwischen Long Covid und Post Covid
Die Ambulanz betreut vor allem Patienten, die eine mittlere bis schwere Form des Post-Covid-Syndroms ausgeprägt haben und damit von Long-Covid-Patienten unterschieden werden müssen. In den Medien - auch beim MDR - wurden die Bezeichnungen Long und Post Covid bislang häufig synonym verwendet. Mediziner bestehen aber auf eine Unterscheidung.
Denn während Long Covid im Grunde genommen eine längere Rekonvaleszenz-Zeit beschreibt, in der Symptome auch vier bis zwölf Wochen nach der Covid-19-Erkrankung noch auftreten, dann aber abklingen, meint das Post-Covid-Syndrom vor allem chronische Folgen, die womöglich für immer bleiben. So wird im Fachjargon auch zwischen den alternativen Bezeichnungen PASC (abgeleitet aus dem Englischen "Post-Acute Sequelae of Covid-19") und CCS (abgeleitet aus dem Englischen "Chronic coronary syndrom") unterschieden.
Schweres Post-Covid-Syndrom auch nach leichter Covid-19-Erkrankung
Dass die Begrifflichkeiten oft miteinander gleichgesetzt wurden, hängt auch damit zusammen, dass sich zunächst nicht absehen lässt, ob es sich bei den Nachwehen einer Covid-19-Erkrankung um Long oder Post Covid handelt. "Wenn man alle Menschen betrachten würde, die eine Infektion durchgemacht haben, dann liegt das Ganze in einer Größenordnung von zehn bis 15 Prozent", schätzt Andreas Stallmach die Wahrscheinlichkeit für Folgeschäden.
Chronische Symptome im Sinne des Post-Covid-Syndroms behielten nach sechs Monaten aber nur etwa fünf bis sieben Prozent aller Infizierten zurück, von denen viele leichtere, einige aber unverändert schwere Beschwerden hätten.
Eine weitere und durchaus überraschende Beobachtung ist, dass das Post-Covid-Syndrom häufig bei Menschen auftritt, die keinen schweren Covid-19-Verlauf hatten. "Zwei Drittel der Patienten, die in unsere Post-Covid-Ambulanz kommen, haben ihre Covid-19-Infektion zu Hause durchgestanden", sagt Stallmach. "Das heißt, die Wahrscheinlichkeit ein Post-Covid-Syndrom, auch ein schweres Post-Covid-Syndrom zu entwickeln, hängt nicht davon ab, wie schwer die initiale Erkrankung ist."
Schützt eine Impfung vor Long und Post Covid?
Der beste Schutz vor Long und Post Covid ist eine Impfung, ist Andreas Stallmach überzeugt. "Weil die Impfung natürlich auch Infektionen verhindert und wenn ein Mensch sich nicht infiziert, kann er auch kein Post-Covid-Syndrom entwickeln." Davon abgesehen könne bei Durchbruchsinfektionen bisher noch keine Aussage über die Wahrscheinlichkeit von Post Covid getroffen werden.
Das liege vor allem daran, dass die Impfdurchbrüche sich jetzt erst häuften und es deshalb noch zu zeitig für Post-Covid-Diagnosen sei. Hingegen gibt es erste Studien, die zeigen, dass Impfungen vor vielen Beschwerden bei Long Covid schützen. Allerdings zeigt sich auch schon jetzt: Eine Impfung ist kein 100-prozentiger Schutz gegen Long Covid.
Post Covid stellt Medizin noch immer vor Rätsel
Davon abgesehen stellt das Post-Covid-Syndrom die Medizin vor viele weitere Rätsel. So ist auch in der Post-Covid-Ambulanz in Jena eine deutliche geschlechtliche Disposition zu beobachten. Demnach sind Frauen häufiger von Post Covid betroffen als Männer. Laut Andreas Stallmach liegt der Anteil der Patientinnen in Jena bei 65 Prozent.
Diese Beobachtung deckt sich mit denen anderer Mediziner, weshalb inzwischen angenommen wird, dass es einen Einfluss von Erbfaktoren auf Post Covid gibt. Möglicherweise ist es der gleiche Erbfaktor, der Frauen auch anfälliger für die Myalgische Enzephalomyelitis/das Chronische Fatigue-Syndrom (ME/CFS) macht. Denn ME/CFS und Post Covid haben viele übereinstimmende Symptome und treten beide nach Virus-Infektionen auf.
Auch bei der Frage nach der Entstehung des Post-Covid-Syndroms tappt die Medizin noch im Dunkeln. "Hier müssen wir in aller Demut sagen, dass wir das noch gar nicht richtig verstanden haben", sagt Stallmach und bittet um Geduld; anderthalb Jahre Krankheitsforschung seien schlicht zu kurz, um hierbei ein abschließendes Urteil zu fällen. Allerdings gebe es bisher drei Überlegungen, die mit der Immunantwort des Körpers zu tun haben, so Stallmach: So könnte eine überschießende und anhaltende Immunantwort ursächlich für das Post-Covid-Syndrom sein.
Eine andere Idee nimmt das Gegenteil an; weil die Immunantwort zu schwach ausfalle, verblieben Virusbestandteile im Blut und sorgten so für anhaltende Symptome. Die dritte Überlegung geht davon aus, dass die Infektion und die darauffolgende Immunantwort Gefäßentzündungen verursachen, die zu Durchblutungsstörungen führen, die die betroffenen Organe langfristig schädigen.
Bessere Behandlungsangebote ab Frühjahr 2022
Eine andere medizinische Baustelle sind die Behandlungsmethoden bei Long und Post Covid. Derzeit müssen sich Betroffene, die durch eine Reha keine Fortschritte erzielen können, in Geduld üben. Denn während die Impfstoffforschung relativ schnell wirksame Vakzine herstellen konnte, steckt die Heilung der Spätfolgen noch beinah in den Kinderschuhen. "Im Moment sind wir, was unsere gesicherten Behandlungsangebote angeht, noch sehr schmal aufgestellt."
Allerdings werden auch hier seit geraumer Zeit in Arbeitsgruppen verschiedene Behandlungsversuche unternommen. Diese Forschung werde mit sehr viel Geld von der Politik finanziert, sagt Stallmach. So gebe es etwa Versuche mit Medikamenten, Therapien mit Antikörpern und auch die Blutwäsche werde derzeit als Maßnahme erprobt. Außerdem würden - vor allem im Rahmen der Rehabilitation - auch individuelle Fitnesstrainings getestet.
"Ich vertraue da tatsächlich auf die medizinische Forschung. Forschung heilt", sagt Stallmach und verweist auf eine Reihe von Studien, die die Behandlung von Long- und Post-Covid-Patienten bald von der Versuchsebene auf die Ebene gesicherter Erkenntnisse stellen werden. "Die Studien werden in den nächsten Wochen und Monaten vorliegen, sodass wir sicher zum Frühjahr und zum Sommer den Patienten bessere Behandlungsangebote machen können."
Quelle: MDR
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 27. Dezember 2021 | 18:00 Uhr
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